Kreative Artikel zum Thema Quilten

Kirschblüte & Edelweiss

Ausstellungsplakat

Ausstellungsplakat

Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und der Schweiz zeigt das Textilmuseum St. Gallen derzeit die Ausstellung ‘Kirschblüte & Edelweiss. Der Import des Exotischen’. Im Blickpunkt stehen die vielschichtigen Beziehungen zwischen der Schweizer Textilindustrie und Ostasien, nämlich China und Japan. Neben der umfangreichen, bisher nur selten gezeigten Sammlung faszinierend fremd anmutender asiatischer Textilien, überrascht die Schau mit wenig Bekanntem zur Schweizer Textilindustrie.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

China, Japan und die Schweiz, drei Regionen mit langen textilen Traditionen, treten in ‘Kirschblüte & Edelweiss’ in einen Dialog. Wie reagieren die Schweizer Textilentwerfer auf die opulenten Gewebe und Stickereien aus dem fernen Osten, die seit 1870 im Westen Furore machen?

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Der Präsentation der handgestickten und gewebten Textilien Asiens aus der Kollektion des Textilmuseums St. Gallen wird zunächst die Schweizer Maschinenstickerei um 1900 gegenüber gestellt. Es folgen der japanische katagami-Druck sowie der Glarner Rotdruck als schweizerisches Pendant. Welchen Einfluss die Impulse aus Asien ab 1900 auf das Schweizer Textildesign bis heute haben, wird ebenfalls dargestellt.

Schweizer Stickerei 'à l’Asie', Ende 19. Jh. Foto: Linus Rieser

Schweizer Stickerei ‘à l’Asie’, Ende 19. Jh.
Foto: Linus Rieser

Das Textilmuseum St. Gallen verdankt seine umfangreiche Asiatika-Sammlung dem Asienfieber, dem der Westen spätestens seit der Wiener Weltausstellung 1873, an der erstmals auch Japan teilnimmt, erliegt.

Fukusa (Präsenttuch), Japan, 19. Jh. Sammlung Textilmuseum St. Gallen Foto: Linus Rieser, 2013

Fukusa (Präsenttuch), Japan, 19. Jh.
Sammlung Textilmuseum St. Gallen
Foto: Linus Rieser, 2013

Mode und Raumausstattung verlangen nach Stickereien und Gewebe im Stile Asiens, die die Schweizer Textilindustrie prompt liefert. In kurzer Zeit legen Textilproduzenten Ende des 19. Jahrhunderts Sammlungen asiatischer Textilmuster, Holzschnitte und Entwurfszeichnungen an, die ihre eigenen Entwerfer zu Dessins à l’Asie inspirieren.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Eine Auswahl japanischer und chinesischer Stickereien und Gewebe aus diesen Sammlungen bildet den Auftakt der Ausstellung. Neben zahlreichen Musterstücken, Wandbehängen und Kleidungsfragmenten wie Ärmelbändern sind buddhistische Textilien wie Priestermäntel und Altardecken zu sehen.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Als ‘in Vergessenheit geratenen Schatz’ bezeichnet Michèle Grieder die Exponate. Die Zürcher Kunsthistorikerin, spezialisiert auf ostasiatische Textilien, beschäftigte sich im Vorfeld der Ausstellung ein Jahr lang mit den Objekten, die 100 Jahre im Depot des Museums ruhten. Als Vorlagen- und Mustersammlung weist die Sammlung einen ganz eigenen Charakter auf – ‘voller Überraschungen’, hält Grieder fest.

Chinesischer Rock um 1860 Foto: Linus Rieser

Chinesischer Rock um 1860
Foto: Linus Rieser

Die Textildesignerin Annina Weber spricht von einem ‘Wow’-Effekt, den diese exotischen Stücke bei den Entwerfern am Ende des 19. Jahrhunderts ausgelöst haben müssen. Der Schwung und die Farbigkeit der Darstellung sowie der für Europäer ungewohnte Blick auf die Natur führen zu einem nachhaltigen Wandel im Schweizer Textildesign.

