Noch bis zum 2. August 2015 zeigt das Museum für Ostasiatische Kunst Köln (wie bereits angekündigt) die Ausstellung ‘Boro – Stoffe des Lebens / The Fabric of Life’, die rund 50 seltene, zwischen 1850 und 1950 in Japan entstandene Kleidungsstücke und Gebrauchstextilien umfasst. Die Schau basiert auf einer von der Domaine de Boisbuchet CIRECA (Frankreich) 2013 organisierten Wanderausstellung und ist im Zusammenhang mit der Diskussion um ‘fast fashion’ aktueller denn je.
Das japanische Wort ‘boro’ bedeutet ‘zusammengeflickt’ und bezeichnet hier die in Indigoblau gefärbten Flickengewänder der japanischen Landbevölkerung. Teure Baumwollstoffe waren der Oberschicht vorbehalten. Als abgetragene Lumpen gelangten sie preisgünstig in die Hände der Bauern, die daraus nicht nur eindrucksvolle Kleidung von hohem ästhetischem Reiz schufen: Neben Kimonos und Arbeitskleidung entstanden z.B. auch Futons oder Bettdecken aus den Baumwollstoffresten.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren grosse Teile Japans so arm, dass die Bevölkerung nicht in der Lage war, neue Textilien zum Anziehen oder auch für das Bett zu kaufen. Besonders im Norden war die Baumwolle extrem kostspielig. Der Erwerb von gebrauchten Stoffen ermöglichte es der bäuerlichen Bevölkerung, sich patchworkartige Textilien herzustellen, die immer wieder repariert und sogar von Generation zu Generation weitervererbt wurden.
‘Boro-Textilien gehörten zur einfachen Bevölkerung und repräsentieren eine kollektive Vergangenheit der Verarmung’, erklärt Stephen Szczepanek, ein New Yorker Galerist, aus dessen Privatsammlung die meisten Boro-Exponate stammen. ‘Nachdem sich Japan Mitte des 20. Jahrhunderts gesellschaftlich in Richtung Modernisierung und Urbanisierung umgestaltete, gerieten die Boro-Textilien weitgehend in Vergessenheit. Sie sind jedoch als greifbare Verkörperung eines kulturellen Erbes geblieben, das jetzt kritisch überdacht wird.’
In der Tat werden einige grundlegende Prinzipien der traditionellen japanischen Ethik und Ästethik, wie z. B. shibui, wabi-sabi oder mottainai diskutiert, Konzepte, die für den Respekt der Einzigartigkeit der Dinge und im Gegensatz zum Lebensstil der heutigen Konsumgesellschaft stehen. In ihrer minimalistischen Schönheit demonstrieren die Boro-Textilien künstlerische Kreativität und positive Bejahung allen Seins, aber auch den Respekt vor dem natürlichen Material und der Arbeit der Hände.
Darüber hinaus weisen die Boro-Textilien eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der Ästhetik der Collagen in der modernen Kunst auf: Man fühlt sich an Künstler wie Paul Klee oder Robert Rauschenberg erinnert – eine Inspirationsquelle für heutige Designer und gleichzeitig ein Denkanstoss für Konsumenten.
Vorläufer der Boro-Textilien waren die buddhistischen Mönchsumhänge, die ‘kesa’ genannt werden. Sie wurden als Ausdruck des buddhistischen Armutsideals ebenfalls aus Flicken zusammengesetzt. Aus der museumseigenen Kölner Sammlung sind herausragende Stücke in die Boro-Ausstellung integriert.
Auf der website der Domaine de Boisbuchet CIRECA sind noch detailliertere Informationen (fr/en) und weitere Abbildungen zu finden.
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Info:
28. März – 2. August 2015
Boro – Stoffe des Lebens
Museum für Ostasiatische Kunst Köln
Universitätsstrasse 100
50674 Köln
www.museum-fuer-ostasiatische-kunst.de
Infos und Fotos freundlicherweise vom Museum für Ostasiatische Kunst Köln zur Verfügung gestellt – vielen Dank!
halli hallo,
herzlichen dank für euer freundliches feedback!
ausstellung und thema haben mich so fasziniert, dass ich die stichworte shibui, wabi-sabi und mottainai mal näher recherchiert habe. es sprengt den rahmen des ausstellungshinweises, aber es lohnt sich, wenn man sich mit diesen ethisch-ästhetischen prinzipien aus japan befassen will.
in diesem zusammenhang noch ein buchtipp:wabi-sabi art workshop von serena barton (north light books) beschäftigt sich mit mixed media techniken und ist inspiration pur, eine augenweide mit praxistipps.
eine schöne neue woche und
beste grüsse
gudrun
Liebe Gudrun!
Dein Beitrag ist schon vier Jahre alt, und ich bin erst jetzt darauf gestoßen. Ich bekomme immer von einer Bekannten die alten Hefte von Textilkunst. Gestern habe ich auf einer längeren Autofahrt die Ausgabe Juni 2018 gelesen. Dort gab es einen Bericht über Boro und den Hinweis, dass in Köln 2015 eine Ausstellung über diese Technik gab. Im Textilmuseum Krefeld fand vom 7. bis 9.10.2018 ein Workshop mit der Künstlerin Claudia Merx statt, bzw. Sollte stattfinden. Ich habe heute mit Frau Merx telefoniert, es gab nur drei Anmeldungen. Bei meinen Recherchen im Internet fand ich Dich. Ich würde gerne einmal telefonisch mit Dir Kontakt aufnehmen, um mit Dir über Deine Erfahrungen zu sprechen. Ich bin 74 Jahre alt (gefühlt 54), bin seit Jahren in einer Nähgruppe, aber mein Hobby ist „aus alt mach neu“!
Diese Boro Technik würde mich wahnsinnig interessieren. Ich werde mich mal auf die Suche machen, ob hier oben in Bremen und Umgebung jemand ist, der mir da weiterhelfen kann. Aber Deine Erfahrungen interessieren mich auch sehr. Wenn Du Dich meldest, gebe ich Dir meine Tel. Nr.
Herzliche Grüße Anne
Guten Morgen, liebe Anne
Gudrun ist derzeit im Urlaub und wird in den nächsten Wochen nicht im Blog aktiv sein. Ich sende Dir gleich ihre E-Mail-Adresse. Am besten nimmst Du dann auf diesem Weg Kontakt mit Gudrun auf.
Liebe Grüsse
Matthias
Hallo Gudrun,
genaugenommen der Ursprung unserer heutigen Arbeiten. Einfach schön. Ein spannender Bericht, danke.
Liebe Grüße
Birgit
Liebe Gudrun !
Eine sehenswerte Ausstellung und – wie immer – ein sehenswerter, spannender Bericht von Dir.
Vielen Dank!
Liebe Grüße
Wiebke
Hallo Gudrun,
Danke für die schönen Bilder! Die location passt perfekt.
Liebe Grüße Annette.
Whoooow, Danke Gudrun! Es ist toll, so umfassend über diese interessante Ausstellung informiert zu werden. Ich werde sie auf jeden Fall besuchen!
LG monika