Kreative Artikel zum Thema Quilten

Furor floralis

Derzeit machen Blumen im Textilmuseum St. Gallen Furore: Die Ausstellung ‘Furor floralis’ widmet sich den facettenreichen Erscheinungsformen floraler Motive auf europäischen Textilien aus fünf Jahrhunderten. Die Schau lenkt die textile Pflanzenpracht, indem sie sie historischen Gartentypen gegenüberstellt und sich mit den Zusammenhängen zwischen Gartengestaltung und Textildesign auseinandersetzt.

Der Weg führt vom mittelalterlichen Paradiesgarten über den streng gegliederten Renaissancegarten, die barocken Parterres de Broderie, zu den malerischen Landschaftsgärten und den Gärten des 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind Stoffe aus den Beständen des Textilmuseums St. Gallen, historische Kostüme sowie Kleider zeitgenössischer Modedesigner wie Peter Pilotto und Mary Katrantzou. Gartenpläne und historische Bücher illustrieren die Entwicklung des Gartens vom Mittelalter bis in die Moderne.

Kleider von Peter Pilotto (rechts und Mitte) sowie von Mary Katrantzou (links) vor einem Stoff von Maja Isola für Marimekko. Foto: Stefan Rohner

Kleider von Peter Pilotto (rechts und Mitte) sowie von Mary Katrantzou (links) vor einem Stoff von Maja Isola für Marimekko.
Foto: Stefan Rohner

Die Mode liebt Blumen – zeitweise exzessiv, dann wieder etwas zurückhaltender. Dass florale Muster je ganz fehlen, ist undenkbar. Die Darstellung von Pflanzen gehört in der westlichen Welt zu den bevorzugten Motiven des Textildesigns. Grund genug für das
Textilmuseum St. Gallen, dem Thema eine umfangreiche Ausstellung zu widmen. Um die Blumenfülle in den Griff zu bekommen bedarf es einer zähmenden Hand: Dies übernehmen die Textildesignerin Annina Weber, unterstützt von der Landschaftsarchitektin Sophie von Schwerin. Entsprechend sind die Stoffe entlang den historischen Gartentypen geordnet.

Im Vordergrund zu sehen ist eine Robe von 1740-1760, im Hintergrund eine Herrenweste von 1720-1740. Foto: Stefan Rohner

Im Vordergrund zu sehen ist eine Robe von 1740-1760, im Hintergrund eine Herrenweste von 1720-1740.
Foto: Stefan Rohner

Stoffe und Gärten – eine ungewöhnliche Kombination? Nein, findet Annina Weber, denn Textildesignerin und Landschaftsarchitektin bändigen beide auf ihre Weise die Natur: Sie wählen und kombinieren die Pflanzen, ordnen diese im Raum oder auf der Fläche an. Ungemeine Faszination für den Gartenliebhaber, unerschöpfliches Repertoire an Farben und Formen für den Textilentwerfer: Pflanzen sind Augenschmaus und Inspiration in einem. Gärten und Stoffe korrespondieren dabei auf überraschende Weise und
Gestaltungsprinzipien, die im Gartenbau modern sind, können auch auf Stoffen auftauchen – oder umgekehrt. ‘Gärten und Textilien sind stets unmittelbarer Ausdruck von Modeströmungen, Zeitgeist und Lebensgefühl. Sie spiegeln den Wandel des Verhältnisses von Mensch und Natur wider’, ergänzt Michaela Reichel, Direktorin des Textilmuseums.

Floral gemusterte Stoffe, Gärtenpläne, historische Pflanzen- und Gartenbücher stehen einander in der Ausstellung gegenüber und zeigen, wie ähnlich sich die Konzepte teilweise sind: Im Barock zum Beispiel, wo der Mensch sich als Herrscher der Natur sieht, folgen Gartenanlagen und textile Muster deutlich sichtbar streng formalen Regeln.

Ausstellungsansicht mit Barocktextilien und Bauplan im Stil des Barock. Foto: Stefan Rohner

Ausstellungsansicht mit Barocktextilien und Bauplan im Stil des Barock.
Foto: Stefan Rohner

Um 1900 dominiert der Wunsch nach Natürlichkeit. Landschaftsarchitekten und Textildesigner erschaffen die gewünschte Version einer harmonischen, gefahrlosen und schönen Natur und verbergen die Struktur der Entwürfe hinter scheinbarem ‘Furor’. Was vermeintlich wild und natürlich ausschaut, ist in Wahrheit strikt durchgeplant.

Vorne zu sehen ist ein Kleid der Wiener Werkstätte von 1915. Das Kleid hinten stammt aus den 1970er Jahren als die Muster der 1910/20er Jahre wiederentdeckt worden sind. Foto: Stefan Rohner

Vorne zu sehen ist ein Kleid der Wiener Werkstätte von 1915. Das Kleid hinten stammt aus den 1970er Jahren als die Muster der 1910/20er Jahre wiederentdeckt worden sind.
Foto: Stefan Rohner

Die Ausstellung gliedert sich entlang einer zeitlichen Achse in sieben ‘Gärten’, die unter verschiedenen Schlagworten wie z.B. Nutzen & Zierde oder Pracht & Künstlichkeit stehen. Im Mittelpunkt jedes ‘Gartens’ steht ein für die entsprechende Zeit typisches Textilmuster, anhand dessen die Designerin Gestaltungsprinzipien auf Stoffen, die Landschaftsarchitektin dem jeweiligen Garten nachspürt.

