Erinnert ihr euch an meine Anleitung für Blindsäume? Anhand meiner Marlenehose, die ich auf meinem Blog vorgestellt habe, habe ich euch gezeigt, wie ihr fast unsichtbare Säume nähen könnt.
Bei der Hose gab es allerdings ein Problem: Es war meine erste Marlenehose, sogar meine erste weite Hose überhaupt. Daher war ich mir beim Festlegen der Hosenbeinlänge nicht sicher. Ich steckte sie ein bisschen länger ab, wie ich es von engen (Jeans-)Hosen gewohnt bin. Vor dem Spiegel erschien mir das okay und ich stellte den Saum fertig.
Als ich mir die Bilder vom Outfit-Shooting ansah, gefiel mir die Länge nicht mehr. Da hätten noch gut zwei Zentimeter mehr dran sein können.
Da Änderungen nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören – schon gar nicht bei Selbstgenähtem, ihr kennt das – stellte ich den Blogbeitrag fertig und äußerte meine Zweifel. In den Kommentaren gaben mir viele meiner Leserinnen Recht.
Also gut: Um die Änderung schien ich nicht mehr herum zu kommen, denn jedes Mal beim Tragen der Hose dachte ich nur an den etwas zu kurzen Saum.
Aber was macht man mit Teilen, die zu kurz geraten sind und bei denen man keine Blende oder ein Stoffstück ansetzen möchte? Im heutigen Beitrag erkläre ich euch, wie ihr Säume verlängern könnt und trotzdem alles noch wie “aus einem Guss” aussieht.
Säume verlängern: im Bereich des Möglichen
Während meiner Ausbildung in einem Maßatelier kam es ab und an vor, dass Kundinnen ihre Hosen oder Ärmel verlängert haben wollten. Wir sprachen dann von “Saum rauslassen” und “falsch besetzen”. Auch den Begriff “verblenden” habe ich schon gehört. (Auch im Schneiderhandwerk gibt es regionale Unterschiede bei Terminologien!)
“Saum rauslassen” ist nichts anderes, als sich die Saumzugabe zunutze zu machen. Das geht gut, wenn eine Anzughose nur einen Zentimeter länger gemacht werden soll. Der Saum wird aufgetrennt, neu gebügelt und wieder genäht. Ist die Hose, das Kleid, ein Ärmel aber viel zu kurz, ist man auf die ganze Saumzugabe angewiesen. Daher auch mein Tipp: Geizt nicht mit den Saumzugaben! Meine Empfehlung sind 4 cm an Ärmeln und 5 cm an Säumen.
Die Saumzugabe wird glatt gebügelt und ein Stoffstück wird an die Saumkante genäht. Dieses Stoffstück wird auf die linke Seite gebügelt und wird somit zur neuen Saumzugabe. “Falsch besetzen” bezieht sich auf diese Methode. “Falsch” hat in diesem Fall die Bedeutung “unecht” – man näht einen “unechten” Besatz an den Saum, um ihn zu verlängern. Dennoch solltet ihr euch bewusst sein: Säume verlängern kann man nur im Bereich des Möglichen. An einen Rock, der 10 cm zu kurz ist, muss ein Stück angesetzt werden. Das kann wie gewollt aussehen, wenn man es richtig macht, aber nicht immer ist eine Ansatznaht gewünscht, optisch ansprechend oder ein passender Stoff ist nicht verfügbar.
Das müsst ihr beim Saum verlängern beachten
Wurde das Kleidungsstück schon ein paar Mal (oder öfter) getragen, kann es sein, dass die Saumkante abgestoßen wirkt. Vor allem bei Hosen kann das eventuell ein Problem darstellen!
Die Saumkante kann sich verfärbt oder abgenutzt haben. Eventuell kann die Saumkante dann als Linie am verlängerten Saum sichtbar sein.
Schaut euch eventuell die Saumkante vorher an und entscheidet, ob sich das Verlängern lohnt. Die ehemalige Saumkante kann z.B. durch eine aufgenähte Borte verdeckt werden, wenn das zum Stil passt.
In der Schneiderei haben wir dieses Problem auch teilweise gelöst, indem wir die neue Saumzugabe mit dickem Steppgarn festgenäht haben. Diese Saumnaht haben wir auf die Linie der ehemaligen abgenutzten Saumkante gesetzt. Somit war diese verborgen fiel diese weniger auf.
Wenn ihr euch dazu entschieden habt, das Kleidungsstück zu verlängern, solltet ihr den Saum auftrennen und glatt bügeln. Viel Dampf kann helfen, den Bügelbruch und Abdrücke der Saumnaht zu entfernen. Ein paar Tropfen Pfefferminzwasser (gibt es in der Apotheke), mit viel Dampf eingebügelt, können je nach Stoffart auch helfen.
