Als ich vorletzte Woche bei BERNINA International AG in Steckborn war um u.a. meinen Leinenquilt an der Longarm Q24 fertigzustellen, hatte ich auch noch eine weitere Arbeit im Gepäck. Ein erstes Stück für eine neue Ausstellung “reFUGEes”.
Ein grauer Bogen vorgewaschenen KraftTex (sehr ähnliches Material wie SnapPap, jedoch deutlich fester und noch besser zu quilten) gestaltete ich bereits im Vorfeld mit unterschiedlichen Drucktechniken. Für diese neue Ausstellung gab ich bei einer Kunststudentin aus den Niederlanden, Anthea Engelhard, vier Portraits in Auftrag. Ein erstes davon fand nun bereits in die erste Arbeit hinein.
Die Q20 verfügt, wie bereits in meinem ersten Blogbeitrag dazu berichtet, über 3 unterschiedliche BSR Modi, dazu einen manuellen Modus, der ohne Stichlängenregulation arbeitet. Ebenfalls hat dieser Modus den Vorteil, dass man Fullspeed, also mit 2200 Stichen pro Minute quilten kann. Es entsteht eine fantastische Stichdichte!
Auf einem Probestück quiltete ich den ersten Kopf aus und bekam ein Gefühl für die Konturen, wo wieviel Faden hinsollte, wo weniger mehr war, wie das Garn Struktur in die Gesichtszüge brachte.
Dann griff ich relativ schnell zum grossen Bogen des festen Papiergewebes und begann nach und nach die Gesichter und Köpfe mit der Q20 auszuarbeiten. Grob zu schraffieren, fein auszumalen, zu skizzieren.
Pupillen ausmalen, mit einer Exaktheit und Feinheit, die ich selbst von meiner BERNINA 880 nicht kenne. Das macht die neue Longarm Q20 aus – das Stichbild ist hundertprozentig genau.
Augen-blicke
Der erste Arbeitsgang war geschafft, mit dem Ausarbeiten der Konturen war ich soweit fertig. Einige Drucke blieben unbelassen.
Zuvor hatte ich mir bereits überlegt, was diese Arbeit bekommen sollte und wie ich das erreichen wollte: die Heftfunktion, die normalerweise für das Zusammenheften der drei Lagen beim klassischen Quilt verwendet wird, kann bei den BERNINA Longarm Q24 und Q20 über die BSR 3 -Funktion abgerufen werden. Diese Funktion bietet 3 unterschiedliche Stichlängen auf 1 Inch an – entweder 1 Stich/Inch; 2 Stiche/Inch oder 4 Stiche/Inch.
Und mit diesem Heftstich könnte ich auf dieser Arbeit Schraffuren erzeugen, die an Zäune, Drähte, Grenzen erinnern.
Also nahm ich erneut das Musterstück zur Hand und wagte erste Versuche mit der Heftstichfunktion. Perfiderweise hörte sich das Durchstechen der Nadel durch das dicke feste Papiermaterial und der gleichmässige Stichrhythmus wie Maschinengewehrfeuer an. Tanja, die gute Seele des CreativeCenters schaute immer mal wieder zu mir rüber und empfand es, in Zusammenhang mit dieser Arbeit ebenso. Es war bedrückend und faszinierend zugleich. Wie Nähtechnik und Umsetzung von Bildern weitere Assoziationen wecken können.
Das grosse Arbeitsstück fand zurück auf die grosse Arbeitsfläche und ich begann erneut zu malen. Was Euch/Ihnen bei diesen Bildern in den Sinn kommt, überlasse ich Euch/Ihnen nun ganz allein…
Und trotz allem war ich natürlich von dem Arbeiten mit der BERNINA Q20 wieder hellauf begeistert. Diese Maschine macht einfach nur Spass! Und selbst hier beim Quilten in der Heftfunktion gab es keine Probleme mit Fadenrissen, obwohl ich das grosse Arbeitstück schon gründlich hin- und herbewegen musste, um diese Stichdichte zu erreichen.
