Ich bin großer Fan von androgyner Mode. Ein formeller Hemdkragen passt da perfekt. Aber auch an femininen Blusenkleidern machen sich Hemdkrägen gut.
Solche Krägen bilden auch einen tollen Kontrast bei lässigen Styles, wie bei meinem Oversize-Kleid “Carrie”, das ich nach einem Schnitt aus der Zeitschrift La Maison Victor genäht habe.
Falls euch der Stoff bekannt vorkommt: Ich habe das Kleid schon als Schauobjekt für die Anleitung zum Nähen einer Passe hier im BERNINA Blog verwendet. 😉
Krägen erfordern ein bisschen mehr Geduld und Zeit. Die Verarbeitung ist nicht schwierig, allerdings ist es hilfreich, wenn man als Anfänger ein paar Kniffe beachtet.
Beim Nähen habe ich meine Verarbeitungsweise eines Hemdkragens, die ich in der Maßschneiderinnen-Ausbildung gelernt habe, dokumentiert. Ich denke, hier können auch NäherInnen mit etwas Erfahrung noch etwas lernen. 🙂
Hemdkragen nähen I: der Kragen
Ihr braucht eure Kragenteile zweimal und den Kragensteg zweimal. Jeweils eins dieser Teile verstärke ich mit Bügelvlies. Dieses sollte nicht zu steif sein, da der Kragen sich sonst nicht mehr so schön legt.
Bei diesem Schnitt hatte ich nur ein Steg- und ein Kragenteil. Es ist auch möglich, dass ihr separate Schnittteile für Ober- und Unterkragen habt. Das sind die Kragenteile, die später am fertigen Kragen oben, also sichtbar, oder unten liegen.
Der Oberkragen braucht ein bisschen mehr Weite. Stellt euch einen fertigen Kragen vor. Dadurch, dass der Oberkragen oben liegt und bei dem “Knick” sich über den Unterkragen legen muss, ist diese Strecke länger. Wenn die Krägen gleich lang sind, bedeutet das, dass der Oberkragen im fertigen Zustand ein bisschen kürzer wird, sich nicht schön legen kann und der Unterkragen beginnt, sich hervor zu schieben – und genau das wollen wir nicht.
Bei den meisten Schnittmustern sind Ober- und Unterkragen gleich groß. Entweder könnt ihr das Schnittteil nochmal abpausen und rundherum ca. 2mm wegnehmen, um ein Schnittteil für den Unterkragen zu erhalten, oder ihr macht es wie ich: Die Schnittteile vor dem Nähen stufig aufeinander stecken.
Das Teil, das ich als Oberkragen angedacht habe, wird ca. 2 mm nach innen versetzt auf den Unterkragen gesteckt, auch an der vorderen schrägen Kante. Die Seite gegenüber der Spitze schließt aber bündig ab.
Das bedeutet, dass ein bisschen mehr Weite entsteht, die ihr einhalten und gut auf die Strecke verteilen müsst. Der Unterschied ist aber gering und lässt sich gut unterbringen.
Näht Ober- und Unterkragen zusammen. Verwendet dabei die vorgesehene Nahtzugabe und orientiert euch an der Kante des Unterkragens.
Da die Nahtzugaben im nächsten Schritt eingeschnitten werden, nähe ich die Naht des Kragens immer zweimal. So wird die Naht verstärkt und gegen das Ausfransen geschützt.
Damit die Ecken nach dem Wenden schön aussehen und der Kragen sich gut legt, muss die Nahtzugabe an den Kragenspitzen gekürzt werden. Schneidet sie in flachem Winkel links und rechts der Spitze ab und geht dabei so knapp an die Naht an der Spitze wie möglich.
Schneidet an der Außennaht des Kragens die Nahtzugabe in regelmäßigen Abständen ein. Die Schnitte gehen wirklich bis direkt an die Naht heran, ohne diese durchzuschneiden.
In der Ausbildung habe ich den Tipp erhalten, dass diese Einschnitte in den Lagen immer zueinander versetzt sein sollen. So wird die Naht wirklich schön kurvig und bekommt keine kleinen “Kanten”.
Ich schneide auch immer die Nahtzugabe an der kurzen vorderen Seite des Kragens schräg ein. So trägt nachher beim Steg annähen nichts auf.
Wendet den Kragen und formt die Kragenspitzen schön aus, z.B. mit einer Stricknadel.
Ich bügle den Kragen immer so, dass die Naht von Ober- und Unterkragen auf der Unterseite verschwindet und der Oberkragen einen Millimeter darüber ragt.
Das Bild unten zeigt den Unterkragen. Ihr könnt sehen, dass die Naht auf die Unterseite gebügelt wurde und der Oberkragen sich ein kleines Stückchen darüber schiebt.