Als Material für den Saumbesatz eignet sich der Originalstoff des Kleidungsstücks am besten. Das Gewicht und die Eigenschaften sind gleich, so wird eventuell am wenigsten auffallen, dass etwas verändert wurde. Habt ihr den Stoff nicht zur Hand, wählt einen Stoff, der möglichst ähnliche Eigenschaften hat. Bei dicken Stoffen kann es aber eventuell vorteilhaft sein, einen dünneren Stoff zu nehmen. So vermeidet ihr, dass die Zugabe aufträgt, z.B. bei einem dicken Wollwalk. Hier kann eine Saumblende aus fester Baumwolle reichen. Je nach Stabilität des Stoffes könnt ihr die Blende auch mit Bügelvlies verstärken.
Für das richtige Material gibt es kein Rezept. Vertraut auf euer Gefühl, was die Stoffeigenschaften angeht. Ein dehnbarer Stoff braucht auch eine dehnbare Blende. Andersrum macht es wenig Sinn, einem festen Stoff eine Blende aus elastischem Stoff zu verpassen. Die Blende sollte auch nicht”schwerer” sein als der Oberstoff, da sie sich sonst durchdrücken und auftragen würde.
So rettet ihr eure zu kurz geratene Hose
Die Methode, die ich hier vorstelle, eignet sich für Säume, die vertikal gerade verlaufen, also nicht schmal zulaufen.
Hier benötigt ihr einen rechteckigen Besatz. Messt die Saumweite aus und gebt an den Schmalseiten und an einer Längsseite eine Nahtzugabe dazu. Als Breite empfehle ich 5 cm (plus Nahtzugabe). Bebügelt den Besatz mit Vlies, falls gewünscht, und versäubert die Kanten.
Schließt die Naht bzw. die Nähte am Besatz und bügelt sie auseinander. Im Anschluss wird der Besatz an die Saumkante genäht. Die Naht an den Schmalseiten des Besatzes habe ich an die innere Beinnaht verlegt, dort fällt sie weniger auf. Da ich so viel wie möglich von der ehemaligen Saumzugabe nutzen wollte, habe ich den Besatz füßchenbreit angenäht.
Danach habe ich die Nahtzugabe an der Saumkante zurück geschnitten, somit trägt sie nicht auf. Die zurück geschnittene Nahtzugabe habe ich nach unten gelegt, sie liegt auf der linken Seite auf dem Besatz. Von rechts habe ich die Nahtzugabe auf dem Besatz festgesteppt, ganz schmal neben der Naht. Diese Methode nennt man auch untersteppen.
Wenn ihr die Saumkante dann bügelt, seht ihr, warum die Nahtzugabe schmalkantig auf dem Besatz festgesteppt wird: dadurch verschwindet der Besatz komplett auf die linke Seite, von außen ist er gar nicht zu sehen:
Im Anschluss könnt ihr den Saum mit einer Methode eurer Wahl fertig stellen, z.B. mit einem Blindsaum. Meine Anleitung zum Blindsaum nähen findet ihr auch hier auf dem BERNINA Blog.
Als ehemalige Drogistin hat es mich interessiert, was genau Pfefferminzwasser ist. Im Internet bin ich fündig geworden:
Das Pfefferminzwasser, Pfefferminzhydrolat, wird durch Wasserdampf-Destillation der Blätter gewonnen. Wenn der Sättigungsgrad erreicht ist, setzen sich die ätherischen Öle an der Oberflache ab, die sich ohne Aufwand abtrennen lassen. Das restliche Wasser ist dann das Pfefferminzhydrolat, es besteht, wie der Name schon sagt aus Wasser und sehr fein verteiltem ätherischen Öl, das noch im Wasser gebunden ist.
Durch die Destillation werden die Kalkrückstände des Wassers eliminiert und so bilden sich keine Wasserflecken auf dem Stoff. Man könnte aber genau so gut destilliertes oder gefiltertes Wasser nehmen.
LG Heidi
Hallo Heidi,
vielen Dank für die Infos! Super, destilliertes Wasser habe ich sowieso immer für das Bügeleisen da.
Liebe Grüße
Jenny
Hallo Jenny,
vielen Dank für die vielen Erklärungen. Es ist schön als selbst gelernte “Laien-Näherin” mal zu lesen, dass man nicht alles falsch macht bzw. dass es im Profibereich ganz ähnlich gemacht wird. Eine Frage hätte ich. Was macht Pfefferminzwasser anders als normales Wasser?
LG Barbara
Hallo Barbara,
vielen Dank!
Was genau es anders macht kann ich auch nicht genau sagen. Pfefferminzwasser ist eins der Dinge, bei dem sich die Geister scheiden. Die einen schwören drauf, die anderen finden, dass es keine besondere Wirkung hat. Meiner Erfahrung nach hinterlässt es weniger Wasserflecken, also keine so starken Ränder.
Liebe Grüße
Jenny
Danke! Tolle Tipps!
Gruß Mariel
das freut mich! Dankeschön! 🙂