Kreative Artikel zum Thema Nähen

Nähmaschinen fürs Daily Bread Home in Südafrika

Das Daily Bread Home (gegründet 1992) ist ein Heim für missbrauchte Kinder und Jugendliche in der Nähe von East London, Südafrika. Bis zu 70 Kinder und Jugendliche, im Alter von 6 bis 18 Jahren werden über Jahre in diesem Heim betreut. Alle diese Kinder werden über Gerichtsbeschluss ins Heim eingewiesen. Zur Zeit sind 57 Kinder und Jugendliche im Heim untergebracht. Aufgeteilt in drei Wohnhäuser leben sie auf dem Gelände einer ehemaligen Farm, welches auch über eine eigene staatliche Schule verfügt. Einige der Jugendliche werden bald das 18. Lebensjahr erreichen und müssen dann das Heim verlassen. Viele von ihnen können nicht nach Hause zurückkehren, da sich der Missbrauch in der eigenen Familie ereignet hat. Über eine (Berufs-)Ausbildung verfügen diese jungen Menschen nicht und deshalb ist es völlig unsicher, wie sie in Zukunft ihren Lebensunterhalt bestreiten werden.

Beatrice Felber aus Basel hatte im August 2016 im Vorfeld einer Reise nach Südafrika mit BERNINA Kontakt aufgenommen und uns gefragt, ob wir das von ihr geplante Engagement in East London unterstützen könnten. Für die Ausstattung eines Näh-Ateliers im Daily Bread Home wurden Nähmaschinen gebraucht. Mit Hilfe unseres südafrikanischen Importeurs konnten mehrere Näh-Arbeitsplätze eingerichtet werden, an denen die Jugendlichen jetzt die Grundlagen des textilen Handwerks erlernen.

Gerne publizieren wir nachstehend den Bericht von Beatrice Felber über ihren sechsmonatigen Aufenthalt in Südafrika und ihre Arbeit im Daily Bread Home.


Bericht Daily-Bread-Nähprojekt

„Muss das wirklich sein?“ war wohl die Frage, die ich mir zu Beginn meines Aufenthaltes am meisten gestellt habe. Nicht, dass mir das afrikanische Zeitverständnis nicht bekannt gewesen wäre. Im Gegenteil. Bis anhin hatte es mich jedoch nie sonderlich beschäftigt. Aber jetzt beim Warten auf die SchülerInnen, die irgendwann kommen oder eben nicht … Auf schweizerische Pünktlichkeit war ich nicht aus, aber unterrichten in einem leeren Zimmer schien mir doch reichlich sinnlos. Es dauerte einige Zeit, benötigte verschiedene Diskussionen und Erklärungen, danach klappte es jedoch meistens mit den ausgemachten Terminen.

Die Mädchen wurden schon vor meiner Ankunft im Nähen unterrichtet. Sie hatten jedoch noch nie etwas hergestellt. Das kam mir irgendwie bekannt vor, aus meiner eigenen Schulzeit. So wollte ich es sicher nicht, also durften sie sich als Erstes ein Nadelkissen nähen. Mit diesem Einstieg, gedacht um die Handhabung einer Nähmaschine kennenzulernen, war die Einhaltung der Unterrichtszeit plötzlich keine Frage mehr. Die anfängliche Passivität der Kids schlug sehr schnell in Interesse und Neugier um, nicht zuletzt, weil sie immer wieder etwas Selbstgemachtes vorweisen konnten. Gewonnen!

Also weiter mit kleinen Kissen, dann kamen verschiedene Beutel und Taschen sowie einfache Rucksäcke unter die Maschinen.

Lilitha's RucksackSäckli

Zwischendurch verwandelten wir auch mal Duvetbezüge in Kopfkissenbezüge. Innert kürzester Zeit entstanden so 25 Bezüge, die dann auf den Betten der Kinder landeten. Was als Übung gedacht war, wurde zum grossen Stolz der Mädchen. Sie hatten etwas für ihr Zuhause angefertigt.

