Kuhfelle in allen Farben und Schattierungen zieren seit Jahrhunderten die Wohnbereiche des Menschen. Ob als Zur-Schau-Stellung, als Teppichersatz oder einfach als Wohlfühlobjekt sei mal dahingestellt. Und ich habe auch schon oft mit einem solch grossen, weichen Fell geliebäugelt, wenn ich bei meinem Lederhändler die farbigen Lederhäute zur Taschengriffherstellung ausgewählt und gekauft habe. Doch um aus einem ganzen Fell dann zig Taschen zu nähen, war auch nicht mein Ding, schliesslich sind diese Häute nicht gerade billig.
Und vor ein paar Wochen beim Durchblättern der Angebote der “METRO” fand ich einen Eintrag, dass es Restposten an Kuhfellen gäbe – so lange der Vorrat reicht. Und mir war auch gleich klar, was ich daraus nähen wollte – einen Kuhfellteppich. Zerschnitten und wieder neu zusammengesetzt. In schwarz-weiss. Also rein ins Auto und hin zur METRO nach Ulm. Und da lagen sie. Ordentlich zusammengefaltet auf einem grossen Stapel lagen wenigstens zwanzig unterschiedlichster Felle. Fast zuerst fand ich ein grandioses grau-weiss-schwarz meliertes Fell. Das legte ich erstmal beiseite. Dann schaute ich mir die übrigen schwarz-weissen Felle an. Da hier der Schwarzanteil viel zu gering war, konnte ich mich auch nicht für sie entscheiden. Die restlichen Felle bestanden aus wunderschönen Brauntönen, jedoch würden sie damit farblich nicht passen. Ich schlug nochmals das graumelierte auf – schaute es an, prüfte die Rückseite, es war tadellos. Und doch konnte ich mich nicht entscheiden. Also machte ich zuerst meine restlichen Einkäufe und fuhr vor dem Bezahlen nochmals den Bogen zur Weide, schaute nochmals. So sehr mich das salt&pepper auch begeisterte, es würde mir als Teppich, der den Kontrast braucht, wenig nutzen.
Dann schaute ich am Abend im Internet herum und wurde gewahr, wie selten und unglaublich teuer diese salt&pepper (die melierten) Felle eigentlich sind. Tja, was habe ich wohl gemacht? Am nächsten Tag fuhr ich also gleich nochmals zur METRO und siehe da – da war jemand schneller als ich gewesen – und auch schlauer. Seis drum. So war es halt nun.
Da ich mein Vorhaben für diesen Kuhfellteppich jedoch nicht begraben wollte, bestellte ich mir über das Internet ein sehr schönes schwarz-weisses Kuhfell. Und wenige Tage später lag es dann schon auf meinen Arbeitstischen. Die Haut maß ca. 3,5 qm.
Zuerst zeichnete ich mit dem grossen Lineal Linien im Abstand von 10cm auf die Rückseite des Fells, die aus Wildleder besteht. Mit dem Kugelschreiber liessen sich schöne gerade Linien zeichnen.
Meine ältesten Schneidematten legte ich unter, ich konnte nämlich nicht abschätzen, ob beim Schneiden des Fells die feinen Haarreste zwischen den offenen Schnittkanten der Matte hängen bleiben würden. Aber dem war nicht so.
Zuerst schnitt ich 2/3 der kompletten Rinderhaut in 10 cm breite Streifen, das ging im Grunde ganz einfach, mit Lineal und Rollschneider, jedoch war es schon eine ziemliche Sauerei was den Abschnitt der unzähligen Haare anging. So lief neben dem Schneiden der Staubsauger und jede Bahn wurde sogleich abgesaugt, ausgeschüttelt und nochmals abgesaugt. Da minimierte ungemein.
Dann unterteilte ich die einzelnen Streifen in weitere 10cm Segemente, so dass ich schlussendlich 10cm x 10cm Quadrate erhielt. Und jedem Schnitt säuberte ich mit dem Staubsauger.