Blick in den Saal mit den Textilien und Druckwerken zur Renaissance und Mittelalter. Foto: Stefan Rohner

Blick in den Saal mit den Textilien und Druckwerken zur Renaissance und Mittelalter.
Foto: Stefan Rohner

Ringsum gruppieren sich weitere Stoffe, Bücher und Gartenansichten, die Einblick in die Fülle und Variationsbreite innerhalb einer Epoche geben. Sie belegen aber auch das Fortdauern von Stilen in späterer Zeit: So fügt sich ein Kleid von Mariano Fortuny aus der Zeit um 1910 problemlos in die renaissancezeitliche Gruppe ein, zitiert doch der Stoff das für das 16. Jahrhundert typische ‘Granatapfelmotiv’.

Ein Kleid von Mariano Fortuny mit Muster im Stil von Renaissance-Geweben aus den Jahren 1912/15. Im Hintergrund ein Druckstoff von Evelyn Redgrave von 1968. Foto: Stefan Rohner

Ein Kleid von Mariano Fortuny mit Muster im Stil von Renaissance-Geweben aus den Jahren 1912/15. Im Hintergrund ein Druckstoff von Evelyn Redgrave von 1968.
Foto: Stefan Rohner

Arbeiten des österreichischen Textilentwerfers Josef Frank der 1930er Jahre lassen sich aufgrund der Art, wie Pflanzen dargestellt werden, dem Mittelalter anschliessen. Ein Modell von Mary Katrantzou aus dem Jahr 2011 fügt sich in den barocken Garten. Aber auch in der Gartenbaukunst greift man historische Vorbilder auf: So entwirft der bekannte St. Galler Landschaftsarchitekt Hermann Wartmann 1907 den Park der Villa Wahnsinn im Stil des Barocks. Dieses zeitüberspannende Wandern zwischen Gärten und Textilien macht den besonderen Reiz dieser Ausstellung aus.

Der Barock war eine besonders blumige Epoche – sowohl für Damen als auch für Herren. Die englisch-griechische Designerin Mary Katrantzou verwendet barockähnliche Blumenmuster für ihre Kreationen (rotes Kleid in der Mitte). Foto: Stefan Rohner

Der Barock war eine besonders blumige Epoche – sowohl für Damen als auch für Herren. Die englisch-griechische Designerin Mary Katrantzou verwendet barockähnliche Blumenmuster für ihre Kreationen (rotes Kleid in der Mitte).
Foto: Stefan Rohner

Dass sich Textildesigner bei der Gestaltung der Muster viele Freiheiten herausnehmen, stellt Sophie von Schwerin bei der botanischen Bestimmung der ‘textilen’ Pflanzen rasch fest – eine Rose ist doch nicht immer eine Rose, lautet ihr Resümee. Darin sieht Annina Weber die kreative Freiheit der Entwerfer, die sich aus einzelnen Versatzstücken Fantasiepflanzen schaffen oder natürliche Pflanzen unabhängig von ihrer Blütezeit kombinieren.

Ansicht der Ausstellung Furor floralis mit Blumenmustern aus oder im Stil der 1950er/60er Jahre. Foto: Stefan Rohner

Ansicht der Ausstellung Furor floralis mit Blumenmustern aus oder im Stil der 1950er/60er Jahre.
Foto: Stefan Rohner

Wie Heinrich Heine sagt, sind Düfte die Gefühle der Blumen. Und so können in den Ausstellungsräumen die Düfte der Modepflanzen der jeweiligen Gärten gerochen werden: Erdbeeren und Lilien im Mittelalter, die Tuberose, eine der Lieblingsblumen von Louis XIV, im Barockgarten, Pfingstrosen im Reformgarten und Gräser und Gehölze im Garten der Moderne.

Die Kuratorin Annina Weber und die Duftinstallation in der Ausstellung, in der Modepflanzen der jeweiligen Epoche gerochen werden können. Foto: Stefan Rohner

Die Kuratorin Annina Weber und die Duftinstallation in der Ausstellung, in der
Modepflanzen der jeweiligen Epoche gerochen werden können.
Foto: Stefan Rohner

Den Weg durch das Dickicht der Textilien und Gärten planten die beiden Luzerner Szenografen Bernhard Duss und Marcel Glanzmann: Grosse Farbflächen an den Wänden bieten den auf Stoffen wuchernden Pflanzen einen idealen Hintergrund und setzen die Gartentypen durch verschiedene Farbstimmungen deutlich voneinander ab. Der Zürcher Landschaftsarchitekt Guido Hager und der australische Kostümhistoriker Peter McNeil halfen dem Team um Annina Weber inhaltlich auf dem rechten Pfad zu bleiben, ebenso wie die zahlreichen öffentlichen und privaten Leihgeber. Die Ausstellung erfolgt in Kooperation mit dem ILF Institut für Landschaft und Freiraum, Fachbereich für Theorie und Geschichte der Landschaftsarchitektur, HSR Hochschule für Technik Rapperswil.

***

Info:

26. August 2015 – 1. März 2016

Furor floralis

Textilmuseum St. Gallen
Vadianstrasse 2
9000 St. Gallen
Schweiz

www.textilmuseum.ch

Öffnungszeiten:
täglich 10 – 17 Uhr
Sonderöffnung und Gruppenbesuche auf Anfrage

Öffentliche Führungen:
So, 13. September 2015 / 8. November 2015 / 10.Januar 2016 um jeweils 11 Uhr

Zur Ausstellung ist der Begleitband ‘Furor floralis’ erschienen.

Veranstaltungsprogramm

Museumsnacht am Sa, 5. September 2015, ab 18 Uhr

Infos und Fotos freundlicherweise vom Textilmuseum St. Gallen zur Verfügung gestellt – vielen Dank!

 

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