Ich würde euch an dieser Stelle empfehlen, die beiden Lagen bündig mit der Nähmaschine mit großem Stich aufeinander zu heften. So verrutscht beim Weiterarbeiten nichts.
Im Idealfall sollte der Oberkragen eine kleine “Blase” bilden, da er mehr Weite hat als der Unterkragen.
Hemdkragen nähen II: Kragen und Steg verbinden
Im zweiten Abschnitt dieser Anleitung werden wir Kragen und Kragensteg miteinander verbinden.
Der Kragen wird zwischen die beiden Stegteile gesteckt. Ich fange in der hinteren Mitte an und stecke die drei Lagen an diesem Punkt aufeinander.
Im Anschluss nehme ich mir die Enden des Stegs vor.
In den Schnittteilen von Stegen ist immer eine Markierung für die vordere Mitte gesetzt, hier erkennt ihr sie an dem kleinen Zwick. Dort soll der fertige Kragen anfangen. Denkt daran, dass die Nahtlinie nach unten versetzt ist. Der Kragen soll an der Stelle “auftauchen”, an der der Beginn der Nahtlinie auf die markierte vordere Mitte trifft. Ihr solltet also nicht den Kragen wie im Bild unten direkt an diesem Punkt ansetzen, sondern leicht Richtung hintere Mitte versetzt, da der Kragen hier schräg verläuft.
Als Hilfestellung könnt ihr hier auch die Nahtlinie auf dem Kragen einzeichnen. Die gedachte vordere Mitte soll dann auf den Anfang dieser Linie treffen.
Jetzt stecke ich die restliche Strecke zwischen Anfang und hintere Mitte und verteile dabei die Weite gleichmäßig auf der Strecke.
Näht die Naht mit der vorgesehenen Nahtzugabe. Da auch hier die Nahtzugabe wieder zurück geschnitten wird, nähe ich die Naht zweimal ab (oder zumindest an der Rundung vorne).
Ich würde euch empfehlen, nicht direkt an der Kante mit nähen anzufangen, sondern erst nach der Nahtzugabe der unteren Kante des Stegs. Im Bild unten seht ihr, dass ich die Naht erst bei einem Zentimeter begonnen habe.
Ich schneide die Nahtzugabe auf ca. 3 mm zurück, an der Rundung sogar etwas weniger, damit sich die Naht gut legen kann.
Im Anschluss wende ich das Ganze. Beim Bügeln achte ich auch hier wieder darauf, dass die Naht der beiden Stegteile auf der Innenseite verschwindet, die später von außen nicht sichtbar sein wird.
Der Kragen wäre somit fertig und muss jetzt im nächsten Schritt nur noch in den Halsausschnitt gebracht werden. Ihr könnt ihn euch schon aber schon mal umlegen um zu schauen, wie er aussieht. 😉
Hemdkragen nähen III: fertigen Kragen annähen
Wir befinden uns auf der Zielgeraden! Der Steg, der später außen sein wird, wird jetzt in den Halsausschnitt gesteckt. Dabei fange ich wieder in der hinteren Mitte an.
Die Kante der Knopfleiste bildet unsere vordere Kante. Die soll später mit dem Kragensteg bündig sein.
Ich stecke das vordere Ende des Stegs so, dass der letzte Stich meiner Naht direkt an der vorderen Kante (hier in gelb) liegt.
Im Anschluss stecke ich wieder die restliche Strecke und nähe den Steg in den Halsausschnitt.
Beim Annähen höre ich vorne am Steg an der Naht auf und nähe nicht durch bis zur Kante. Dadurch kann man die Nahtzugaben später viel leichter rausschneiden. Achtet darauf, die Naht gut zu sichern!
Das erste Stegteil wäre geschafft, jetzt kommt sein Gegenpart dran. Um vorne an der Knopfleiste einen schönen Übergang zu bekommen, der nicht knubbelig und auch bei geöffnetem Knopf schön aussieht, schließe ich diese Naht ein Stück weit von innen.
Ich lege das innere Stegteil um die vordere Kante herum, so dass es die Knopfleiste einschließt und gegengleich zum äußeren Steg liegt. Von dem vorderen Punkt der Stegnaht aus nähe ich dann ca. 4-5 cm weit das zweite, innere Stegteil an. Hierbei nähe ich auf der Seite des bereits angenähten Stegs und achte darauf, dass ich genau in der bereits bestehenden Naht nähe.
Die Nahtzugaben schneide ich in diesem Bereich wieder in flachem Winkel weg. So trägt später möglichst wenig auf.
