Manche Menschen bekommen Schweissausbrüche, wenn sie das Wort “Schrägband” hören. Ich bekomme hingegen Herzrasen. Vor Freude wohlgemerkt, denn Schrägband ist eines der tollsten Hilfsmittel, die ich kenne. Man kann mit den gefalteten Bänder verzieren, verblenden, verlängern, verstürzen – oder säumen. Heute soll es hier um die letztgenannte Variante gehen. Aber vorab ein paar Infos.
Schrägbänder gibt es in vielen Farben und unterschiedlichen Breiten, bedruckt oder uni, meistens aus Webware (gelegentlich auch aus Maschenware), mit Zierborte (beispielsweise wie auf dem Bild mit Häkelrand) oder ohne.
Wer jetzt glaubt, Schrägbänder seien einfach nur gebügelten Stoffstreifen, der irrt. Im Gegensatz zu normalen Geweben wird immer diagonal zum Fadenlauf (weisse Pfeile auf dem unteren Bild) geschnitten, daher auch der Name “Schrägband”. So ist gewährleistet, dass der an sich unelastische Webstoff doch etwas nachgiebiger wird. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit sich das Band nach dem Annähen nicht verzieht.
Zur Handhabung von Schrägband sei noch Folgendes gesagt: Es ist von Anfang an gebrauchsfertig. Also bitte niemals das Schrägband vorwaschen, und es auch nur aufbügeln, wenn dieser Schritt ausdrücklich in einer Anleitung steht.
Wem die vorgefalzten Bänder nicht zusagen, kann selbstverständlich sein eigenes Schrägband herstellen. Dafür gibt es exzellente kleine Helfer. Band vorschneiden, an der einen Seite des Schrägbandformers einführen, an der schmalen Seite herausziehen (jetzt ist es beidseitig zur Mitte hin gefaltete) – und bügeln. Fertig. Doch Vorsicht! Das eigene Schrägband “frisst” Unmengen von Stoff, da ja – wie oben geschrieben – diagonal geschnitten werden muss.
Nun zum heutigen Tutorial. In fast allen meinen Webstoffprojekten kommt irgendwann der Moment, wo eine Kleider- oder Rockkante gesäumt werden soll. Ich gebe es offen und ehrlich zu: Säumen ist nicht so mein Ding. Wenn ich mit Stecknadeln hantiere, wird der Saum meist schief, es fehlt an Stand und professionellem Aussehen. Wie gut, dass es Schrägbänder gibt 🙂
Tutorial: mit Schrägband säumen
- Wählt ein Schrägband aus, das genug lang für den Saum ist. (Kleiner Hinweis: Ich habe anfangs immer viel zu wenig gekauft, meist nur einen Meter, weil das so schön rund klingt. Im Alltag braucht man aber meist deutlich mehr als diesen einen Meter. Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft mindestens zwei Meter. Das reicht meist für den Saum und auch noch für Ärmelabschlüsse.)
- Wendet das Kleidungsstück, das gesäumt werden muss, auf rechts, und klappt das Schrägband vorsichtig auf. Uns interessiert die obere der beiden Bügelrillen (siehe Foto).Richtet nun das Schrägband mit der äusseren Kante bündig zum Kleidungsstück aus. Die rechte Seite des Schrägbands liegt rechts auf rechts. Steckt das Band nun fest. Ich habe die Nadeln entlang der späteren Nählinie platziert, damit klar wird, wo es lang geht. Bei dem Teil, das ich hier im Tutorial zeige, ist der Saum zu den Seitennähten hin eingebuchtet. Es funktioniert aber genauso bei “normalen” Rundsäumen. Wie Ihr seht, lasse ich das Schrägband immer ca. einen Zentimeter über die Seitennaht überlappen. Damit es später ein hübsches Finish gibt, solltet Ihr den Überstand schon mal entlang der Seitennaht vorfalzen und leicht nach rechts klappen. Beginnt nun, entlang der Linie, in der die Nadel steckt, zu nähen (Maschineneinstellung: normaler Geradestich, Garnfarbe irrelevant, da man diese Naht später nicht mehr sehen wird). Wichtig: startet ein Stück von der Seitennaht entfernt, zum Beispiel auf Höhe der Stecknadelspitze.
- Näht nun ein Mal um den Rocksaum. Achtet darauf, allfällige Nahtzugaben gleichmässig nach rechts und links zu legen. Wir wollen später keine knubbeligen Stellen im Schrägband.
