‘Ab nach München!’ schreibt Gabriele Münter 1901 in ihr Tagebuch, nachdem ihre Freundin Margarete Susmann sie auf die ‘Damen-Akademie’ aufmerksam gemacht hat. Wie viele andere junge Frauen, in der Regel aus dem gehobenen Bürgertum, geht sie nach München, um dort Malerei zu studieren.

Die Männer hinaus! Einladung zum Costümball des Künstlerinnen-Vereins am Montag, 14. Februar 1887
Entwurf: Emma von Müller, Lithographie
© Münchner Stadtmuseum
München ist um 1900 sowohl Kunststadt als auch ein Zentrum der Frauenbewegung und es gründen sich zahlreiche Vereine wie beispielsweise die ‘Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau’. Den Frauen soll zu staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Rechten verholfen werden und …

In der Münchner Damen-Akademie: Käthe Schmidt (verh. Kollwitz) zwischen Maria Slavona (vorne rechts) und Rosa Pfäffinger (vorne liegend) sitzend
Fotografie, 1889
© Privatbesitz, München
… eines der zentralen Ziele der Frauenbewegung ist die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten. Gefordert wird u.a. der Zugang zu den Universitäten, was in Bayern schliesslich ab 1903 möglich ist.

Legitimationskarte der Königlich Bayerischen Akademie der bildenden Künste von Zofia Lubańska-Grzymała, die hier im Sommersemester 1911/12 unter dem Namen ihres Bruders, Tadeusz von Grzymała, eingeschrieben ist.
© Privatbesitz, Schweiz
Frauen mit dem Berufswunsch, Künstlerin zu werden, kämpfen lange vergeblich um den Zugang zur Königlichen Akademie der Bildenden Künste, der ihnen erst ab 1919 gewährt wird. Zofia Stryjeńska aus Polen versucht, dieses Verbot zu umgehen …

Zofia Lubańska-Grzymała (x) als Mann verkleidet mit ihren Kommilitonen an der Königlich Bayerischen Akademie der Bildenden Künste
Fotografie, 1911
© Privatbesitz, Schweiz
… und immatrikuliert sich unter dem Namen ihres Bruders.
Als Mann verkleidet studiert sie ein Jahr, bevor die Täuschung auffliegt und sie die Akademie verlassen muss.

Vitrinenschrank
Entwurf: Dora Polster
Ausführung: Ateliers und Werkstätten für angewandte Kunst, Wilhelm von Debschitz und Hermann Lochner, München, 1909/10
© Münchner Stadtmuseum
Wer nicht zu solchen Mitteln greifen möchte, hat die Möglichkeit, sich in Privatateliers und -schulen ausbilden zu lassen. In München …

Die Buchillustratorin, Malerin und Grafi kerin Dora Polster (verh. Brandenburg-Polster) entwarf auch Möbel und ganze Zimmereinrichtungen.
Fotografie, Frank Eugene Smith, um 1908
© Münchner Stadtmuseum
… existieren um die Jahrhundertwende zahlreiche dieser Schulen, die sowohl männliche als auch weibliche Schüler aufnehmen. Hier herrscht jedoch oft ein nur ungenügendes künstlerisches Niveau.

Käthe Kollwitz ist von 1888 bis 1890 unter ihrem Mädchennamen Schmidt Schülerin der Münchner Damen-Akademie.
Fotoarchiv Philipp Kester, 1906
© Münchner Stadtmuseum
Um auch Frauen eine professionelle künstlerische Ausbildung zu ermöglichen, ergreifen sie 1882 mit der Gründung des Künstlerinnen-Vereins selbst die Initiative. Zwei Jahre später …
… eröffnen sie die Münchner Damen-Akademie, die nach dem Vorbild der Königlichen Akademie der Bildenden Künste organisiert ist. Hier schreibt sich, wie schon erwähnt, Gabriele Münter ein …