Wandbild (Stickerei) eines den Mond anbetenden Marderhundes, 1892 Foto: Linus Rieser

Wandbild (Stickerei) eines den Mond anbetenden Marderhundes, 1892
Foto: Linus Rieser

Geschickte Entwerfer adaptieren die japanischen und chinesischen Motive für die maschinelle Produktion. Schweizer Weber und Sticker beliefern den Weltmarkt mit ‘Asiatischem’. Auch an ‘urtypisch’ Schweizerischem wie dem Edelweiss geht der asiatische Impuls nicht spurlos vorüber: Neben den neuen Motiven zieht auch ein neuer Schwung in die Darstellung altbekannter Formen ein, der sich bis heute in Schweizer Textilien nachweisen lässt.

Darstellung einer Berglandschaft auf Seide, 1900-10 Foto: Linus Rieser

Darstellung einer Berglandschaft auf Seide, 1900 -10
Foto: Linus Rieser

Einen eigenen Raum widmet ‘Kirschblüte & Edelweiss’ den katagami-Druckschablonen. Sie dienen der Herstellung hochwertiger Seiden- und Baumwolldruckstoffe, sogenannter katazome. Es handelt sich also um japanische Textildruckwerkzeuge, vergleichbar den Holzmodeln, die für den Glarner Druck verwendet wurden. In Europa sind diese filigranen Gebilde aus Maulbeerbaumrinde und Seide um 1900 jedoch wegen ihrer aussergewöhnlichen ästhetischen Qualität als Kunstwerke begehrt. Japanische Händler verkauften Tausende davon an europäische Sammler.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Das Textilmuseum St. Gallen besitzt mit über 500 Exemplaren die grösste katagami-Sammlung in der Schweiz, die zum ersten Mal auszugsweise öffentlich zu sehen ist. Ergänzt wird die Präsentation von 100 Schablonen durch katazome-Kimonos und Holzschnitten, die Kimono-Entwürfe zeigen.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

‘Made in Switzerland’ und Textilien stehen vor allem in Japan, zunehmend aber auch in China für westlichen, also exotischen Luxus. Gediegen und elegant – damit verbinden diese Kunden das Schweizer Textildesign. Ein Klischee, das die Schweizer Textilproduzenten seit mehr als 50 Jahren mit speziellen ‘Japankollektionen’ gerne bedienen. So entsteht ein eigenwilliger Stil mit feinen Blümchen, kleinen Punkten und gedeckten Farben, der seine Essenz weitgehend aus dem westlichen Modegeschmack des 20. Jahrhunderts zieht. Die hierzulande kaum bekannten Textilien bedienen die Vorstellungen und Wünsche der asiatischen Kundschaft, der das Bild einer lieblich-romantischen Schweiz vermittelt wird.

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Bernhard Duss und Marcel Glanzmann – das Luzerner Szenographen-Team – sahen sich vor der schwierigen Aufgabe, die Verkreuzungen zwischen Ostasien und Schweiz visuell wiederzugeben. Ein Horizont in Dégradé-Schattierungen von rot, blau und gelb bildet das durchgehende szenographische Element. ‘Er steht als Verbindung zwischen dem Abendland und dem Land der aufgehenden Sonne und nimmt so Bezug auf die wechselseitigen Sehnsüchte nach dem jeweils Anderen, den Blick über den Horizont hinaus hin zum Exotischen’, erläutern die Szenographen ihr Konzept. ‘So durchschreitet der Besucher von Raum zu Raum verschiedene Landschaften, die mit ihren Schätzen von sich erzählen und uns von der Ferne träumen lassen.’

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

‘Warum in St. Gallen?’ Diese Frage hörte Michaela Reichel, Leiterin des Ausstellungsteams, im Vorfeld der Ausstellung häufig. Für sie ist die Antwort eindeutig: Die Ostschweizer Textilindustrie nahm eine Vorreiterrolle ein, als es im 19. Jahrhundert darum ging, Kontakte zu China und Japan zu knüpfen. Bereits 1858/59 – Jahre, bevor die offiziellen Beziehungen zwischen der Schweiz und Japan aufgenommen wurden – schickte das Kaufmännische Directorium St. Gallen gemeinsam mit der Uhrenindustrie Neuenburg einen Abgesandten, Rudolf Lindau, nach China und Japan, um das Potential der dortigen Märkte zu sondieren. Die Zürcher Seidenhändler interessierten sich hingegen wegen des Rohstoffes Seide frühzeitig für die Region. ‘Ausserdem war der Einfluss auf die Textilentwerfer gewaltig’, meint sie. ‘Wo also eine Ausstellung über die Wechselwirkungen zwischen Ostasien und der Schweiz, wenn nicht im Textilmuseum St. Gallen?’