- Vergewissert Euch, dass die kleine Falte, die Ihr ins Schrägband gemacht habt, immer noch da ist, bevor Ihr das Rund schliesst. Legt das Schrägband wie auf dem Foto über die Falte und schliesst den Kreis. Jetzt geht es darum, den Übergang schön zu gestalten. Klappt das (nun) unten liegende Schrägband entlang seiner Falzlinie über das innere. Ungefähr so:
- Nun muss das komplette Schrägband zur linken Seite des Kleidungsstückes gewendet werden. Ihr werdet sehen, das geht nun ganz einfach. Ich nähe das Schrägband immer von links an, da ich so genau kontrollieren kann, dass auch wirklich alle Stiche im Schrägband landen. In meinem Beispiel ist der Rock (aussen) blau, das Band (innen) ist Senfgelb. Das heisst, dass bei der letzten Naht der Oberfaden gelb und der Spulenfaden blau sein sollte. (Ich weiss, das heisst gegebenenfalls Umfädeln, aber glaubt mir, das lohnt sich!) Ich richte die Nähfüsschenmitte während des Nähens am Rand aus und schiebe die Nadel zur Mitte hin. (Geradstich, Nadel leicht nach rechts verschoben.) Auch hier beginne ich jeweils neben der Seitennaht, um am Schluss ganz exakt am Übergang arbeiten zu können.
- Tadaaa, fertig ist der Saumabschluss mit Schrägband. War doch gar nicht schlimm, oder? Jetzt noch die Fäden abschneiden, wenden, fertig. Viel Spass und Erfolg beim Nachnähen!
Sehr interessant. Was heißt “eingebuchtet”? Und kann man das Kleidungsstück irgendwo im Ganzen sehen – auch die untere Seitennaht mit dem genähten Saum?
Hallo
vor einigen Tagen habe ich dieses Tutorial in den Weiten des Internets entdeckt und war sofort angetan…heute habe ich es dann bei einem Rock für mich umgesetzt. Und ich bin total begeistert von dem Ergebnis. Ganz lieben Dank für dieses tolle Tutorial !!!
viele Grüße aus dem Altmühltal
Ingrid
Ich war jetzt irritiert, dass du das komplette Schrägband auf links klappst. Deshalb sieht man es auch nachher von außen nicht und du nimmst verschiedenfarbige Ober- und Unterfäden. Ich klappe eigentlich immer nur die Hälfte des Schrägbandes um. Somit ist der Stoff eingefasst und man sieht das Schrägband von außen genauso breit wie innen. Wenn das Schrägband unsichtbar innen liegt, kann ich es mir ja eigentlich sparen, oder?
Meine Idee war weniger, dass man das Band immer wie bei einer Einfassung sieht, sondern dass vor allem der Abschluss stabilisiert wird und gelegentlich eine Kontrastfarbe hervor blitzt. Gerade, wenn ich für mich Kleider nähe, mag ich die dezenter Variante lieber.
Aber sehe ich das nun richtig, das man das Schrägband nur auf der linken Stoffseite sieht?
Besser kann man ja gar nicht beschreiben! Danke!
Super Anleitung! Das funktioniert so aber nur bei unelastischen Stoffen, oder? Bei Jersey zum Beispiel müsste ich es ja hinkriegen, dass beide Male beim Annähen das Band gleich stark gedehnt wird.
Doch, doch, das sollte auch mit Jersey gehen. Aber dann sollte es unbedingt auch elastisches Schrägband sein. Beim Annähen würde ich aber auf keinen Fall dehnen. Also nur die Maschine “füttern” und nicht ziehen oder zippeln. Falls Du es versuchst, dann schreib doch kurz. Bin gespannt 🙂
Bettina, ich werd’s ausprobieren 🙂
ich finde auch, schrägbandannähen wird – genaus wie reißverschlüsse vernähen – einfach überbewertet. ich liebe die effekte, die man damit erzielen kann auch! schaut sehr hübsch aus dein ergebnis!
Liebe Bettina,
auch ich gehöre zu den Menschen, die Schweißausbrüche bekommen bei dem Begriff Schrägband! Wir erden wohl keine dicken Freunde mehr werden.
Du hast meine vollste Bewunderung!
Liebe Grüße
Dorthe
Danke, ein super Beitrag und ließt sich doch so einfach. Warum gekomme ich das nicht so schön hin?
Üben, üben, üben?????
:-))