Kreative Artikel zum Thema Quilten

Wild at Heart

Hier ist die Valentinstag-Alternative für alle, denen die quadratischen “Herzen 1 à la Ursula” nicht wild genug sind. Allerdings besteht dieser Miniquilt im Gegensatz zu den vorigen nicht aus Quadraten … aber das bleiben Pias Quadrate ja auch nicht lange.

quilt_fertig_2.jpg

Zu einem freien Quilt lässt sich natürlich keine genaue Anleitung schreiben, da ist das Ergebnis zu sehr abhängig von den individuellen Stoffen und Farben. Schon jede kleine Verschiebung in Farbe, Gewichtung und Platzierung kann sich sehr nachhaltig auf den weiteren Designpfad auswirken.

Ich kann Ihnen aber etwas über die Entstehung des Miniquilts erzählen und anhand dieses Prozesses ein paar Designentscheidungen erläutern.

Los geht’s!

Zunächst die Frage: Wie lässt sich ein Herz mit wenigen durchgehenden Linien beschreiben, diesmal ohne es aus klassischen Quiltelementen wie Quadrat oder Dreieck abzuleiten? Antwort: indem man 4 windschiefe Bahnen miteinander kreuzt. Das Bild zeigt, wie daraus ein Herz entsteht.

skizze_herz_0.png

Dieses Herz wollte ich rot, wie sich das für den Valentinstag gehört, aber diesmal nicht in Unis, sondern wild gemustert, und damit das wilde Herz gut zur Geltung kommt, sollte der Hintergrund neutral und ruhig sein.

Also habe ich ein paar rot gemusterte Reste in unregelmäßig breite und schiefe Streifen geschnitten, aneinander gereiht, genauso schief und unterschiedlich breit wieder zerschnitten und alles neu zusammengesetzt.

patchworkstoff.jpg

Aus diesem Patchwork habe ich mir das Herz ausgeschnitten und mit einem Stückchen des Hintergrundstoffes ergänzt. Beim Zuschneiden fiel mir allerdings auf, dass das mit der Skizze keine so gute Idee war. Zumindest nicht, wenn man die Teile nicht geplant zuschneidet. Also blieb die Grundform mit ihren Teilen bestehen, aber die Technik des Zusammensetzens entsprach mehr einer Mischung aus Log Cabin und Schablone mit Anleihen an Paper Piecing – also ziemlich frei über ein Thema fantasiert. Immerhin kam ein Herz heraus, das Herz des Miniquilts im doppelten Sinne:

herz-block.jpg

Danach ging es ganz ordentlich in Blockhaustechnik weiter.

Das Herz ist recht dunkel geraten, meine roten Müsterchen haben halt alle einen hohen Schwarzanteil. Herz und Hintergrund zusammen wirkten dementsprechend trist. Da musste etwas geschehen. Eigentlich hätte es mich nach einem graustichigeren Sandton verlangt, weil weniger Farbanteil manchmal nicht nur ruhiger, sondern auch frischer wirkt … aber erst mal haben ein Gewehr! Nun kann man zum nächsten Stoffladen pilgern, aber selbst wenn sich ein Problem mittels eines neuen Stöffchens lösen lässt, wartet das nächste meistens schon um die Ecke. Und dann? Daher ziehe ich es vor, zumindest bis zu einem gewissen Punkt, eine solche Einschränkung als gestalterische Herausforderung zu betrachten. Also blieb es bei diesem Beige, und wenn ich mehr Leben wollte, musste das über weitere Farben geschehen.

Lila und hellgelb kommen untergeordnet im Herz vor, vor allem sind sie aber geeignet, das grüngelbliche Beige aufzufrischen, das Gelb quasi als reinere Form des Beige, das Lila als sein Komplementär. Weil es Vielen naheliegend scheinen mag: Rot wäre an dieser Stelle nichts gewesen, da es die rote Zeichnung im Herz erschlagen hätte.

herz_block_raender.jpg

Der ganze Block in beige war aber immer noch sterbenslangweilig. Also musste ein Hingucker her. Hier war es dann am Platz, Rot einzubringen, in gebührendem Abstand vom Herz und in Streifen aufgebrochen, damit die Fläche nicht dominiert und vor allem nicht als Fortsetzung des Herzes wahrgenommen wird.

block_rote_streifen.jpg

Aber Sie sehen: ein neues Element bringt ein neues Ungleichgewicht. Ganz schön knifflig, Spannung zu erzeugen und gleichzeitig die Balance zu halten!

Also habe ich nach und nach weitere Streifen eingefügt. Dabei habe ich bestehende Achsen aufgenommen und die Abstände zum Herz sowie die Flächengrößen variiert. Was mehr im Hintergrund verschwindet wie die türkis-grünen Streifen, darf mehr Fläche haben als etwas, das sich ohnehin stärker in den Vordergrund drängt, wie die weiß-grüne Fläche. Der orange-beige Streifen wiederum korrespondiert mit den roten Blöcken und muss daher selbst etwas mehr Gewicht mitbringen.

block_fertig.jpg

So gefiel mir das Bild schon ziemlich gut. Bis darauf, dass ich mal wieder bis zum Rand, also bis in die Nahtzugabe hinein, komponiert habe – ich mache das leider ständig. Wenn man diese Abzüge berücksichtigt, fehlt plötzlich wieder was … grrh. Aber es gibt für alles eine Lösung: ich beschloss, dem Ding einen Rahmen zu geben und in die Einfassung noch ein paar “Farbkleckse” einzubinden.

Frisch gerahmt ging es ans Quilten. Das Quiltmuster kann sich nach dem Patchwork richten oder eine unabhängige Schicht darüberlegen. Ich habe einen kurzen Versuch mit Mäandern gemacht, aber gefallen wollten sie mir hier nicht. Stattdessen habe ich die Streifen ins Steppmuster einbezogen, und ich finde, so ist es eine gelungene Verbindung von Patchwork und Quilt.

gequiltet.jpg

Bis zum Schluss störte mich, dass über dem Herzen quasi ein Loch klaffte. Weder “tat sich” dort etwas noch wirkte es durch die ganzen zusammenlaufenden Teilungsnähte wie eine gewollte Ruhefläche. Einfach ein Loch. Das änderte sich erst damit, dass es auf der rechten oberen Hälfte der Einfassung keine Einsprengsel gibt. Dadurch verschieben sich die Blickachsen und das “Loch” wird Teil eines größeren Gesamten.

quilt_fertig_0.jpg

Die Rückseite ist nicht gepatcht. Aber ich habe diesmal das Herz auch hinten rot gesteppt, es gibt also keine Probleme mit durchblitzendem Ober- und Unterfaden. Und da das Vlies etwas dicker ist als bei den ersten Herz-Miniquilts, gibt es auch keine unziemlichen Knubbel. Der Quilt fühlt sich insgesamt sehr angenehm an.

quilt_ruckseite.jpg

Noch eine Randbemerkung zum Schluss: Was sich jetzt alles so rational und klar anhört, ist in Wirklichkeit ein spielerischer und bisweilen recht anstrengender Findungsprozess. Probieren geht über Studieren, auch wenn man die gestalterischen Zusammenhänge kennt.

Ich erzähle lieber nicht, dass das untere rote Einsprengsel in der Einfassung das Ergebnis des dritten Versuchs war. Wenn Sie also lesen, dass Quilterinnen eine Hassliebe zu ihrem Nahttrenner entwickeln – daher kommt sie!

Trotzdem macht Quilten süchtig … kennen Sie das auch?

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