Das Nähen einfacher Utensilien war nicht für alle einfach. Einige der Kids sind sehr talentiert und es ist ihnen leichtgefallen, Neues in Angriff zu nehmen und relativ selbständig zu arbeiten, andere hatten ihre Schwierigkeiten mit dem exakten und sorgfältigen Nähen und benötigten viel Hilfe. Jedoch waren alle mit Begeisterung und Eifer dabei. Oft wollten sie gar nicht mehr aufhören und so planten wir zusätzliche Unterrichtstunden ein.

Als nächstes entstanden einfache Jupes aus den wunderschönen Shwe-Shwe-Stoffen:

Jupes

Mit den gewünschten Schürzen waren die stolzen BesitzerInnen längere Zeit beschäftigt. Daraufhin konnten wir 12 Schürzen für einen kleinen Pie Shop nähen. Auf diesen Erfolg waren die Kids besonders stolz.

Siphosihle b Schürzennähen

Auch die Boys nähten sich Beutel, Rucksäcke und Schürzen und mit ihnen zusammen experimentierte ich sogar in der Herstellung von Kappen.

Zum Abschluss konnte endlich auch ein langgehegter Wunsch erfüllt werden: Hosen oder ein Kleid anzufertigen. Vom Schnittmuster bis zum fertigen Kleidungsstück alles selbst produziert. Hier zeigte sich das erworbene Können.

Hosen u Kleider

Während der Schulferien konnten sich auch die jüngeren Kinder im Nähen versuchen. D.h. alle, die gross genug waren, um zwischen Nähmaschine und Pedal zu funktionieren, durften (endlich!) auch etwas nähen. Dies mit erstaunlichen Erfolgen. So verwandelten sich z.B.. unsere hyperaktiven Zwillinge Anesipho und Sinesipho in stillsitzende, konzentrierte Näherinnen. Ebenso gelang es Lilitha trotz Beinprothesen, sich mit dem Fusspedal zurechtzufinden, und es war eine besondere Freude, mit ihr zu arbeiten.

Sanele mit Säckli

Säckli selbstgenäht

Von den anfangs 13 Mädchen sind elf eifrige Näherinnen geblieben und vertiefen ihre Nähkünste nun mit meinen Nachfolgerinnen Nonnie und Beauty.

Erst nach einiger Zeit interessierten sich auch sieben Boys fürs Nähen. Leider gaben sie ein kurzes Gastspiel, und nur zwei der Jungs blieben über längere Zeit mit Eifer dabei. Aber auch diese beiden begabten jungen Herren haben sich dann leider zurückgezogen.

Auch einige der Hausmütter waren am Nähen interessiert. Sie befassten sich auch mit «praktischen» Arbeiten, wie Kleider flicken oder ändern. So passten wir vorhandene Kleider an, welche die Mädchen am Sonntag dann stolz in der Kirche trugen.

Zwei der Frauen wurden schon bald von anderen Pflichten suspendiert, und wir konnten intensiv zusammen arbeiten, so dass sie nun den Unterricht nach meinem Weggang weiterführen können. Für beide Frauen ist noch eine professionelle Einführung für die Overlock-Maschine in der BERNINA Filiale in East London eingeplant. Gegen Ende meines Aufenthalts hat dann noch eine pensionierte Näh-Lehrerin angeboten Nonnie und Beauty zukünftig zu begleiten und weiter auszubilden.

Damit hat sich mein grösstes Anliegen erfüllt, dass Personen vor Ort das begonnene Projekt übernehmen!

Ein Nähzimmer war schon vor meiner Ankunft eingerichtet worden. Doch als die fünf von Bernina RSA gespendeten Nähmaschinen (bernette Sew&Go) und die Overlock (bernette 610D) eintrafen, war schnell klar, dass es zusammen mit den vorhandenen fünf Maschinen sehr eng würde auf den Tischen. Grössere Nähtische brachten ausreichend Platz für die Näharbeiten, dafür aber wurde es einiges beengter im Raum. Deshalb entschloss ich mich schon bald, die Einrichtung eines grösseren Raums zu finanzieren. Mir wurde ein anderer Raum zur Verfügung gestellt. Mit wenig Aufwand ist daraus ein sehr grosszügiges und funktionelles Nähzimmer erstanden.