Und dann war der Punkt erreicht, wo es genug war, genug an Linien und Schraffuren. Mal schaun, wie sich diese Arbeit weiterentwickeln wird. Vielleicht passiert auch gar nicht mehr viel daran.
Es wäre ein ganz anderes Arbeiten mit anderen Ergebnissen gewesen, hätte ich diesen grossen sperrigen Bogen mit meiner BERNINA 880 gequiltet. Der Platz und die Möglichkeiten, die mir die Q20 bietet lassen mich bereits jetzt in meinem künstlerischen Arbeiten umdenken. Grösser denken. “Dream Big, Think Big, Quilt Big”.
Viele Grüße,
Jutta Hellbach
Hallo Jutta vielen Dank für Deine Antwort.Schade dass Du es mir nicht zeigen kannst.LG Jacqueline
Hallo Jutta,eine Frage ,Pam Holland gestaltet Bilder ähnlich wie Du gezeigt hast.Würde mich sehr intressieren wie sie genau vor geht .Sie benützt dazu Fotos ,diverse Stoffe und Käseleinen für das “Gerüst”.Sie schneidet einzelne detail aus der Käseleine aus danach quiltet Sie wenn mir recht ist mit der Bernina Q20.Hättest Du da ev ein paar Tipps wie das geht genau.Wäre super nett.LG Jacqueline Lüscher
Hallo Jacqueline,
ich habe mir soeben die Arbeiten von Pam angesehen und stelle fest, dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit meinen hat, sie auch mit ganz anderen Materialien arbeitet.
Wenn du an ihren Techniken interessiert bist, empfehle ich dir, sie direkt anzuschreiben und anzufragen, wann du die Möglichkeit hättest einen Kurs bei ihr zu buchen um diese Techniken aus erster Hand zu erlernen.
Viele Grüße,
Jutta
Einfach nur beeindruckend, aber auch bedrückend!
Liebe Grüße Birgit
Vielen lieben Dank für die anerkennenden Worte zur bisherigen Arbeit. Ich möchte dazu auch gar nicht viel mehr schreiben, denn Ihr habt bereits alles gesagt. Danke.
Viele Grüße,
Jutta
hallo jutta,
SUPER!
thematisch treffend und gedanken auslösend, genau, das, wodurch sich kunst (auch) auszeichnet. ein statement zur aktuellen situation.
und technisch ebenfalls genial, besonders die zweckentfremdung eingebauter funktionen. genau dies hat schon öfter zu tollen neuen wegen geführt.
du machst das maschinchen sämtlichen sich zeichnerisch ausdrückenden textilschaffenden mehr als schmackhaft!
beste grüsse
gudrun
Hallo Jutta,
aus meiner Sicht ist das bisherige Ergebnis Deiner aktuellen Serie nicht nur beeindruckend, sondern genial!
Als ich die Ankündigung dieser Serie auf facebook sah (hab keinen account, sonst hätte ich tatsächlich mal geliked), war ich sehr gepannt, wie sich das wohl weiterentwickeln würde. Ein Thema mit einer solch großen politischen Dimension wird, soweit ich das beurteilen kann, in der Textilkunst eher selten bis gar nicht (ich lasse mich gerne eines besseren belehren, wenn ich falsch liege!) aufgegriffen. Was bisher draus entstanden ist, sprengt jeden mir bekannten Rahmen des “auch das Grauen hat etwas Schönes”, eben weil die Umsetzung so schonungslos düster ist wie die Realität für die Flüchtlinge, die, nachdem sie, um zu überhaupt zu überleben, ihre Heimat verlassen haben, vor Zäunen und Stacheldraht stehen… Die farbigen Pupillen geben einzelnen Flüchtlingen ein “Gesicht” und somit eine Persönlichkeit. Dies macht die Arbeit noch eindrucksvoller und bedrückender.