Die geschnittenen Vierecke sortierte ich nach und nach in schwarz, weiss und gemischt, mit grossem Weiss- oder Schwarzanteil oder geringerem.
280 Vierecke gab das Kuhfell her, mit ganz wenig Verschnitt. So würde der Teppich auf ein gesundes Mass von 140cm x 200cm kommen.
Das Auslegen und Zusammenpuzzeln, neu ordnen, drauf schauen und nochmals tauschen war dann eine spassige Arbeit. Mein Mann war mit grösster Begeisterung dabei, obwohl er eigentlich viel lieber das Tier in der Rohfassung in der Küche auf dem Herd und/oder im Ofen verarbeitet. Es ist verrückt, wie sehr sich das Fell durch diesen Verschnitt und das neue Zusammensetzen verändert hat.
Ein erster Nähtest zeigt, dass der ganz einfache Zickzackstich die beste Zusammennäh-Methode ist. Als Garn verwende ich das MADEIRA Aerofil No.35, Extra Starkes Nähgarn, 100% Polyester Kernzwirn, als Unterfaden ein normales dünnes Polyestergarn.
Sicherheitshalber lege ich Reihe für Reihe der Zuschnitte aus, überprüfe anhand des Fotos die Richtigkeit der gelegten Vierecke, markiere und beschrifte.
Dann beginne ich Reihe für Reihe zusammenzunähen. Zum Sichern der Naht verschiebe ich die Nadelposition um 3 Schritte nach rechts und verwende eine Stichlänge von 0,65mm.
Die Kuhfellvierecke liegen absolut exakt nebeneinander, der Nähfuss wird abgesenkt, mit einigen Geradstichen, die wegen der geringen Stichlänge sozusagen auf der Stelle geschehen, vernähe ich das Garn.
Anschliessend wechsle ich zum Zickzackstich, Stichbreite 6,8mm, Stichlänge 1,45mm.
Hier braucht es nicht einmal einen speziellen Nähfuss, vollkommen unkompliziert und sauber näht die BERNINA 560 die Kuhfellzuschnitte nach und nach zusammen.
Es ist noch spannend zu sehen, dass eine der kleineren BERNINA Modelle, wie hier die 500er Serie auch dieses Material bestens bewältigt – meine BERNINA 880 ist zur Zeit beim Händler zum Service und Routinecheck, so kann ich nicht in Versuchung kommen, sie zu verwenden.
Sobald die einzelnen Vierecke zu langen Reihen zusammengesetzt sind, geht es an das Zusammenähen der ganzen Reihen. Hier zwinge ich mich langsam zu arbeiten, damit die Nähte gerade bleiben. Das Kuhfell ist zwar etwas elastisch, verzieht sich beim Nähen aber überhaupt nicht. Und auch die etwas raue Rückseite bremst nicht auf den Kunststoffflächen der Nähmaschine.
2 Zweierreihen finden zusammen.
Ganz unkompliziert.
Mit der Zeit wird es dann anstrengend. Hier kann ich nun nur Stück für Stück führen und zusammennähen, muss nachfassen, hochziehen, zusammenfügen, weiternähen. Doch es klappt. Bestens sogar. Die BERNINA näht zuverlässig, ohne einen einzigen Fadenriss, ohne das Stichbild zu verzerren.
Bald ist es geschafft.
WICHTIG! Es ist ganz wichtig, zwischen den einzelnen Arbeitsgängen immer wieder einmal die Nähmaschine zu reinigen. Unter der Stichplatte, sowie im Greifer finden sich trotz vorherigen Absaugens viele kleine Haare. Mit dem BERNINA Pinsel und Wattestäbchen lassen sie sich aber sehr gut beseitigen. Dann kann es schon weitergehen.
Die letzten 4 Reihen werden angenäht.