‘Schnecke’ (Aschenschale mit weiblichem Akt)
Entwurf: Sophie Burger-Hartmann
Vertrieb: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk München
Bronze, 1898
© Sammlung Barlow-Widmann, Geretsried
… aber auch Käthe Kollwitz, damals noch unter ihrem Mädchennamen Käthe Schmidt. Die Institution ist bald weithin bekannt und zieht zahlreiche junge Frauen aus dem In- und Ausland an.
Schon etwas früher wird Frauen eine Ausbildung im kunstgewerblichen und kunstpädagogischen Bereich zugestanden und staatlich gefördert. So ist die Ausbildung zur Zeichenlehrerin ab 1872 …

Katharine Schäffner: Sturm
Aus der Mappe ‘Eine neue Sprache? – 42 Zeichnungen von Katharine Schäffner’
Georg D. W. Callwey im Kunstwart-Verlag
München 1908
© Antiquariat Daniela Kromp, München
… in der ‘Weiblichen Abteilung’ der Königlichen Kunstgewerbeschule möglich. 1902 werden in München die ‘Lehr- und Versuchsateliers für Angewandte und Freie Kunst’ …

‘Die Mädchen waren fleissiger als die Männer’
In der Metall-Werkstatt der Debschitz-Schule, wo u.a. Gertraud von Schnellenbühel lernte.
Fotografie, um 1905
© Münchner Stadtmuseum
… kurz nach einem ihrer Gründer ‘Debschitz-Schule’ genannt, gegründet.

Kerzenleuchter – Eine der sechs Ikonen des Jugendstils
Entwurf: Gertraud von Schnellenbühel
Ausführung: Steinicken & Lohr, 1912/13, Messing versilbert
© Münchner Stadtmuseum
Der Besuch dieser bis 1914 bestehenden reformorientierten Institution ist Frauen von Anfang an erlaubt und …
… der Zulauf entsprechend hoch. Ab 1905 können Frauen schliesslich auch die ‘Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie’ besuchen und erzielen hier mit ihren Arbeiten rasch Erfolge.

Vase mit Rosenbordüre
Dekorentwurf: Betty Heldrich
Ausführung: Ferdinand von Poschinger, Glashüttenwerke Buchenau
um 1900
© Münchner Stadtmuseum
Vor diesem zeitgenössischen Hintergrund vermittelt die Ausstellung im Münchner Stadtmuseum auf 750 m² erstmals einen Überblick über das künstlerische Schaffen der Frauen.
Gezeigt werden ca. 300 Werke bekannter und bisher unbekannter oder in Vergessenheit geratener Künstlerinnen …

Der Papagei
Entwurf und Ausführung: Minnie Goossens und Johanna Biehler
München, 1910
Majolika, farbig glasiert, Durchmesser 87 cm
© Münchner Stadtmuseum
… aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei, Grafik, Möbelkunst, Schmuck, Glas, Keramik, Porzellan, Textilien und Fotografie.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog
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Info:
12. September 2014 – 8. Februar 2015
Ab nach München! – Künstlerinnen um 1900
Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Infos und Fotos vom Museum zur Verfügung gestellt – herzlichen Dank!
hallo annette,
ich stimme dir voll zu. neulich habe ich in einem radiobericht gehört, dass im letzten studienjahr 2013 rund 440.000 studierende erfolgreich ihr hochschulstudium in d absolviert und abgeschlossen haben (bei einer bevölkerung von über 80 mio.) und dass seit jahren der anteil der mädchen konstant höher ist als der der jungen …
gut, dass man damals schon dafür gekämpft hat!
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
oder, um advocatus diaboli zu spielen: Die Männer ahnten vermutlich, warum sie sich so lange dagegen gesträubt haben, Frauen als etwas anderes als Heimchen am Herd, bestenfalls als Deko (vgl. den treffenden Kommentar Deines Göttergatten) zu betrachten. Um nicht zu sagen, sie “dumm” zu halten… Dabei profitieren doch beide, wenn Frau nicht blöd ist 🙂
Liebe Grüße Annette.
….aber als Aktmodell natürlich auf das Foto durften.
Hallo Gudrun,
Danke vor allem für die Hintergrundinformationen! Wenn ich bedenke, dass das ja noch gar nicht sooo lange her ist, dass Frauen (nicht nur im künstlerischen Bereich) nicht die Ausbildung machen durften, die sie wollten…
Liebe Grüße Annette.