Noch bis zum 25. Oktober 2014 erlebt die Burg Kronberg die textile Verwandlung „BurgARTextil”. Dahinter steht die Idee einer Kunstrichtung, der „Land ART“: Kunst zu schaffen, die nicht auf dem Kunstmarkt zu Höchstpreisen gehandelt werden kann, sondern um ihrer selbst willen entsteht und vergeht.
Die Mitglieder der Gruppe Glashaus liessen sich davon inspirieren und …
… setzten verschiedene textile Projekte in die Tat um. Zunächst der „Brunnen“ von Anne Christ:
Über 10 000 blaue, grüne und silberne Bänder wurden gerissen und kunstvoll in Maschendraht geknüpft – eine nicht nur planerische, sondern auch handwerkliche Schwerstarbeit mit weithin sichtbarem Ergebnis.
Annes zweites Objekt ist eine 17 m lange Leiter mit einer Sprossenbreite von fast einem Meter. Der Freiturm ist 56 m hoch – die Leiter a) dort zu platzieren, b) so zu befestigen, dass sie c) nicht hin und her schwingt oder d) am Ende gar abstürzt – das war die grösste Herausforderung.
Streckenweise jagten Windböen die Leiter und brachten sie abenteuerlich in Schwingungen.
Gloria Pemler-Starck widmete sich den Krabbeltieren: Ameisen und Spinnen marschieren über die Burgmauern oder blockieren die Öffnung im Fünfeckturm.
Nichts für Besucher mit Bedenken oder gar Arachnophobie! Was schade ist, denn ausser ihrem furchterregenden Äusseren sind sie absolut weich und flauschig.
Heike Lunkwitz verwirklichte gleich drei Objekte: Die Realisierung der „Weißen Frau“ erforderte einen stabilen Korpus, ein Drahtunterkleid, viele Meter zarten Stoff und noch mehr Stunden Näharbeit.
Eigentlich viel zu schön und zu schade, um sie an ihrem Platz im Wipfel der grossen Rubinie Wind und Wetter auszusetzen, denn besonders das spitzenbesetzte Rockteil ist eher für einen Ballsaal geschaffen.
Aber nun schwebt sie und hat zum Trost einen Traumblick auf die City von Frankfurt.
Im Prinzengarten stehen drei grazile Windsäcke. Auf 3 m hohe Eisenstangen montiert drehen sie sich nicht nur im Wind, sondern lassen auch ein Glockenspiel erklingen.
Vegetabiles aus Filz macht den zarten Pflanzen, Gräsern und Farnen in den Ritzen der Burgmauer Konkurrenz.
Monika von Hördes riesige farbige Speere sagen: „Halt, bis hierher und nicht weiter!“
Die Konstruktion hat einige Mühen bereitet, nicht alleine der Transport (wie bekommt man 4 m lange Stangen in ein normales Auto?), auch die Befestigung in der schmalen Öffnung der Schiessscharte erforderte mathematisches Verständnis.
Die goldenen Spindeln scheinen einem Märchen entsprungen zu sein und passen genau zu der Atmosphäre der Burg. Der Blick wandert von der Aussenmauer der Oberburg zu den Bankentürmen Frankfurts, wo das Streben nach Reichtum und Gold regiert. Das Spinnen von Gold ist unmöglich, aber auch das Herstellen von Goldspindeln mit einer stattlichen Grösse ist nicht märchenhaft einfach. Anstelle eines Rumpelstilzchens war ein hilfreicher Ehemann mit Rat und Tat zur Stelle.
Hier schwingen die glänzenden Spindeln im Spiel mit dem Wind über der Burgmauer.
Zwischen Burgtor und Torhaus führen Stufen nach oben. Bärbel Grünewald liess sich von Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ inspirieren: Wie das Leben in einzelnen Schritten bzw. Stufen verläuft …
… so spiegeln die Farben der langen Stoffbänder den Beginn des Lebens und die Jugend mit zarten Grüntönen über den Aufbruch in kräftigem Rot weiter zum Herbst und der Weisheit des Alters.
Der Eibenhain ist einer der grössten zusammenhängenden Eibenbestände in Deutschland. Dunkel und ein bisschen verwahrlost durch unzählige dürre Äste hat er zu jeder Tageszeit eine andere Ausstrahlung. Gemeinsam hat die Gruppe aus 30 Meter weissem Polyester von 1,40 m Breite Streifen gerissen, und zwar nicht quer sondern der Länge nach, was also Streifen von ca. 12 cm Breite und 30 m Länge ergab.
Nach den ersten, nicht ganz so erfolgreichen Webversuchen mit den Streifen, klappte es dank männlicher Unterstützung aber doch. Das Spinnengeflecht mit 3 m Innendurchmesser wurde zuerst im Garten konzipiert und dann in den Eibenhain umgesiedelt.
Die Burg, fest auf Felsen gegründet, steht an vielen Tagen im Jahr Kopf: Barocknacht, Ostermarkt, Mittelalterfest, Weihnachtsmarkt und vieles mehr.
Die Ideengeberin des ganzen Projekts, Jutta Briehn, hat die markanten Bauten der Burg wie Prinzenturm, Torhaus, Bergfried, Freiturm und Kronenstammhaus fotografiert, vergrössert, genäht und über passend zugeschnittene Bretter gezogen. Jetzt schwebt die Burg kopfüber als übergrosses Mobile zwischen den Koniferen der Oberburg.
„BurgARtextil“ war seit der Installation auf der Burg Mitte August Sonne, Wind und Regen ausgesetzt. Die verschiedenen Stadien der Verwandlung wurden fotografisch festgehalten und danach ist die Kunst, die um ihrer selbst Willen entstand … Vergangenheit.
Noch bis zum 25. Oktober 2014 ist Gelegenheit, sich das faszinierende Projekt in natura anzusehen.
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Info:
Noch bis 25. Oktober 2014
BurgARTextil
Burg Kronberg
Schlossstrasse 10 – 12
61476 Kronberg im Taunus
Öffnungszeiten:
Mi, Do, Fr, Sa: 13 – 17 Uhr
Sonn- und Feiertags: 11 – 18 Uhr
www.burgkronberg.de
www.artquiltgruppeglashaus.de
Informationen und Fotos von der ArtQuiltGruppe Glashaus zur Verfügung gestellt – vielen Dank!
Hallo Gudrun, hallo Jutta,
Dankeschön für die eindrucksvollen Bilder und die sehr interessante Beschreibung der Entstehungsgeschichte der Ausstellungsstücke!
Schade, dass die Ameisen nun die Burg verlassen. Ich hätte zu gerne gesehen, ob sie den Winter überleben…
Liebe Grüße Annette.
hallo annette,
wie wärs mit einem winterschlaf für die ameisen? vielleicht vergisst ‘glashaus’ ja ein stück stoff zum zudecken 🙂
beste grüsse
gudrun
gern geschehen, liebe jutta. ohne eure aktion und deine lieferung von fotos und infos wäre ein solcher beitrag ja schlicht unmöglich!
noch viele besucher an diesem vermutlich letzten sommerlichen wochenende und ein schönes ende des gelungenen projekts wünscht euch
gudrun
Super, liebe Gudrun, für den schönen BurgARTextil-Bericht –
– ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Am Sonntag, dem 26. Oktober findet im Rahmen des Herbstfrüchtefestes auf der Burg Kronberg eine letzte Abschlußführung durch BurgARtextil statt mit anschließendem kleinen Sektempfang, Treffpunkt 16.30 auf der Bühne im Burggelände – letzte Möglichkeit, die Objekte zu sehen, denn:
DIE AMEISEN VERLASSEN DIE BURG…