Es war wunderbar mitzuerleben wie das Selbstvertrauen wuchs und die Mädchen schon bald eigene Ideen einbrachten, die wir nach Möglichkeit auch umsetzten. Die Nähmaschinen waren täglich mehrere Stunden im Einsatz da ich es bevorzugte, in kleineren Gruppen von fünf bis sechs SchülerInnen zu arbeiten. So konnte ich mich besser mit jedem einzelnen Jugendlichen befassen und auf ihre speziellen Bedürfnisse und Wünsche eingehen.

Die gespendeten bernette Sew&Go-Modelle ergänzten die vorhandenen „Nina“-Maschinen und haben sich gut bewährt. Sie sind robust und einfach zu bedienen. Alle lernten mit beiden Nähmaschinen umzugehen und die Unterschiede in der Handhabung waren nach kurzer Zeit kein Problem mehr. Obwohl die Overlock sehr benutzerfreundlich ist, haben während meines Aufenthaltes vor allem die Erwachsenen damit gearbeitet. Die Jugendlichen haben eine Einführung erhalten. Sie waren einerseits begeistert von der Funktion „Nähen und Schneiden“ wagten sich jedoch nur zaghaft an diese neue Herausforderung.

Für einige der Jugendlichen wird das Nähen eine Möglichkeit sein, später den Lebensunterhalt zu verdienen. Das Wichtigste ist jedoch, dass ihr Selbstwertgefühl, ihr Selbstvertrauen in das eigene Können gestärkt wurde und dass sie stolz auf ihre Leistungen und ihre kreativen Ideen sein dürfen. Dies kann ihnen später durchaus helfen sich ausserhalb des Heims zurechtzufinden und durchzusetzen.

Die sechs Monate waren für mich sehr bereichernd. Durch die Abgeschiedenheit des Heims war ich oft von der Aussenwelt isoliert. An die abendliche Einsamkeit hatte ich mich bald gewöhnt. Dies alles ermöglichte mir jedoch auch einen vertieften Einblick in das tägliche Leben im Heim. Ich konnte viel geben und habe auch sehr viel erhalten. Der Enthusiasmus, die Freude und der Stolz über geleistete Arbeit haben mich sehr beeindruckt. Ich durfte mich einbringen, habe mich eingemischt, habe aufgemischt und auch kleine Veränderungen bewirkt. Ich habe Fragen gestellt und viele Fragen beantwortet. Ich habe ihre Sorgen und Freuden geteilt, mich geärgert, mich gefreut, mit ihnen gelacht und geweint, erklärt, zugehört, gelobt und getröstet.
Ich habe Freundschaften geschlossen und bin ein Teil der Daily-Bread-Familie geworden.

Das noch vorhandene Spendengeld habe ich dem Management des Daily Bread Home übergeben, um die Finanzierung von weiterem Material für die nächste Zeit abzusichern.

Ganz herzlichen Dank allen SpenderInnen, die dieses Projekt ermöglicht haben.

Danken möchte ich auch BERNINA International (Schweiz) sowie BERNINA Südafrika für die grosszügige Unterstützung mit Nähmaschinen.


Die Autorin ist langjähriges Mitglied des Basler Afrika-Komitees und hat nach ihrer Pensionierung 6 Monate als Freiwillige im Daily Bread Home gearbeitet. Über das Basler Afrika-Komitee wurden Spendengelder für diesen Einsatz bereitgestellt.

Das Afrika-Komitee ist 1975 aus einer Solidaritätsbewegung gegen Kolonialismus und Rassismus entstanden und konzentriert sich bis heute auf das andere Afrika, auf den Aufbruch und das grosse Potential des Kontinentes. Die Organisation leistet Solidaritätsarbeit, indem es Debatten aufgreift, Probleme bekannt macht und die Anliegen afrikanischer PartnerInnen thematisiert und im Rahmen von Kleinprojekten unterstützt.

Das Afrika-Komitee kann seine Arbeit nur dank der finanziellen Unterstützung zahlreicher SympathisantInnen leisten. Weitere Unterstützer sind herzlich erwünscht und willkommen! Wer mithelfen will, kann dies beispielsweise tun, indem er die Mitgliedschaft im Afrika-Komitee annimmt.

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