Kreative Artikel zum Thema Nähen

Tohoku Grandmas besuchen BERNINA Zürich

Nach dem Tsunami im Jahr 2011 versammelten sich Einwohnerinnen der japanischen Hafenstadt Rikuzen-Takata in einer stillstehenden Fabrik, um von Hand Textilaccessoires herzustellen und durch diese Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele von ihnen hatten in der Katastrophe Familie und Arbeit verloren. Der Hafen und die Fischerboote waren dem Tsunami zum Opfer gefallen, der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt zum Erliegen gekommen. Frau Chieko Watanabe aus Tokio, CEO der japanischen Biobaumwoll-Firma Avanti Co., gründete kurz darauf das Tohoku Grandma Project, unter dessen Dach die initiativen Frauen in Rikuzen-Takata seither arbeiten.

Im Januar 2013 stattete die japanisch-schweizerische Modedesignerin Kazu Huggler mit Unterstützung von BERNINA die Tohoku Grandmas mit Nähmaschinen aus. Zuvor hatte Kazu bereits BERNINA Nähmaschinen an die Takata High School gebracht, als Zeichen von Hoffnung und neuen Perspektiven. Das Schweizer Fernsehen hatte in der Sendung Glanz & Gloria über das Engagement von Kazu und BERNINA berichtet. Gestern nun waren zwei Tohoku Grandmas, Masako Oikawa und Shigeko Kanno, zu Besuch bei BERNINA Zürich und zeigten traditionelle japanische Techniken der Textilverarbeitung.

Mehr als fünfzig Personen waren eingetroffen, um der Performance beizuwohnen. Sie durften einen Abend erleben, der ans Herz ging und lange in Erinnerung bleiben wird. Masako Oikawa, die mehr als vierzig Jahre als professionelle Kimononäherin tätig war, und unter anderem für japanische Showbusinessgrössen, stellte einen Sommerkimono aus Yukata-Baumwolle fertig. Dabei führte sie alte Handnähtechniken vor, bei denen Füsse und Knie zu Hilfe genommen werden. Kimono-Nähtechniken werden in Japan von Meister zu Schüler weiter­gegeben und in der Regel nicht öffentlich gezeigt, sondern als Geheimwissen gehütet.

Shigeko Kanno nähte mit bedrucktem japanischem Chirimen-Stoff sogenannte Furoshiki und zeigte, wie sich mit diesen durch kunstvolles Falten und Knoten wunderschöne Geschenkverpackungen herstellen lassen.

Die grosse Kunstfertigkeit der beiden Tohoku Grandmas beeindruckte. Vor allem aber war es die Fröhlichkeit, die Energie und die ungebrochene Zuversicht der beiden Frauen, die den Gästen – und dem Autor – nahe ging. Die Tohoku Grandmas standen nach dem Tsunami vor dem Nichts, hatten Familienangehörige und jegliche Sicherheit verloren. Noch heute leben sie unter schwierigsten Umständen. Dennoch war es Masako Oikawa, welche Kazu Huggler tröstete, als dieser die Stimme versagte. “Weine nicht, Du hast doch alles.”

In seiner Ansprache wies der Sekretär der japanischen Botschaft darauf hin, dass der Norden Japans nicht vergessen gehen dürfe. Zu gross sei die Not, die viele Menschen dort mehr als zwei Jahre nach dem Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami immer noch leiden. Allerdings: “Die Zeit des Mitleids ist vorbei.” Dies sagte gestern Kazu Huggler. Es gehe in der Zusammenarbeit mit den Tohoku Grandmas nicht um Wohltätigkeit, sondern um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. „Das Projekt ermöglicht den Tohoku Grandmas, ihre Zukunft aus eigener Kraft zu gestalten und ihre Lebensumstände selber zu verbessern.“

Das Engagement von Kazu Huggler in Japan begann unmittelbar nach dem Tsunami vom 11. März 2011. Als Tochter einer japanischen Mutter und eines Schweizer Vaters wuchs Kazu in beiden Ländern auf. „Mir wurde es zu einem wichtigen Anliegen, die Menschen im Norden Japans beim Wiederaufbau nach der Katastrophe zu unterstützen.“ Bei ihrere Reise  nach Rikuzen-Takata im Januar zeigte sie den Grandmas, wie sich mit BERNINA Nähmaschinen und Material aus lokalen Quellen attraktive einfache Objekte herstellen lassen, etwa eine Tragetasche, ein Tischset oder ein japanischer Beutel mit Zugband.

