Kreative Artikel zum Thema Nähen

Eine neue Sonnenstore

Damals war alles so einfach: Mein Götti bekam eine neue Sonnenstore an seinem Haus und schenkte meinen Eltern die alte. Eben, blau-weiss gestreift mit weissem Gestänge. Das war, nota bene, 1970 oder so. Mein Grossvater montierte das Ding an unserer Scheunenwand und mein Vater baute dazu einen grossen Tisch mit entsprechenden Sitzbänken. Sowohl Storenstoff als auch Tisch und Bänke wurden seither ersetzt, nie aber das Gestänge – so sind sie halt, die guten, alten Dinge aus einer Zeit, als Produzenten noch nicht herausgefunden hatten, dass sie ihre Umsätze steigern können, indem sie die Produkte weniger dauerhaft bauen. Der Kapitalismus in seiner 50-erjahre Urform hinterliess uns also ein unverwüstliches Gestänge mit einem halt mittlerweile etwas alten Storenstoff, der uns aber immer noch vor heftiger Sonneneinstrahlung schützt und Schatten spendet.  Was eine grandiose Erfindung ist. Von der ich nicht weiss, ob sie schon die alten Griechen oder Ägypter – aber das ist hier sekundär.

Also Stoff ersetzen. Man schlüpft ins Internet und sucht eine Firma, die einem Selbiges auf Grösse genäht liefern könnte, worauf die Montage, selbstredend, durch uns erfolgen würde. Genau das scheint aber den wenigsten Firmen zu passen. Von “Ja, brauchen Sie denn keinen Monteur?” “Und wer montiert den Stoff?” bis zu “Sind sie sicher, dass Sie das können?” habe ich am Telefon alles gehört. Das kann doch nicht so schwer sein.

Vier Firmen ziehen sich zurück oder antworten einfach nicht mehr. (Zwischenfrage: Gibt es in der Schweiz Arbeitslosigkeit?) Da ist es dann eine mittlere Befreiung, dass unser Stoffladen Storenstoff am Meter anbietet. Ich zögere noch, weil ich mich immer frage, wie ich die rechte Stoffseite unter dem Freiarm durchbringe. Immerhin sollte die ganze Store 4 Meter 60 breit werden; bei 120 Stoffbreite sind also vier Bahnen aneinanderzunähen. Von einem Stoff, der sich total anders anfühlt als z. B. Batist oder Seide. Im Gegenteil ja noch dicker ist als sein Vorläufer aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, weil ja seither auch die Sonneneinstrahlung massiv zugenommen hat. Aber die Kollegin der Theaterschneiderei lacht nur, sagt, logo kann das deine Nähmaschine, und nimm eine 100-Nadel und guten Faden.

Gemeinsam haben wir es dann geschafft. Mein Mann als einfühlsamer Stoffführer (he, mit drei f!), ich mit Kraft und Rufen: “Nein, nicht ziehen!” und einem vorher durchgeführten Totalumbau des Wohnzimmers, weil man braucht ja schliesslich Platz für 220 mal 460 cm!

Die 120 Stoffbreite rechts immer schön aufgerollt, damit es durch die Maschine passt. Im Theater haben sie so schon Bodentücher genäht. Und die sind noch dicker. Also tu nicht so!

Füsschendruck auf dem Maximum und die Nadel immer schön im Stoff, wenn man anhalten muss – sonst rutscht einem die ganze Chose einfach weg, weil es links so schwer ist, was wir übrigens auch mit einem zusätzlichen Tisch nicht ganz eliminieren konnten. Aber man lernt! Auch mit Kreidestrichen kann man sich helfen.

Gemeinsam haben wir auch die Montage geschafft.  Mehr recht als schlecht, aber immerhin. Auf der hinteren Rolle fertig montiert, zeigte sich, dass das ganze Teil 5 cm zu breit war. Kurze Familienkrise – wer hat falsch gemessen? Gelöst mit der vordergründig genialen Idee, einfach den einen Saum doppelt zu nehmen. Was uns dann nach der Endmontage eine schräge Store bescherte; braucht mehr Platz zum Wickeln.  Also mit einer nahezu genialen Idee einfach den anderen Saum auch dicker gemacht, indem ich ein Band einführte.