Dir meinen allergrößten Respekt für das Aufgreifen und diese Darstellung dieser sehr aktuellen Problematik und bereits jetzt den Ausstellungmachern, die diese Arbeit zeigen werden. Damit wird viel mehr für die weitere Anerkennung der Textilkunst als Kunstform erreicht als mit jeder Debatte, wie sie zu definieren sei…
Ach ja, und zur Q20: Ist das Stichbild tatsächlich genauer als bei der B880 (Stichwort “Augen-blicke”) oder liegt die größere Präzision darin begründet, dass durch den großen Tisch die Führung einfacher fällt?
Danke und liebes Grüßle Annette.
Hallo Annette,
zum Quilten mit der Q20 und dem Stichbild möchte ich noch schnell etwas schreiben. Das verarbeitete Material ist ja nicht stoffähnlich, sondern geht mehr in den Bereich Papier/Pappe und da haben selbst die ganz teuren Nähmaschinen schonmal Probleme mit einem exakten Stichbild, egal, wieviel man an der Fadenspannung dreht und stellt. Diese Longarm verarbeitet dieses Material allerdings mit einem tatsächlich hervorragenden Stichbild. Damit meinte ich eben gerade nicht, ob ich das Material entsprechend exakt und akkurat führe um beispielsweise Pupillen nachzumalen, sondern ausschliesslich die Stichqualität, die auch beim kreuz und quer quilten gleich bleibt. Es hat also, so wie ich es meinte, nicht mit dem “Anwender” zu tun, sondern mit der technischen Leistung der Maschine.
Viele Grüße,
Jutta
Liebe jutta!
Du hast hier ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen, das uns alle beschäftigen soll und muss.
Deine beeindruckenden Bilder regen zum Nachdenken an.
Und das sollen sie ja auch – genau richtig macht Du das.
Vielen Dank
Wiebke
Hallo Jutta,
das Ergebnis ist beeindruckend!
Jedoch macht es auf mich einen recht düsteren Eindruck und hinterlässt ein beängstigendes Gefühl. Wenn die ganze Ausstellung so wird, kann sie einem das Fürchten lehren.
Ich wünsche dennoch viel Erfolg
Pia René
Hallo Pia,
wohin die Arbeiten (mich) führen kann ich nun noch gar nicht beurteilen und voraussehen.
Jedoch ist Kunst auch dazu da, wachzurütteln und aufzuzeigen.
Und dass diese Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, dies mit nackter und brutaler Angst tun und das Fürchten längst gelernt haben, zeigt diese Arbeit deutlich.
Jedoch ist Flucht auch immer mit Hoffnung verknüpft und Hoffnung ist hell, lebendig, farbig.
Viele Grüße,
Jutta
Na, da dürfen wir ja sehr gespannt sein, wie es weitergeht.
Ich freu’ mich drauf.
Herzliche Grüße
Pia René
Hallo liebe Jutta,
ich persönlich würde ja noch irgendwo eine rote Spirale einbauen 😀
Du weißt, wie ich das meine 😉
Ich empfinde diese Arbeit auch als SEHR wachrüttelnd und spontan hätte ich doch irgendwo nen Klecks roter Farbe mit drauf gepackt – ich dachte da so an: Diese kleinen “Wasserbomben” (mh, was für ein Wort in diesem Zusammenhang) gefüllt mit flüssiger roter Farbe und dann diese “Blutbombe” mit aller Wucht auf eine Stelle werfen…..
Das war mein erster Gedanke, als ich las, dass du überlegst, ob du noch weiter daran arbeiten musst/möchtest/sollst….
Bin gespannt, wo es dich weiter hin führt!
Hallo Jutta
Das sieht so toll aus, einfach grandios. Ich bin schon auf die weiteren Stücke für Deine Ausstellung gespannt. Vielen Dank, dass Du uns daran teilhaben lässt!
Herzliche Grüsse
Monika
Hallo Monika,
vielen Dank, du wirst dieses erste Stück bei den Kreativtagen in meinem Workshopbereich im Original sehen können.
Bis bald und liebe Grüße,
Jutta