‚Nach Finnland? Da würde ich auch gerne mal hinfahren!’ Diese Antwort erhielt ich öfter, als ich die in Aussicht stehende Oster-Reise verschiedenen Leuten gegenüber erwähnte. Und was macht wohl die Anziehungskraft des Lands der tausend Seen und ausgedehnten Wälder aus?
Eislochangeln, Sauna …
… Glögi, Polarlicht …
… oder die Begegnung mit Rentier oder Elch?
Oder, wie es in einer – ebenso kundigen wie gewählt ausgedrückten – Antwort heisst: ‚… und sei es nur um festzustellen, dass die Finnen gar nicht so wortkarg-melancholische Gewohnheitstrinker sind, wie wir es beim Kaurismäki-Schauen gerne glauben …’?
Guten Gewissens kann ich nur über die eigenen Beweggründe sprechen, die meinen Mann und mich Anfang April in den Norden zogen:
Unser Sohn absolviert derzeit ein Auslandssemester an der LUT in Lappeenranta …
… und wir wollten mal nachsehen – nein, nein, keine Kontrolle! Nur ein liebgemeinter kurzer Besuch des Osterhasen bei unserem Studenten mit nur knapper Freizeit.
Und um die Visite dann …
… wenn man schon mal da ist …
… um Land und Leute besser kennenzulernen …
… mit einer kleinen Tour durch den Südosten …
… und ein paar Tagen Helsinki zu verbinden.
Na klar, mich persönlich interessiert ganz besonders das berühmte finnische Design:
Möbel, Stoffe, Kleidung …
… Schmuck, Glas, Geschirr und Haushaltswaren …
… Architektur samt Interieurs – in irgendeinem schlauen Buch habe ich gelesen, dass namhafte finnische Hersteller seit Jahrzehnten hochwertige Produkte mit klaren zeitlosen Formen herstellen, moderne Klassiker eben.
Aber der Reihe nach. Kommt doch einfach mit …
… auf eine kleine Bilderreise …
… die uns nach Karelien …
… und dort nach Lappeenranta und das grösstenteils noch zugefrorene Seengebiet rund um den Saimaasee …
… an die Küste nach Kotka …
… und schliesslich nach Helsinki führt. Hyvää matkaa!
Kleine Bilderrätsel gefällig?
1. Wie viele Fotografen sind hier am Werk?
2. Was wird fotografiert?
Wie schön, wenn eine Familie auch mal die selben Interessen teilt.
Neben dem Maretarium gibt es in der südfinnischen Hafenstadt Kotka noch viel mehr zu sehen.
Ein weiteres (geöffnetes) Highlight …
… ist das Maritime Centre Vellamo, ein Schiffahrtsmuseum im Hafen, das, erst 2008 eröffnet, als erstes durch seine Architektur besticht.
Die Fassade des Gebäudes in Form einer riesigen Welle ist in den Farben des Meeres gehalten und die Glasscheiben dürften bei entsprechender Beleuchtung die Lichtreflexe auf stets in Bewegung befindlicher Meeresoberfläche sehr gut interpretieren.
Überhaupt ist die Architektur ebenfalls eine Disziplin, auf die das finnische Design seinen hervorragenden Ruf stützt. Wer weiss, vielleicht hat meine Mutter, die seinerzeit nicht nur ein marimekko-Kleid besass (und trug) …
… sondern auch feines Porzellan mit der Handschrift des Designers Tapio Wirkkala (1915 – 1985) zu ihren Lieblingsstücken zählte …
… bei mir schon als Teenager mein Faible für das Schöne und Besondere …
… für das Ungewöhnliche und Ausgefallene geweckt?
Das musste ich – nach all den Jahren – unbedingt im Original und heute sehen.
Wie schön, dass unser Hotel in der Hauptstadt in der Annakatu mitten im Design District liegt und das Design Museum gleich um die Ecke ist!
Ebenfalls nur ein, zwei Katzensprünge entfernt und daher gut zu Fuss zu erreichen ist das Viertel Eira, wo um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ganze Strassenzüge in der nordischen Spielart des Jugendstils, in Finnland ‘Nationalromatik’ genannt, entstanden.
Nicht ganz so spektakulär wie z.B. in Riga (vgl. meinen Bericht über den Jugendstil in Mode und Architektur in Riga), aber nichtsdestotrotz sehr sehenswert, wechseln sich besonders in diesem Stadtviertel guterhaltene Wohnhäuser mit Antiquitätenläden und Modeboutiquen ab.
Auch am Gebäude unten im Bild ist die Formensprache des Jugendstils, dessen Leitmotiv die geschwungene Linie ist, klar zu erkennen.
Wie man sich in dieser Zeit – also etwa vor rund einhundert Jahren – eingerichtet haben mag, das zeigt ein Blick ins Design Museum:
Auch hier: geschwungene Linien und florale Motive. Architekten wie Eliel Saarinen, der z.B. massgeblich am Entwurf des Helsinkier Hauptbahnhofs beteiligt war und damit den neuen Stil prägte, waren sich nicht zu schade, um auch Interieurs zu gestalten.
