Das Dorf Schönwald/Bojków, heute ein Stadtteil von Gleiwitz, war vor 1945 vor allem durch seine Stickkunst bekannt. Sowohl der Name Schönwald als auch das für Oberschlesien untypische Dorf selbst sind inzwischen Geschichte. Der Ausnahmecharakter des Dorfes ergibt sich aus seiner Entstehung, seiner bis ins Mittelalter zurückreichenden Geschichte, aus seinem Dialekt, der sich erhalten und von den Mundarten der umliegenden Dörfer unterschieden hat, aus bestimmten, besonders die Hochzeit betreffenden Bräuchen sowie aus den vor dort stammenden Volkstrachten.
Die Schönwälder Stickkunst ist eng verbunden mit den Schönwälder Trachten. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ging man dazu über, die Frauentrachten mit farbigen Stickereien zu verzieren. Schwarzer Stoff wurde mit bunten Seidenfäden von Hand bestickt. Diese Trachten heben sich deutlich von anderen Trachten in Schlesien ab. In Schönwald wurden Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur Kopftücher und Bänder, sondern auch Blusen, Kragen, Kinderkleidchen und Kinderhäubchen kunstvoll bestickt. Darüber hinaus zierten Blumen- und Rankenmotive, Getreideähren, Käfer und Schmetterlinge auch Gürtel, Beutel, Täschchen, Bucheinbände, Kissen, Decken und Wandbehänge. Dieses Kunsthandwerk wurde von Generation zu Generation weitergegeben.
Die Stickerei diente lange Zeit auch als Nebeneinnahme, angeboten auf den umliegenden Wochenmärkten. Eine unbeabsichtigte Professionalisierung begann mit der Einrichtung einer Stickstube, die im Jahr 1920 zur Bewahrung des Stickereiwissens gegründet wurde. Aufgrund des enormen Erfolges über die Grenzen des Landes hinaus waren dort in den 1930er Jahren bereits über 100 Stickerinnen beschäftigt. Bis 1930 fertigten die Schönwälder Stickerinnen 17.000 Stickereien in einem Gesamtwert von 260.000 Mark. Somit verwandelte sich die Stickerei von einer ursprünglichen Nebeneinkunft zu einem begehrten Verkaufsobjekt und zu einer wichtigen Einnahmequelle.
Unter den gezeigten Exponaten ist besonders ein besticktes Ehrentuch hervorzuheben. Zum sechzigsten Geburtstag von Frieda Kaisig, der Leiterin der Schönwälder Stickstube, wollten die Schönwälder Stickerinnen ihr ein besonderes Geschenk überreichen und fertigten das Ehrentuch als Dank für die 25-jährige Tätigkeit in der Stickstube an.
Eine weitere Besonderheit ist der Schönwälder Dialekt. In seiner Hochphase wurde er von rund 5.000 Menschen gesprochen. Die Entwicklung fand unabhängig von den umliegenden Ortschaften statt. Auf diese Weise entstand eine Sprachinsel, während im Umland Hochdeutsch, Oberschlesisch oder Polnisch gesprochen wurde.
Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Museum in Gleiwitz entstanden. Seltene Objekte dieser besonderen Gattung der Schönwälder Stickereien sind dafür zusammengetragen worden. Weitere Leihgaben stammen aus dem Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott.
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Info:
18. Mai – 14. September 2014
Schönwald – ein stickendes Dorf aus der Vergangenheit
Oberschlesisches Landesmuseum
Bahnhofstrasse 62
40883 Ratingen
Öffnungszeiten:
Di – So: 11 – 17 Uhr
Infos und Fotos vom Museum zur Verfügung gestellt – herzlichen Dank!
halli hallo,
freut mich sehr zu lesen, dass euch die stickereien gefallen und vielleicht auch anregen. gerade wenn man sich nicht die originale ansehen kann, ist es doch information und inspiration zugleich.
beste grüsse
gudrun
Hallo,
wie schön diese Stickarbeiten. Danke für Deine Bilder, da ich leider dort nicht hinfahren werde, es ist mir einfach zu weit.
Lieben Gruß maryann
Hallo Gudrun,
Danke für die Bilder! Vor allem das Ehrentuch finde ich sehr interessant. Ich entdecke Blüten, dir ich, botanisch gesehen, nicht klassifizieren kann. Gefällt mir!
Liebe Grüße Annette.
halli hallo,
vielen dank!
ja, diese stickereien haben mir auch gefallen und ich denke, sie sind auch sehr gute inspirationen für zeitgemässe arbeiten.
für alle, die ratingen besuchen:
es gibt dort zur zeit noch eine weitere interessante ausstellung, der ebenfalls noch einer meiner berichte gewidmet sein wird: in der textilfabrik comford werden unter dem titel ‘Chapeau!’ 150 Jahre Hutgeschichte(n) präsentiert – hier mal schon der link:
http://www.industriemuseum.lvr.de/de/ratingen/ratingen_1.html
demnächst mehr!
beste grüsse
gudrun
Traumhaft schöne Arbeiten. Was eine Handarbeitsleistung!
Danke fürs Präsentieren, liebe Gudrun,
Gruss,
Jutta
Hallo,
ich habe Jahrzehnte in Ratingen gewohnt und kenne dieses Museum nicht. Schande über mich.
Die Exponate scheinen sehr interessant zu sein.
Der Besuch in Ratingen steht nächste Woche auf meiner to-do-Liste.
LG
Silvia
Danke fürs zeigen. Das sind ja wunderschöne Arbeiten.
LG.Anka