Der Kuhfellteppich bekommt als Abschluss eine Umrandung aus Naturkork. Hier wähle ich einen meiner neuen Naturkorkstoffe, der ein feines schwarzes Linienmuster hat. Angenäht werden die äusseren Korkstreifen ebenfalls mit dem Zickzackstich.
Und nun ist er endlich fertig. Er misst mitsamt Umrandung nun 150cm x 210cm. Der weiche Teppich ist nicht nur fürs Auge ein Genuss, es ist auch ganz wunderbar ihn unter den Fusssohlen zu spüren. Und ich bin gespannt, was Nachbarskatze dazu sagen wird, wenn sie uns das nächste Mal besuchen kommt. Noch ein kleiner Pflegetipp – der Teppich sollte regelmässig ausgeklopft und nicht gestaubsaugt werden.
Es war ein grosser Spass, dieses Objekt anzufertigen. Und wer auch schon länger mit solch einer Idee liebäugelt – nur rantrauen – es ist halb so wild! Es kommt nur auf das Rindvieh an. Wenns einmal durchs Nadelöhr geht, dann läuft es von ganz allein ;-).
Amüsierte Grüsse,
Jutta Hellbach
Hallo Frau Hellbach, ich freue mich, so einen schönen Artikel gefunden zu haben. Ich habe nämlich ein Zebrafell von meinem Opa geerbt u d würde dieses gerne würdig in der Wohnung platzieren. Allerdings nicht klassisch in seiner natürlichen Form an der Wand.viel lieber würde ich mehrere Quader zusammensetzen zu einem Rechteck und dies in einem Bilderrahmen platzieren. Allerdings finde ich seit Wochen niemanden, der mir das nähen würde. Haben Sie jemanden in Ihrem Netzwerk, der sowas machen würde? Oder evtl. sogar auch Sie? Ich würde natürlich gerne auch was dafür bezahlen.wenn Sie irgendeine Idee haben, wünsch zu meinem genähten Fell kommen könnte, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen. schöne Grüße, Thomas Hoffmann
Hallo liebe Frau Hellbach.
Vielleicht kann ich Ihnen einen Tipp geben, um die haarige Angelegenheit ein wenig abzuschwächen:
Statt eines Rollschneiders eignet sich sehr gut ein Skalpell. Mit der linken Hand lupft man das Fell ein bisschen und schneidet mit dem Skalpell quasi in der Luft, also ohne die Unterlage zu berühren, entlang der Linien das Leder durch. Auf diese Weise bekommt das Fell keinen “Haarschnitt”. So habe ich das einmal in einer Kürschnerei gelernt.
Gruß, Monika Wagner
Hallo liebe Frau Hellbach.
Vielleicht kann ich Ihnen einen Tipp geben, um die haarige Angelegenheit ein wenig abzuschwächen:
Statt eines Rollschneiders eignet sich sehr gut ein Skalpell. Mit der linken Hand lupft man das Fell ein bisschen und schneidet mit dem Skalpell quasi in der Luft, also ohne die Unterlage zu berühren, entlang der Linien das Leder durch. Auf diese Weise bekommt das Fell keinen “Haarschnitt”. So habe ich das einmal in einer Kürschnerei gelernt.
Ach ja, das Ergebnis ist wirklich äußerst überzeugend! Stuhl und Teppich sind eine fantastische Einheit.
Lieber Gruß, Monika Wagner
Liebe Jutta,
Ich finde deinen neuen Teppich absolut “kuhl“ und außerdem sehr mutig, so eine große Tierhaut zu zerschneiden ! Aber wenn das Resultat so überzeugend ist!
Viele Grüße aus München,
Stefanie.
Liebe Stefanie,
vielen Dank für deinen so unvereingenommenen und positiven Kommentar. Das tut mir richtig gut! Mit diesem Projekt habe ich mir in den letzten Tagen sehr vieles anhören müssen, vor allem unangenhmes und teils auch sehr unfaires.
