Ausstellungseröffnung am 4. März 2016
Das gelingt selbst der „hohen Politik“ leider oft genug nicht: Das Interesse an der Kunst im Allgemeinen und die Liebe zur Stickerei im Besonderen vereinen sowohl treueste Kirchgänger als auch überzeugte Agnostiker und alles, was dazwischen liegt, unter einem Dach. So geschehen am letzten Freitagabend in Köln, als sich eine nicht allzu große, aber dafür überaus interessierte Schar von Gästen einfand, um an einer Ausstellungseröffnung der besonderen Art teilzunehmen. Besonders deshalb, weil man Kreuzwege sonst meist nur in gemalter Form kennt. Aber neben der bekannten Darstellung des Kreuzwegs in der Malerei hat es zum Beispiel vor einigen Jahren in Köln auch eine pantomimische Interpretation von keinem Geringeren als dem Altmeister der Pantomime, Milan Sladek, gegeben. Und diese bemerkenswerte Aufführung war es, die mich damals begeistert, nachhaltig beeindruckt und schließlich mit ihrer minimalistischen Formensprache dazu bewogen hat, einmal einen Kreuzweg zu sticken.
Während meiner Ausbildung an der Royal School of Needlework in London habe ich u. a. auch die traditionelle Schwarzstickerei erlernt, viele kleine Muster, deren für mich zu engen Rahmen ich aber bald sprengen wollte. So war der Weg zur grafischen Schwarzstickerei nicht weit, die mich seitdem nicht mehr los lässt. Als mich dann Herr Thomas Schmitt im vorigen Jahr einlud, für eine Ausstellung in seinem Haus neben zwei Stolen einen Kreuzweg zu gestalten, war es seine einzige Vorgabe, so zu sticken. Und das ist dabei herausgekommen: 14 Tafeln, 21 cm breit und 30 cm hoch, altes ungarisches, handgewebtes Leinen, in Aquarelltechnik handgefärbt und in grafischer Schwarzstickerei bestickt.
Für die Laudatio konnte ich Brigitte Tendahl gewinnen, eine mir seit langem gut bekannte Goldschmiedemeisterin, die in Köln am Neumarkt eine Schmuckgalerie leitet. Uns verbindet eine Seelenverwandtschaft im Schaffensprozess, das immer weiter gehen, nie zufrieden geben und Grenzen nie akzeptieren, sondern immer weiter verschieben zu wollen. Sie gab einen kurzen, aber sehr fundierten Abriss über den Werdegang des Kreuzwegs seit der Antike bis in die Neuzeit und seine Interpretation sowohl in der darstellenden Kunst als auch in der Musik. Im Weiteren sprach sie die Parallelen zur aktuellen Situation, vor allem der allgegenwärtigen Flüchtlingssituation, an.
Im Dialog mit ihr war es mir möglich, auf Besonderheiten des Materials und deren Einbeziehung in die Gestaltung einzugehen. Die Art der Stickerei und die damit verbundene Abstraktion der Stickerei erklärte ich mit dem unbedingten Wunsch, jedem einzelnen Besucher die größtmögliche Chance der Interpretation einzuräumen. Das ist mir bei einem solch subtilen Thema außerordentlich wichtig.
Ein weiteres Augenmerk lag auf der Erläuterung der gewählten Formensprache. Sie hat sich in den letzten Jahrhunderten sehr verändert. Die Bedeutung eines Symbols, z. B. einer Fliege oder eines überreifen Stückes Obst mit braunen Flecken, das ist heutzutage nur noch Kunsthistorikern oder anderen Spezialisten geläufig und absolut nicht mehr zeitgemäß. Da war eine aktuelle Formensprache gefragt, etwa dass zum Beispiel auf zwei Tafeln die Füße von Jesus nicht dargestellt sind. Damit wird seine Ohnmacht verdeutlicht, der Situation zu entfliehen, sich ihr noch durch einfaches Fortgehen zu entziehen.
Ebenfalls zur Sprache kam der aktuelle Bezug der gezeigten Arbeiten, der Bezug zur Flüchtlingssituation. Zwei der Tafeln, auf denen Jesus Hilfe zu Teil wird, sind im wortwörtlichen Sinne „herausragend“ gehängt. Die ihm geleistete Hilfe wird so ins Blickfeld gerückt, so wie die heute vielfältig geleistete Hilfe, die in der Regel allerdings meist namenlos angeboten wird und es mehr als verdient hat, einmal ins Blickfeld gerückt zu werden. Im dargestellten Kreuzweg wird die Hilfe personifiziert, sie erhält ein Gesicht wie zum Beispiel im Falle der Veronika, deren Abbildung als einzige Gestalt in den Arbeiten ein Gesicht hat.
Und es war mir eine Freude, eine Reihe von weiteren Details nicht nur im Rahmen der Laudatio, sondern vor allem auch im Anschluss daran in persönlichen Gesprächen erläutern und den interessierten Besuchern näher bringen zu können. Zu solchen Gesprächen stehe ich für die restliche Dauer der Ausstellung bis einschließlich 24. März auf Anfrage ebenfalls gerne zur Verfügung.
Paramenten Schmitt findet man in Köln, Auf dem Berlich 33 (Nähe Karstadt), 10 Min. zu Fuß vom Hauptbahnhof. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr und Samstag von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Fotos und weitere Erläuterungen sind auf der des Veranstalters www.schmittparamente.de und auf meiner Website www.die.drei-textil.de zu finden.
Und dann ist da noch Gundi, der kleine Hund von Herrn Schmitt, in den ich mich bereits beim ersten Zusammentreffen verliebt habe… Aber das ist eine andere Geschichte, die es wie immer in meinen Arbeiten zu entdecken und zu lesen gilt.
Bis dahin wie immer freundliche Grüße aus Köln, herzlichst Ulla Hoppe.
halli hallo ulla,
nachdem wir in vorbereitung der ausstellungstipps für den märz schon eingehender miteinander korrespondiert hatten, freue ich mich nun besonders darüber, dass sie ihre ausstellung hier näher vorstellen.
ein kreuzweg in gestickter form – ungewöhnllch, aber, nicht nur in die vorösterliche zeit passend, sondern vor allem im kontext mit den aktuellen geschehnissen, der flüchtlingsproblematik.
besonders interessant finde ich ihre ausführungen zur ikonographie, also den symbolen und ihrer deutung in kunstwerken (die in der christlichen kunst eine reiche tradition hat), hier einmal aus der sicht derjenigen, die sie sich ausgedacht hat. man kann damit beim unbefangenen betrachter regelrechte aha-erlebnisse auslösen, wenn sein blick auf solche besonderheiten gelenkt wird.
beste grüsse
gudrun
Liebe Ulla,
sehr aussergewöhnliche Arbeiten zeigst du in Köln. Gerade die Schlichtheit macht die einzelnen Kreuzwegstationen so eindringlich.
Köln macht vieles möglich, wie gut, hast du dort einen solch schönen Ort für die Präsentation deiner Stickarbeiten gefunden.
Liebe Grüße,
Jutta