Ausstellungsansicht 'Kirschblüte & Edelweiss' Foto: Urs Bigler 2014

Ausstellungsansicht ‘Kirschblüte & Edelweiss’
Foto: Urs Bigler 2014

Ein internationales Wissenschaftlerteam um Hans Bjarne Thomsen, Professor für Kunstgeschichte Ostasiens an der Universität Zürich, beschäftigte sich eingehend mit der Asiatika-Sammlung des Textilmuseums. Ihre Forschungsarbeiten über Musterbücher, katagami und Entwurfszeichnungen finden sich gemeinsam mit Beiträgen zur Geschichte im Begleitband zur Ausstellung.

Rauminstallation der Hochschule Luzern Design & Kunst Foto Urs Bigler 2014

Rauminstallation der Hochschule Luzern Design & Kunst
Foto: Urs Bigler 2014

Darüberhinaus stellt ein Projekt der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Textilmuseum St. Gallen die katagami-Schablonen in ein Spannungsfeld zwischen Textil und Architektur und regt zur Auseinandersetzung mit Fragen der Oberflächengestaltung an.

Rauminstallation der Hochschule Luzern Design & Kunst Foto Urs Bigler 2014

Rauminstallation der Hochschule Luzern Design & Kunst
Foto: Urs Bigler 2014

Die an japanische shoji erinnernde Wand wurde an der Hochschule Luzern als Rauminstallation konzipiert und mit der Unterstützung von FällanderGlas AG umgesetzt. Die mehrschichtige, hintereinander gestaffelte Konstruktion prägt als Lichtobjekt die Lounge und steht in engem Bezug zu den Inhalten der Ausstellung ‘Kirschblüte & Edelweiss. Der Import des Exotischen’.

Ein Begleitband zur Ausstellung ist erhältlich.

***

Info:

23. März – 30. Dezember 2014

Kirschblüte & Edelweiss. Der Import des Exotischen

Sonderausstellung im Textilmuseum St. Gallen
Vadianstrasse 2
9000 St. Gallen (CH)

www.textilmuseum.ch

Öffnungszeiten:
täglich 10 – 17 Uhr

Extra-Öffnung und Gruppenbesuche auf Anfrage

Infos und Fotos vom Museum zur Verfügung gestellt – herzlichen Dank!

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Kommentare zu diesem Artikel

4 Antworten

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  • Gudrun Heinz BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    halli hallo,

    vielen dank für eure freundlichen rückmeldungen, auch für diejenigen, die in meinem e-mail-account angekommen sind.

    liebe annette, näher als st. gallen kann ich dir fast nicht bieten!!! endlich wohnst du doch mal nicht am anderen ende der republik, oder? 🙂

    im ernst, ich habe neulich meinen mann, der einen geschäftlichen termin am bodensee wahrzunehmen hatte, begleitet und mir währenddessen die tolle ausstellung über das konstanzer konzil angesehen, die dieser tage zu ende sein muss. nebenbei gesagt, wäre auch eine empfehlung gewesen. aber ich bedauere es nun, dass ich nicht noch st. gallen angesteuert habe – das textilmuseum legt doch sehr viel wert auf sehr gute und sehr gut gemachte ausstellungen. und bietet ausserdem ein interessantes rahmenprogramm an (siehe museums-website oben im artikel). aber was nicht ist, kann ja bis zum jahresende noch werden!

    beste grüsse
    gudrun

    • Annette BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

      Hallo Gudrun,
      nicht am anderen Ende der Republik, aber am falschen Seeufer 🙂 Konstanz wäre auch geschickt gewesen. Bad Saulgau oder auch Ulm würde ich noch lieber nehmen 🙂
      Nein, die Überlegung, mir den Marderhund live anzusehen, hatte ich bereits. Die Ausstellung läuft ja noch eine Weile, Fränkli habe ich auch noch. Aber ich warte, bis die Touris alle wieder zu Hause sind, weil ich ohne Vignetten und riesige Staus dort hin fahren möchte. Zudem “fürchte” ich den Museumsshop ein wenig, habe die museums-website sehr wohl studiert 🙂
      Liebe Grüße Annette.

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