Es scheint grad so zu sein, dass viele Näherinnen neuerdings nur noch in Gummischuhen herumlaufen und Plastiktüten in Verwendung haben…
Herzliche Grüße nach München,
Jutt
Liebe Jutta
Die Idee gefällt mir, um einen farblich hübschen, aber mustermässig ungeliebten Stoff zu verwandeln.
Kühe sind mir zu schön und zu einmalig, um ihr Fell verbessern zu wollen! Dass Du die Strichrichtung geändert hast, finde ich gut, das betont den künstlichen Charakter und zeigt, dass das Fell nicht “echt” wirken will.
Ich grüsse Dich freundlich, Renate.
Hallo Renate,
dass das Fell gar nicht unecht wirken kann und will, zeigt mir der tägliche Blick auf den Teppich. Der unterschiedliche Glanz und die ebenfalls unterschiedliche Haarstruktur könnte in einem Polyestermaterial kaum nachgeahmt werden.
Ausserdem geht es mir als Künstlerin gar nicht darum ein Material zu verbessern, sondern es umzugestalten und es in seiner Natürlichkeit und Schönheit nochmals anders wirken zu lassen.
Viele Grüße,
Jutta
halli hallo jutta,
ich persönlich habs nicht so mit fellen, aber es ist dir ein tolles zufallsmuster gelungen.
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
hier handelt es sich keineswegs um ein Zufallsmuster, sondern um genaue Planung zum Entwurf. Die durchgezählten Farbstücke (schwarz, weiss, grosser u. kleiner schwarzweiss Anteil) habe ich zuvor über den Computer in einer Excell Tabelle festgelegt. Nach einem ersten Auslegen auf dem Boden haben wir anschliessend noch kleine Feinheiten geändert, das Ganze noch zwei Tage liegen gelassen und immer wieder darauf geschaut, hier und da einzelne Zuschnitte gegeneinander getauscht, bis das Layout endgültig festgelegt war. Von Zufall kann hier also kaum gesprochen werden.
Gruss,
Jutta
halli hallo jutta,
da hast du natürlich vollkommen recht. aber vielleicht macht es die klasse eines so leicht wirkenden designs ja aus, dass man ihm die dahinter steckende entwurfsarbeit nicht auf den ersten blick ansieht?
beste grüsse
gudrun
Liebe Jutta,
das ist ja eine Fleißarbeit, die du dir da zugemutet hast. Aber das Ergebnis paßt wunderbar zu dem weißen Sessel und ist unter den Füßen sicher sehr agenehm . Eine geniale Idee , auf die man erst einmal kommen muß.
Liebe Grüße
Erika
Hallo Erika,
ja, Fleissarbeit kann man es nennen. Zwischendrin, beim Zusammennähen der unzähligen Zuschnitte habe ich mich immer wieder gefragt, warum ich mir das antue. Es gibt doch wahrlich spannenderes als Dinge auseinanderzuschneiden um sie dann wieder zusammenzunähen, doch sobald die ersten Reihen fertig waren und sich das Muster zeigte, spornte es zum weitermachen an.
Liebe Grüße,
Jutta
Sehr schön dein Kuhfellteppich, steht auch sehr gut beim Eames Stuhl.
Hallo Ingrid,
danke fürs Kompliment und ja, Teppich und Stuhl harmonisieren bestens und nun stellt sich die Frage. kommen die Füsse auf die Ottomane oder auf den Teppich?
Liebe Grüße,
Jutt
Liebe Jutta,
mit Fell/Leder hat man mich zwar so gar nicht, aber deine Idee und Umsetzung sind wirklich toll. Die Musterung ist faszinierend.
Liebe Grüße,
Bernadette
Liebe Bernadette,
merci, es ist wrklich spannend damit zu arbeiten.
Liebe Grüße,
Jutta