Die neue Store ist jetzt einigermassen gerade. Sie läuft ein bisschen schwer.  Den blöden Fleck vom jetzt roten Gestänge, in Liebe und Geduld gestrichen, bringen wir auch noch weg. Und ich möchte sie noch mit Wimpeln bestücken. Eine Woche unserer Sommerferien haben wir in dieses Unterfangen gesteckt. Ab und zu kleine Krisen heraufbeschworen. Der Sitzplatz ist schön. Und heller.

Vielleicht ändern dann unsere Kinder einmal wieder alles. Zum Beispiel von weiss auf blau-weiss-gestreift.

Kommentare zu diesem Artikel

5 Antworten

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  • Sandra Felber BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    Hallo Gabi
    Ich musste lachen ab deinem Artikel.Ich würde sagen selbst ist die Frau.Ähnliches habe ich auch schon erlebt. . Bei unserem sehr grossen Baumwoll Zelt ging der Reissverschluss und dazu noch das Mosikotonetz kaputt. Das Zelt wurde auf dem Stubenboden ausgebreitet und ich setzte mich mit der Nämaschine hinein (irgendwo habe ich noch ein Foto)………Der Reissverschluss und das Netz hält noch heute. Apropos Arbeitslosigkeit in der Schweiz: Ich würde sagen nein, aber die wollen immer alles selber machen. Von A-Z.Ist leider so.
    Heisse und sonnige Grusse aus der Schweiz Sandra

  • Gudrun Heinz BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    halli hallo,
    ist dir super gelungen, gabi. ich bin auch so eine, die haltbare dinge nicht gerne durch neue ersetzt, sondern wenn möglich selbst hand anlegt. neulich sah ich einen tv-bericht zu diesem thema. es gibt doch tatsächlich auch hersteller, die ihre produkte so produzieren, dass diese kurz nach ablauf der garantiezeit, also meinetwegen nach drei jahren, kaputt gehen. die autoren nahmen z.b. einen drucker auseinander, um dies nachzuprüfen – es stimmt wirklich und man könnte das maschinchen auch mit billigen mitteln sogar wieder reparieren. nur daran verdient der hersteller eben nicht. sachen gibts!
    beste grüsse
    gudrun

  • Jutta Hellbach BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    Hallo Gabi,
    zuerst einmal Gratulation zur geglückten Bewerkstelligung dieser Herausforderung. Nun kann sich die Sonne mit herrlichen Plusgraden ja wieder hervortrauen. Und herzlichen Dank für diesen so amüsanten Bericht. Heute habe ich eine Bekannte zum werkeln hier und wir lachten gerade gemeinsam durch deine Sätze. Wie wunderbar, wie wunderbar.
    Wobei du hier ja gerade auf der Plattform eines Produzenten schreibst, der auch noch nicht herausgefunden hat, dass man Maschinen herstellen kann, die eine kürzere Lebensdauer haben um den Umsatz zu steigern. Das ist halt die geprüfte Schweizer Qualität. Gut gibts noch solche Unternehmen.
    Viel Spass und Freude beim Ausruhen am neuen Schattigen Plätzchen.

    Lg
    Jutta

  • Andrea Müller BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    Hallo Gabi

    kenne diese Wurstelei, der Tisch wird immer kleiner, die Oberarme schmerzen und der Rücken bricht fast ab. Habe auch erst 26 Meter Patchworkstoff zur Gardine verarbeitet. Die nächsten 36 Meter sind schon bestellt und warten auf Verarbeitung. Ich kann also gut nachfühlen. Aber Dein Ergebnis ist super geworden. Was will Frau mehr!

    LG Andrea

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