Das “Kleine Schwarze”, das Chanelkostüm, die gesteppte Handtasche, Modeschmuck und nicht zuletzt das Parfum “Chanel N° 5“ mit den ineinander verschlungenen Initialen CC sind die Markenzeichen von Coco Chanel, einer der bekanntesten Modeschöpferinnen des 20. Jahrhunderts. Bereits in den 1910er Jahren gehört sie zu den Verfechtern von elegant-schlichter und zugleich bequemer Kleidung, verbannt das Korsett und ebnet damit einem Stil den Weg, der bis heute in der Modewelt von grosser Bedeutung ist. Bis heute ist Coco Chanel eine schillernde und faszinierende Persönlichkeit, der zahlreiche Filme und Bücher gewidmet sind.
“Mythos Chanel” lautet der Titel der Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, in der der Frage nachgegangen wird, warum Coco Chanel als Person und die durch sie begründete Marke bis in die Gegenwart so grosse Aufmerksamkeit erfahren. Die Biografie der Modedesignerin und das Image, das sie von sich kreiert hat, werden dabei ebenso beleuchtet wie die geniale Weise, mit der Karl Lagerfeld (*1933) seit 1983 dieses Erbe mit den Strömungen des jeweiligen Zeitgeschmacks verbindet.
Die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Gabrielle Chanel (1883-1971) führt ein aussergewöhnliches Leben, besonders für eine Frau ihrer Generation. 1908 macht sie sich als Hutmacherin selbstständig. Zu einer Zeit als erst wenige Frauen berufstätig sind, eröffnet sie 1913 ihren ersten Couture-Salon in Paris.
Wenige Jahre später ist das Modehaus Chanel in der Rue Cambon 31, wo sich auch heute noch der Sitz des Hauses befindet, bereits international erfolgreich und beschäftigt mehrere tausend Mitarbeiter.
Chanel trifft den Nerv der Zeit mit ihrer sowohl eleganten als auch sehr tragbaren Mode. Ihre Entwürfe von schwarzen Tageskleidern sind ausschlaggebend für die Entstehung des “Kleinen Schwarzen“. Schon zu Beginn der 1920er Jahre lanciert sie ihr Parfum “Chanel N° 5“. Sie kombiniert selbstbewusst Mode- mit echtem Schmuck und lässt sich von namhaften Fotografen wie Man Ray oder Horst P. Horst porträtieren.
Gabrielle Chanel pflegt Freundschaften mit vielen Künstlern ihrer Generation, darunter Pablo Picasso, Igor Strawinsky und Jean Cocteau. Bei einigen Projekten kommt es auch zu künstlerischer Zusammenarbeit. Beispielsweise entwirft sie die Bühnenkostüme für das Balett “Le Train Bleu“, das 1924 in Paris uraufgeführt wurde.
1921 kreiert, ist das Parfum “Chanel N° 5” bereits 1929 das meistverkaufte Parfum der Welt. Coco Chanel selbst entwirft den sachlich-modernen Flakon und das Etikett, die sich beide bis heute in nur leicht veränderter Form erhalten haben. Der Duft, zu dem sich beispielsweise Marilyn Monroe bekannte, schenkt Coco Chanel ein Leben lang finanzielle Unabhängigkeit.
Coco Chanel kombiniert zu ihrer eher schlichten Mode auffällige Schmuckstücke. Für ihre persönliche Garderobe mischt sie dabei ohne zu zögern Mode- und Echtschmuck und löst damit einen Trend aus. Bereits 1924 eröffnet sie ein eigenes Atelier für Couture-Modeschmuck unter der Leitung des Grafen Etienne de Beaumont. Dieser arbeitet mit vielen Fachleuten zusammen, die sich von der Schmuckkunst verschiedenster Epochen inspirieren lassen.
Im Oktober 1926 bezeichnet die amerikanische Vogue ein kurzes schwarzes von Chanel entworfenes Kleid als “The Chanel Ford”, als den “Ford von Chanel – das Kleid, das die ganze Welt tragen wird”. Mit diesem merkwürdigen Vergleich sagt das Magazin dem Kleid eine grosse Zukunft voraus – das “Kleine Schwarze” ist geboren. Und obwohl Chanel nicht das allererste schlichte schwarze Tageskleid entworfen hat, bleibt es untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Kombiniert mit unterschiedlichen Accessoires, passt es nicht nur zum modernen, dynamischen Lebensstil der 1920er Jahre. Auch später darf es in keinem Kleiderschrank fehlen und ist in den 50er und 60er Jahren der Inbegriff des Pariser Chics.
Mit dem Kriegsausbruch 1939 endet Coco Chanels erste Schaffensphase. Der Haute-Couture-Salon wird geschlossen, während die Boutique im selben Haus geöffnet bleibt. Hier wird neben Accessoires vor allem das Parfüm “Chanel N° 5” angeboten. Coco Chanel pflegt eine langjährige Freundschaft zu Baron Hans Günther von Dincklage, der für die Auslandsabwehr der Wehrmacht als Agent arbeitet. Von 1945 bis 1953 lebt sie aus Furcht vor Repressalien mit ihm im Schweizer Exil. Kollaborationsvorwürfe gegen sie werden aber nach dem Krieg fallengelassen.