Auch das Kultobjekt des finnischen Glasdesigns, die legendäre Vase (die auch im Schrank meiner Schwiegermutter steht) …
… wurde 1936 von Alvar Aalto (1898 – 1976), dem unbestrittenen finnischen Stararchitekten schlechthin, entworfen.
Sie wird bis heute von iittala gefertigt und seit 80 Jahren verkauft – man begegnet ihr in vielen Farben und Grössen, wenn man durch die Strassen Helsinkis schlendert …
… auf Schritt und Tritt. Und dann wieder ein tolles Jugendstil-Eckgebäude! Die Spaziergänge durch die Strassen etwas abseits der Esplanade, der Hauptgeschäftsstrasse, sind trotz eisigem Wind ganz und gar nicht langweilig.
Das Design Destrict ist ein abwechslungsreiches Viertel, nicht verwunderlich nach der Wahl Helsinkis zur ‘World Design Capital 2012’.
Es reihen sich hier Modeboutiquen, Galerien, Kneipen …
… Hinterhofshops und Möbelläden sozusagen aneinander.
Gleich, ob auf der Esplanade oder in anderen Strassen …
… es ist direkt auffällig …
… wie aufwendig die Schaufenster dekoriert sind.
Frische Blüten und Pflanzen sind sehr beliebt …
… und bereichern – kein Wunder nach dem langen Winter – das Bild.
Florale Motive wohin man schaut!
Die Natur als Inspirationsquelle für Stoffdesigns …
… es ist unübersehbar.
Zum Abschluss des Berichts führt uns der Weg über das ‘Log-Cabin-Pflaster’ des Senatsplatzes …
… noch ins Design Museum Helsinki. Im Erdgeschoss zeigt man …
… eine Reihe von Übersichten über das finnische Industrie- und Wohndesign und meisterhaftes Kunsthandwerk seit 1873.
In schöner chronologischer Ordnung entdeckt der interessierte Besucher auf dem Rundgang …
… in der Auswahl, die man aus der 75 000 Objekte umfassenden Sammlung getroffen hat, so manches bekannte Stück!
Ein Stockwerk weiter oben wird derzeit die Ausstellung ‘postmodernismi 1980 – 1995’ präsentiert.
Raum für Kunst, Stoffdesigns und …
… Interieurs …
… nicht nur aus finnischem Blickwinkel gesehen und …
… unter Rückbesinnung auf traditionelle Vorbilder und Gedanken, einer Rekombination vorhandener Ideen mit erweitertem Kunst- und Freiheitsbegriff.
Auch die schönste (Kurz-) reise geht jedoch einmal zu Ende. Sehr gerne besuche ich Suomi wieder einmal – vielleicht aber in der wärmeren Jahreszeit, wenn wirklich alle Sehenswürdigkeiten geöffnet und zugänglich sind. Kiitos & moi, moi!
Alle Fotos: © 2015 Dr. Wolfgang und Gudrun Heinz
Vielen Dank, Gudrun, dass du deinen wundervollen Finnland-Reisebericht geteilt hast! Это вдохновляет!
Hallo Gudrun,
danke nochmal für die ausführlichen Informationen. Wirklich interessant.
Noch ein schönes Wochenende
Birgit
Hallo Gudrun,
vielen Dank für die Tipps. Habe gleich hineingeguckt. Ja, wirklich eine ganz eigene Art der Textilkunst. Tolle Sachen. Wenn ich das richtig gesehen habe, wird bei den beiden Damen auch noch viel mit der Hand genäht. Ist das richtig?
Viele Grüße
Birgit
hallo birgit,
ja das stimmt.
als marita bei ‘textile news: freiheit’ mitgemacht hat, hatte sie ein originelles teil ganz aus knöpfen hergestellt, die alle mit der hand zusammengefügt waren, betitelt ‘free formation’.
marita ist ausserdem seit einigen jahren auf dem upcycling-weg und verwendet in ihren quilts gestrickte teile wieder. sie war damit bei der letzten triennale erfolgreich und anschliessend noch auf dem cover vom showguide beim festival of quilts 2013. hier im blog habe ich eine ihrer arbeiten mal gezeigt, und zwar in dem bericht über den wettbewerb ‘Imagine …’:
https://blog.bernina.com/de/2014/12/europaeisches-patchwork-meeting-impressionen3/
‘sweet city’ ist auch handgequiltet. aber sie beherrscht auch die maschine perfekt 🙂 zum ersten mal ist mir marita lappalainen bei einer ausstellung von spitzen (ein wettbewerb aus belgien), der wohl 2004 in heidelberg in der textilsammlung max berk gezeigt wurde, mit einer arbeit ganz aus fischschuppen aufgefallen. sie erinnert an einen altägyptischen halskragen und ist auch auf ihrer website abgebildet. und ich denke, dass z.b. das stück mit der maschine angefertigt ist.
ein schönes wochenende und
beste grüsse
gudrun
Guten Morgen Gudrun,
Dankeschön fürs Mitnehmen nach Finnland!