Den Rest des inneren Stegs müssen wir aber von außen annähen. Manche Personen schlagen die Kante ein und nähen sie von Hand an. Ich persönliche nähe lieber mit der Maschine. Ich zeige euch im Anschluss, wie ihr den Steg von außen im Nahtschatten annähen könnt.
Zuerst wird die offene Kante des Stegs eingeschlagen und festgesteckt.
Hierbei solltet ihr darauf achten, dass der Kragensteg nicht gerade verläuft, sondern in einer leichten Kurve. Genau diese Form muss auch beim Stecken berücksichtigt werden.
Legt den Kragen entsprechend dieser Kurve hin.
Jetzt wird Stück für Stück die offene Kante des Stegs eingeschlagen, so dass der Bruch ein Stück weiter über die Naht ragt und diese verdeckt.
Haltet dieses eingeschlagene Stück fest und steckt es von außen direkt in der Naht fest.
Auf der Innenseite sollte die Nadel das eingeschlagene Stück so fixieren:
So geht es mit der restlichen Kante weiter: Stück für Stück einschlagen…
…und von außen in der Naht feststecken.
Denkt beim Stück für Stück stecken daran, den Kragensteg immer wieder in Form zu legen. So vermeidet ihr, dass ihr die Weite falsch verteilt und einen Schrägzug bekommt.
Ist die komplette Strecke gesteckt, geht es ans Nähen. Die eingeschlagene Kante wird von außen festgenäht. Dabei soll die Nadel immer direkt in die Kante zwischen den Stofflagen stechen, wo die Naht von Steg und Halsausschnitt verläuft. Das nennt man “im Nahtschatten” nähen.
Fangt dabei erst ab der ersten Nadel an. Ganz vorne ist der Steg von innen fest genäht, dort muss nicht im Nahtschatten festgenäht werden.
Innen verläuft diese Naht knapp an der unteren Kante des Stegs entlang:
Wenn man nicht genau hinschaut, ist diese Naht von außen gar nicht zu erkennen.
Wenn ihr nicht so viel Übung damit habt, fangt ganz langsam an und näht Stück für Stück. Zieht die Nadeln erst, wenn ihr mit der Nähmaschine kurz davor seid.
Ich ziehe beim Nähen die Lagen immer leicht auseinander, sodass die Naht deutlicher zum Vorschein kommt.
Damit wäre der Kragen fertig!
Jetzt fehlt nur noch das Knopfloch im Kragensteg. Das könnt ihr natürlich auch weglassen, wenn ihr den Kragen nicht schließen wollt – ich mag es der Vollständigkeit halber. Zeichnet es ein und näht es mit dem Knopflochprogramm eurer Nähmaschine.
Das wars! Ich gebe zu, dass ein Kragen am Anfang ganz schön aufwendig erscheinen mag. Hat man aber ein, zweimal einen genäht, geht es ganz fix.
Gut beschrieben danke
Hoi Jenny,
deine detaillierten Beschreibungen sind dir sehr gut gelungen!
Werde ich mal genau so anhand dieser Anleitung so probieren!
Und wenn ich den Stoff mit dem Belegstoff in ORANGE, meiner
Lieblingsfarbe sehe, ist eh alles klar 😉 *knuuutsch
Frage noch zu deiner Stilrichtung androgyne Mode:
Was ist das denn für dich?
Was verstehst du denn darunter außer den schon erwähnten
Hemdkragen?
Und Farbe ist überbordend erlaubt? Der Stoff ist nämlich der
Hammer…
Ich denke da an Tilda Swinton und du?
Dankeschön für ein paar Erklärungen sagt die Wiedereinsteige-
rin Ara.
Hallo Ara,
vielen lieben Dank für deinen netten Kommentar!
An Tilda Swinton denke ich auf jeden Fall! Androgyne Mode ist für mich alles, was aus der Herrenmode entlehnt ist. 🙂
Ja, Farbe ist streng erlaubt und gewollt. Ich liebe es, mich bunt anzuziehen.
Liebe Grüße
Jenny
Liebe Jenny,
ein Traum, diese Anleitung !!! Ich nähe schon sehr, sehr lange und hin und wieder habe ich auch Hemdkrägen gemacht. Im Detail hat es mich immer ziemlich gefuchst, aber in deinen Erklärungen sind genau die kniffligen Punkte beschrieben, auf die es ankommt. Habe mir die Anleitung gleich “gepint”. Und es stimmt, dass es aufwändig aussieht, doch mit dieser Anleitung sollte es gut von der Hand gehen. Vielen Dank auch für die detaillierten Fotos.
Viele Grüße
Margit
Liebe Margit,
vielen Dank für deinen netten Kommentar! Freut mich, dass die Anleitung so verständlich ist. Wenn man es mal gemacht hat, wird alles klar, denke ich. 🙂
Liebe Grüße
Jenny