Was schenkt man einer lieben Freundin zum runden Geburtstag? Kommt drauf an, klar. Aber die meisten Frauen lieben Taschen, und ich experimentiere gerade mit Taschenformen – da lag es natürlich nahe, ihr eine Tasche zu nähen.
Eine einfache Form sollte es sein und Patchwork. Mir schwebte ein unregelmäßiges Muster vor, ursprünglich dachte ich an eine Mischung aus Dreiecken und frei geschnittenen Log Cabins, wie Malka Dubravsky sie macht. Aber normale diagonal halbierte Blöcke (half square triangles = HST) waren letztlich schneller zuzuschneiden und zu verarbeiten, und den Effekt der tanzenden Dreiecke mag ich auch immer sehr!
Ich zog also einige Uni-Stoffe aus dem Regal und hatte schließlich 6 Farben auf meiner Palette. Beim Überschlagen der Taschengröße kam ich pro Seite auf 5 mal 6 Blöcke. Macht 30 Blöcke aus 60 Dreiecken. 6 Farben und 60 Dreiecke, damit kommt jede Farbe gleich oft vor. Genau das wollte ich, es passte also zufällig hervorragend.
Nun wollte ich nicht nur, dass jede Farbe gleich gewichtet, sondern auch, dass jede Farbe gleich oft mit jeder anderen Farbe gepaart sein sollte. Kann man das planen? Ja, kann man. Da hilft, wie so manches Mal beim Patchwork, die Mathematik, in diesem Fall die Kombinatorik. Aber ich will Sie nicht mit Formeln langweilen, stattdessen habe ich Ihnen das Funktionsprinzip mal grafisch aufbereitet. Stellen Sie sich vor, dass Sie die Dreiecke Stapel für Stapel abarbeiten und die Blöcke in Kette aneinandernähen.
Wir teilen die benötigten 30 Blöcke pro Taschenseite in 2 Module zu je 15 Blöcken auf. Das macht jeweils 30 Dreiecke bzw. 6 Stapel à 5 Dreiecke:
Nun fangen wir beim ersten Stapel an und ordnen jedem schwarzen Dreieck ein anderes der restlichen Stapel zu. Wenn der schwarze Stapel aufgebraucht ist, haben wir 5 Quadrate und noch 5 Stapel à 4 Dreiecke übrig.
Dann machen wir dasselbe Spiel mit den blaugrünen Dreiecken. Nach diesem Schritt haben wir 9 Quadrate und 4 Stapel à 3 Dreiecke.
Nach der Runde mit den schlammgrünen Dreiecken haben wir 12 Quadrate und 3 Stapel à 2 Dreiecke.
Wir verteilen die dunkelroten Dreiecke, danach haben wir 14 Quadrate und noch ein rotes und ein blaues Dreieck übrig.
Wir verbinden die letzten beiden Dreiecke und haben 15 Quadrate. Passt.
Sie können unschwer erkennen, dass nun jede Farbe einmal mit jeder anderen Farbe gepaart ist.
Die Regel dahinter ist: pro Stapel haben Sie immer ein Dreieck weniger (hier 5) als Stapel da sind (hier 6). Zählen Sie die Dreiecke zusammen (hier: 6 mal 5 = 30) und teilen Sie sie durch 2, das ergibt die Anzahl der entstehenden Blöcke (hier 15).
Die fertigen Quadrate habe ich modulweise bunt gemischt, zu Vorder- und Rückenteil zusammengesetzt und jedes Teil in parallelen Linien auf Thermolam gesteppt. Danach habe ich, im Unterschied zur letzten Tasche, die Schabrackeneinlage aufgebügelt. Funktioniert bestens.
So einfach die Form ist, eine Besonderheit gibt es: die Tasche hat einen schmalen, festen Boden mit runden Ecken. Und diesen gegen die Hauptteile zu verstürzen, wenn überall Schabrackeneinlage aufgebügelt ist, ist allein wegen der Enge gelinde gesagt eine Herausforderung. Letztlich habe ich die Einlage im unteren Bereich wieder abgezogen und nach dem Verbinden der Bodennaht wieder aufgebügelt. Am besten lässt man die Schabrackeneinlage auf den letzten unteren Zentimetern von vornherein lose und holt das Aufbügeln später über einem Ärmelbrett nach.
Die Tasche wird mit einer Schlinge über einem großen Holzknopf geschlossen. Zusätzlich gibt es einen optionalen Klettverschluss, wenn die Tasche mal fester schließen soll, mit einer Abdeckung des Hakenbandes, damit der Verschluss nur schließt, wenn er wirklich soll und in der Zwischenzeit keinen Schaden am Pulloverärmel oder dergl. anrichtet.
Die Schlaufen für den Tragriemen sind seitlich mitgefasst, der Gurt selbst ist auf ein festes Maß abgenäht.
Sich ein Geschenk auszudenken ist eine Sache, ob man es dann richtig trifft, eine andere. Gerade bei einer Tasche kommt es ja auf einiges an, die Farben, die Größe, die Art … Aber glücklicherweise sah die Tasche an meiner Freundin sehr schön aus. Und ihr Urteil war, diese Tasche werde ihre Lieblingstasche (zum Ausgehen) werden. Ist das nicht klasse?
liebe gudrun, liebes lorchen,
das ist ja geradezu zum rot werden, danke!
ich finde, man kann viele klassische patchwork-muster modern interpretieren. dann sind sie zeitlos schön. was man übrigens besonders an quilts vom anfang des 20.jhdts. gut sieht: bauhaus-beeinflusst oder nicht, aber oftmals sehr ruhig mit viel unis, könnten die glatt von heute sein.
viel grüße
ursula
Ursula, ich bewundere nicht nur die Tasche, sondern ganz besonders auch deine praktischen Details (z.B. Abdeckung des Hakenbandes). Von dir kann ich noch sehr viel lernen.
Lorchen
doch, liebe ursula, das ist super klasse! nicht nur, dass die tasche gefällt, sondern überhaupt. ein sehr schönes stück mit den gewohnten raffinessen à la ursula gottschall. du hast so einen gekonnt-minimalistischen stil, den ich ausgezeichnet finde, auch in puncto farbwahl. und dabei denkt man immer, rechtwinklige dreiecke seien nur was für traditionalisten. ein typischer fall von denkste! alles nur vorurteile … quod erat demonstrandum, wie der mathematiker sagt.