1977 haben wir mit der “Ente” das Nordkapp erkundet. Auf dem Rückweg über Schweden waren wir an der finnischen Grenze. Einreisen war damals, ich weiß nicht mehr genau, nicht oder kaum möglich, weil Finland mit dem Osten verbandelt war. Sonst hätten wir einen Abstecher dorthin gemacht.
Nebenbei: Gestern habe ich in einem Baumarkt Übertöpfe gesehen, die mich sehr an die von Dir gezeigten berühmten Vasen erinnert haben. Die kannte ich vorher nicht, aber dank meiner regelmäßigen Lektüre des Bernina-Blogs konnte ich einordnen, von wo das Design der Übertöpfe entlehnt wurde. Kannste mal sehen: Deine Blog-Beiträge bilden 🙂
Liebe Grüße Annette.
halli hallo annette,
danke sehr für deine netten zeilen.
beim nordkapp kann ich leider nicht mitreden, aber mein sohn hat einen ausflug an den inarisee gemacht, der nördlich des polarkreises in finnland liegt, und von dort aus noch einen abstecher nach norwegen. und erzählte uns anschliessend, es seien total unterschiedliche landschaften.
und zum thema baumarkt-übertöpfe: irgendwo müssen die ideen ja hergenommen werden … sind notfalls nicht (ganz) auf eigenem mist gewachsen. das phänomen kennt man ja auch.
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
danke für die tollen Eindrücke. Finnland hat wirklich ein ganz eigenes Design hervorgebracht. Wenn’s dort bloß nicht so lange kalt wäre…Aber irgendwann wird ein Besuch klappen, denn Freunde von mir haben eine kleine Insel in der Bucht von Helsinki (sie ist gebürtige Finnin). Allerdings kommt für mich nur der Sommer, infrage.
Liebe Grüße
Birgit
halli hallo birgit,
vielen dank für deine netten anmerkungen. die schärenlandschaft vor der küste konnten wir nur vom flugzeug aus sehen und das weltkulturerbe ‘suomenlinna’ war jahreszeitlich bedingt noch geschlossen. also, nochmal hin im sommer!!
bezüglich des ganz eigenen finnischen designs habe ich, seit ich finnische textilkünstlerinnen kenne, bemerkt, dass man dort auch ‘andere’ quilts näht. guck doch mal hier bei marita lappalainen
http://www.maritalappalainen.fi/
und bei ihrer freundin maire koivisto
http://mairekoivisto.webs.com/
die beiden sind übrigens ganz, ganz nette damen.
beste grüsse
gudrun
Vielen Dank für die wunderbaren Bilder.
Auch ich habe mich auf die Reise mitgenommen gefühlt.
Herzliche Grüße
Pia René Schmitt
halli hallo pia rené,
lieben dank auch dir für dein lob. obwohl der blick durch spiegelnde schaufensterscheiben ja nicht gerade optimale fotos ergibt …
beste grüsse
gudrun
Herzlichen Dank, dass ich mitkommen konnte in ein Land, welches ich gerne selbst einmal besuchen würde. Danke auch für die tollen Fotos mit dem genialen Blick duch das Objektiv. Viele Grüße von Regina Langbein
halli hallo regina,
herzlichen dank! darf ich mal ganz neugierig fragen, was dich persönlich an der reise nach finnland reizt? diese reaktion konnte ich, wie im bericht schon gesagt, bei 95 % der antworten beobachten.
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun, in erster Linie die Landschaft. Aber auch mit offenen Augen durch große Städte laufen. Meine Augen suchen die kleinen Dinge, die man häufig übersieht und für andere nicht wert sind, fotografiert zu werden. Ich war schon in Norwegen, auch ein tolles Land. Bald ist Ruhestand, dann(so hoffe ich) kann ich solche Reisen planen. Viele Grüße von Regina
ja, regina, das ist doch eine gute aussicht! vor allem hat man unterwegs in den meisten fällen auch mal zeit, um sich umzusehen und um sachen zu entdecken, an denen man sonst vielleicht einfach vorbeirennt. ich habe ja ausser der kamera noch mein skizzenbuch einstecken. aber dafür wars diesmal einfach zu kalt und zu windig. jedenfalls outdoors 🙂
Hallo Gudrun, wieder ein sehr interessanter Bericht. Danke, dass du uns mitnimmst, auf deine “Bilder(buch)reise” .Viele Grüsse
halli hallo klothilde,
freut mich sehr zu lesen – vielen dank! obwohl wir ausserhalb der ‘finnischen saison’ und über die osterfeiertage, an denen (wie bei uns) fast alles geschlossen war, unterwegs waren, hatten wir doch glück, trotzdem so viel interessantes sehen zu können. die restlichen 750 fotos erspare ich euch aber 🙂
beste grüsse
gudrun