Im Februar 1954 startet Coco Chanel ihr Comeback mit der ersten Kollektion nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits 70 Jahre alt. Trotz einiger Ressentiments der französischen Presse kann sie schnell an ihre Vorkriegserfolge anknüpfen. Es gelingt ihr erneut, den Zeitgeist in klassisch schlichte und elegante Mode zu fassen. Einige ihrer berühmtesten Kreationen fallen in diese Phase: Die Handtasche 2.55 mit Schulterriemen und dem markanten Rautensteppmuster (Februar 1955), das Chanelkostüm und die zweifarbigen Slingpumps (1957) werden zu Mode-Ikonen. Sie werden seitdem vom Haus Chanel selbst in abgewandelter Form weiterentwickelt und tauchen auch als Kopie oder Stilzitat bei anderen Modehäusern auf.
Coco Chanel hat während ihrer gesamten Schaffenszeit Kostüme unterschiedlichster Art entworfen – moderne, zweckmässige, aber auch elegante Kleidungsstücke für viele Gelegenheiten. Zu ihrem besonderen Markenzeichen wird ein Kostüm, das erstmals 1957 vorgestellt wird. Es besteht aus einer kastigen, kragenlosen Jacke mit kontrastierendem Bortenbesatz und einem leicht ausgestellten knielangen Rock, meist aus lockerem Wolltweed gearbeitet.
Das Chanelkostüm hat einen so hohen Wiedererkennungswert, dass bis heute das blosse Zitieren einzelner Charakteristika wie Tweed und Goldknöpfe oder Jackentaschen mit abgesetzten Bordüren genügt, um es heraufzubeschwören. Bereits zu ihren Lebzeiten haben sich das viele Modehäuser, Konfektionäre oder auch Hausschneiderinnen zu Nutze gemacht. Entwürfe von Chanel wurden mit und ohne ihr Einverständnis von anderen nachgearbeitet.
Im Unterschied zu anderen Couturiers betreibt Coco Chanel eine relativ grosszügige Modellschutzpolitik und gestattet bis zu einem bestimmten Grad das Kopieren ihrer Entwürfe. Sie fasst es als Kompliment und Bestätigung auf, wenn sich Frauen weltweit in ihrem Stil kleideten.
Ob die einzelnen Modelle in Lizenz gefertigt wurden oder ob es sich um Interpretationen bzw. Kopien handelt, lässt sich heute meist nicht mehr klären. Unabhängig davon ist jedoch sicher, dass alle Modelle ihren Beitrag zum “Mythos Chanel” leisten.
Nach Coco Chanels Tod im Januar 1971 versuchen unterschiedliche Gestalter ihr Erbe fortzuführen. Jedoch gelingt es erst Karl Lagerfeld, der 1983 Mademoiselles kongenialer Nachfolger wird, das Modehaus erfolgreich und überzeugend zu erneuern.
Seit 30 Jahren – bis heute – provoziert und verjüngt er, variiert und zitiert er das Charakteristische ihres Stils, hält ihn stets aktuell. Mit dem spielerischen Einsatz von Versatzstücken wie beispielsweise Coco Chanels markantem Profil, ihrer Lieblingsblume, der Kamelie, oder ihrer Glückszahl “5“, nimmt er immer wieder Bezug auf die Person Coco Chanel. Die Mode bleibt “Chanel”.
Die Ausstellung zeigt insgesamt über 200 Exponate, darunter Kostüme, Accessoires, Schmuck, Werbegrafik, historische Fotografien und über 75 Modemagazine aus der Zeit von 1920 bis 1971. Neben 54 originalen, teils mehrteiligen Outfits aus dem Haus Chanel, darunter 38 aus der Zeit der Modeschöpferin, und über 50 Schmuckstücken sind erstmals über 35 Adaptionen der Chanel-Klassiker zu sehen, die auf ihre ganz eigene Art und Weise den “Mythos Chanel” spürbar werden lassen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.
Die Ausstellung wird von einem breit angelegten Rahmenprogramm begleitet.
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Info:
Mythos Chanel
28. Februar – 18. Mai 2014
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
Infos und Fotos freundlicherweise vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zur Verfügung gestellt – vielen Dank!
DANKE, Gudrun,
ein toller Rückblick!
monika
Mein Favorit ist eindeutig das Kostüm von Gabrielle Chanel, Herbst/Winter 1959/60. Pink.
Liebe Grüße
Susanne
Dankeschön für diesen schönen, gut lesbaren und sehr informativen Artikel 🙂
Wenn man sich intensiv “die Welt des Karl Lagerfeld” anschauen möchte, ist das im Folkwang-Museum in Essen noch bis zum 11.5. möglich. Dort sind einige originale Modelle von ihm (vielleicht 10), sehr viele Fotos, Videos, Zeichnungen, Filme und vieles mehr zu sehen.
halli hallo,
vielen dank für den hinweis zur lagerfeld-ausstellung. der beitrag mit meinem ausstellungstipp hierzu wird morgen im blog hier erscheinen!
beste grüsse
gudrun
in einem Chanel Kostüm ist man auch Heute noch chic.
Hallo Gudrun,
das ist ja eine nette Erinnerung an meine Jugendzeit! Auch ich besaß in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein “Chanel”-Kostüm. Die “” stehen dafür, dass meine Mutter es genäht hatte 🙂
Liebe Grüße Annette.