Für Tatjana Lasarjewa bleiben die bewegendsten Momente eines Festivals immer in Erinnerung, diesmal die Engländerinnen, die als Super-Profis, vielseitig und an allen künstlerischen Trends interessiert, an der Fashion Show teilnahmen. „Da kam eine in einer Weste im Stil von Kandinsky, eine andere in Patchwork-Kleidung – nach einem Gemälde von Wichmann und Mondrian. Als ich die Schöpferin dieser Arbeit darauf ansprach, errötete sie vor Freude, dass ich das erkannt hatte.“
Auch Tatjana bewundert die Art der Engländerinnen auf dem Laufsteg: „Und wie unnachahmlich ihr Auftritt auf der Bühne war: diese Kunst, die ausgedachte Figur zu verkörpern, dieses Selbstbewusstsein und diese lockere Art!“ Aber auch sie hatte eine Überraschung bereit: „Ich bin mit meiner Kollektion „Textile Welt“ als letzte auf die Bühne gegangen. Sie war in den Farben der russischen Trikolore und der Flagge Grossbritanniens gehalten. Ich erinnere mich noch gut an die Begeisterung des Publikums, als ich meine Tasche gezeigt habe: Auf einer Seite war die russische Flagge und auf der anderen Seite – die englische.“
Über die Entwicklung des Patchworks meint sie: „Ich beschäftige mich schon sehr lange mit Patchwork und reise viel durch die Welt. – Wenn ich ein neues Projekt beginne, möchte ich nie den neuen Stoff zerschneiden, sondern ich neige dazu, jedes wertlose Stückchen zu verarbeiten, da ich in ihm die vergegenständlichte menschliche Arbeit sehe und ich etwas Grosses und Interessantes daraus machen kann. Aus der Not heraus? Aus einem Anflug von Fantasie? Ich weiss es nicht.“
Nach ihrer Ansicht verlieren die Patchwork-Arbeiten der Europäer leider ihr nationales Kolorit, während Japaner und Inder sich ihren individuellen Stil im Patchwork bewahrt haben. „Aber die deutschen, englischen, amerikanischen Quilts ähneln einander durch die Entwicklung der Hobby-Industrie immer mehr. Es werden die gleichen Stoffe verwendet, Technik und Motive sind dieselben. Workshops in allen Teilen der Welt werden von denselben Leuten durchgeführt“, so dass die Urwüchsigkeit verloren geht.
Tatjana meint, dass es in der Szene nach wie vor Arbeiten, die aus dem üblichen Rahmen fallen, gibt. „Und die Arbeiten der russischen Quilterinnen gehören zweifellos dazu. In Birmingham haben zwei Ausstellungen – die „Gesichter der Liebe“ aus Murmansk und die von Galina Krasnikowa – die Besucher angezogen. Nach dem Defilée kam eine Engländerin aus der Gäste-Jury zu uns: ‚Unser Tisch hat für England gestimmt, aber ich – nur für Sie. Sie sind noch jungfräulich.’ Das hat sie wirklich gesagt!“
… und so endet die englisch-russische Modenschau mit Mode ohne Grenzen 2010. Seien wir gespannt auf das Festival of Quilts in Birmingham 2011!
Fotoalbum vom Defilée auf: http://www.facebook.com/album.php?aid=201269&id=114469513421
Fotos und Übersetzung freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Wolfgang Eibisch, BERNINA
Fashion sans Frontieres 1. Teil:
https://blog.bernina.com/de/2011/05/fashion-sans-frontieres-englisch-russische-quilt-modenschau-2/
Fashion sans Frontieres 2. Teil:
Vielen Dank für den interessanten Bericht, Gudrun. Für mich persönlich waren die Quilts aus Murmansk der Höhepunkt von FoQ 2010. Ich musste einfach jeden Tag wieder hingehen, um sie auf mich wirken zu lassen…. so viele faszinierende Details, so wenig Zeit!
Bei der Modenschau gefiel mir Ferrets bodenlanger schwarzer Ledermantel mit dem Phönix auf dem Rücken am besten. Mal sehen, was es in diesem Jahr gibt.
Lorchen
Die russischen Beiträge mit dem gewissen folkloristischen Touch gefallen mir besonders gut. Außerdem die Dame mit dem Regenbogenmodell, von ihr gibt’s in der Facebook-Galerie noch einen wunderschönen Mantel. Aber der ist schon fast wieder Couture.
Couture oder Patchwork – was ist eigentlich was? Oder spielt es überhaupt eine Rolle? Da ich vom Modedesign komme, sind in meiner Wahrnehmung Sonderanfertigungen, also ausgefallene Schnittmodelle, großflächige Applikationen, sogar bedruckte oder zusammengesetzte Stoffe, fest verdrahtet als Couture. Oder, wenn die Modelle einen besonders theatralischen, exotischen, historischen Touch haben, als Kostümbildnerei. Ich tu mich schwer, bei Bekleidung das spezifisch “Quiltige” zu sehen.
Aber vielleicht kommt das auch nur daher, dass die Übergänge ganz und gar fließend sind. So gesehen, sollte ich vielleicht ein bisschen Patchwork einfließen lassen, wenn ich mir mal wieder was zum Anziehen nähe 😉 …
Auf jeden Fall eine tolle Modenschau!
Viele Grüße
Ursula
halli hallo,
… und eben eine solch tolle modenschau scheint uns in birmingham auch diesmal wieder bevorzustehen.
wie ich dem newsletter der kemshalls entnehme, zerschnitten die beiden vorhandene quilts, um sie neu in kleidungsstücken zu verarbeiten, extra für das foq. also wenn man dabei dann das “quiltige” nicht sehen kann, dann weiss ich auch nicht 🙂
lorchen, verbringst du diesen abend eigentlich auch mit uns? wäre doch super!
beste grüsse
gudrun