Aus der Rede von Kazu Huggler: “Als Mutter war mein Fokus zunächst das Wohl der Kinder. Durch die zahlreichen Gespräche mit den Bewohnern konnte ich jedoch bald feststellen, dass das Wohl der Kinder von ihren Eltern stark abhängt. Wenn die Eltern leiden, sind die Kinder umso schlimmer betroffen. Somit schien es mir dringend nötig, dass die Erwachsenen, die ihr Hab und Gut, Ihre Arbeit und sogar ihre Liebsten verloren hatten, aus ihren erdrückenden, temporären Behausungen rausgehen und eine Aufgabe erfüllen konnten, um sobald wie möglich einen gesunden Seelenzustand zurückzugewinnen. Ich bin überzeugt, dass die Arbeit zum echten Wiederaufbau der Gesellschaft in Rikuzentakata führt.”

Kazu Huggler und BERNINA wollen die Tohoku Grandmas nicht nur bei der Produktion, sondern auch beim Absatz ihrer Produkte unterstützen. Mit der Avanti Co. und Chieko Watanabe steht den Tohoku Grandmas ein weiterer Unternehmenspartner zur Seite, der sie mit Know-how und Material tatkräftig unterstützt.

Der Event bei BERNINA Zürich wurde begleitet vom ersten japanischen Staatsfernsehen, welches eine Dokumentation über die Reise der Tohoku Grandmas in die Schweiz produziert.

Für BERNINA war der gestrige Tag der bisherige Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit Kazu Huggler für Japan. Es ist aber nicht der Abschluss. Das Projekt ist auf Nachhaltigkeit angelegt.

Um ihre Projekte in Rikuzen-Takata noch viele Jahre weiterführen zu können, hat Kazu kürzlich den Verein Three Cranes Association gegründet. Three Cranes, die drei Kraniche, stehen für Ausdauer, Langlebigkeit und Gedeihen. Über Ihre Mitgliedschaft, liebe Leserinnen und Leser, würden sich Kazu und BERNINA freuen!

Ähnliche Inhalte, die dich interessieren könnten

Kommentare zu diesem Artikel

2 Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Ingrid BearbeitenDas Bearbeiten von Kommentaren im BERNINA Blog ist erst nach Anmeldung mit einem Blog-Benutzerkonto möglich. Melden Sie sich jetzt an oder erstellen Sie hier ein Benutzerkonto, wenn Sie noch keines besitzen.

    Lieber Herr Fluri,
    vielen Dank für diesen interessanten Bericht, der in vielerlei Hinsicht nachdenklich, aber auch optimistisch stimmt! Sobald schlimme Ereignisse nicht mehr an erster Stelle in den Medien sind, verdrängt man oft recht schnell die Schicksale dahinter.
    Da ist ein solch positives Projekt gut geeignet, wieder einmal über den “Nähmaschinenrand” zu schauen und sich darüber zu freuen, was Menschen eine Nähmaschine bedeuten kann.
    Es war bestimmt in jeder Hinsicht ein faszinierender Abend!
    Beeindruckend auch die Nähtechniken, die Dame auf dem Tisch vermittelt einen kleinen Eindruck – ich wäre gerne dabei gewesen!
    Viele Grüße
    Ingrid

Liebe Leserin, lieber Leser des BERNINA Blogs,

um Bilder über die Kommentarfunktion zu veröffentlichen, melde Dich im Blog bitte an.Hier geht es zur Anmeldung.

Du hast dich noch nicht für den BERNINA Blog registriert?Hier geht es zur Registrierung.

Herzlichen Dank, Dein BERNINA Blog-Team