Ein Running Gag – und sehr oft gehörter oder gelesener Satz – unter nähenden Personen ist “Baumwolle oder Jersey?”. Solche Sätze zeigen, dass bei vielen Nähenden wenig Verständnis für das Material vorhanden ist, mit dem sie arbeiten.
Dabei halte ich es für wichtig, dass sich jede nähende Person wenigstens etwas mit Stoffen, Materialien und ihren Eigenschaften auseinander setzt. Das hilft beim Planen von Projekten, Einschätzen von Machbarkeit und der Kommunikation mit anderen, zum Beispiel dem Personal im Stoffgeschäft.
Ein Materiallexikon kann eine große Hilfe darstellen: Darin sind verschiedene Materialien, Stoffe und teilweise Fachbegriffe aufgelistet und erklärt. Solch ein Materiallexikon stelle ich euch heute vor.
Stoff und Faden. Materiallexikon – Rezension
Das Buch “Stoff und Faden. Materiallexikon” ist von Constanze Derham, die unter Nahtzugabe über das Nähen und andere textile Themen bloggt. Auf Instagram hat sie mir verraten, dass sie ein kleines Buch für die Handtasche erschaffen wollte. Alle relevanten Infos sollten enthalten sein, so dass man schnell auf dem Stoffmarkt oder im Stoffgeschäft schnell nachschlagen kann.
Diesen Zweck erfüllt das Buch meiner Meinung nach perfekt: Das Taschenbuch ist leicht, klein und handlich – perfekt also, um es zum Stoffkauf mitzunehmen.
Positiv überrascht war ich schon nach den ersten Seiten: Es gibt eine ausführliche Anleitung zur Materialbestimming mit der Brennprobe. Bei dieser Methode werden ein paar Fäden des Stoffs verbrannt, um anhand der Brenneigenschaften das Material zu bestimmen.
Diese Methode habe ich in der Ausbildung kennen gelernt. Auch wenn gekaufte Stoffe in der Regal eine Materialangabe haben, kann es vorkommen, dass man einen Stoff geschenkt bekommt oder in den Untiefen der Stoffkiste auf einen Stoff stößt, den man nicht mehr zuordnen kann. Um den Stoff korrekt zu behandeln und zu verarbeiten, ist es wichtig, seine Bestandteile zu kennen.
Schön, dass das Buch einem die Anleitung zur Materialbestimmung an die Hand gibt.
Die Einträge sind so, wie man sie bei einem Lexikon erwarten kann: alphabetisch sortiert und größtenteils auf das Wesentliche konzentriert. Größtenteils, weil mir die Einleitungssätze bei einigen Einträgen teilweise schon zu viel sind.
Meiner Meinung nach haben sie keine wirkliche Relevanz für ein Lexikon. Beispielsweise wird beim Eintrag zu Nadelstreifen auf Banker verwiesen, die in der Finanzkrise ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Ihre Anzüge, oft mit Nadelstreifen, sollen die Brücke zu den eigentlichen Infos schlagen.
Ich persönlich möchte bei einem Nachschlagwerk, bei dem die Würze in der Kürze und Kompaktheit der Informationen liegt, keine unnötigen Details lesen. Möchte ich etwas nachschlagen, suche ich nach Informationen, die ich auf einen Blick ohne Einleitungen o.ä. sehen möchte. Die Ausführungen hätte ich persönlich lieber auf das Wesentliche konzentriert – im obigen Beispiel Nadelstreifen als Anzugstoff – am Ende des Eintrags gelesen.
Die allermeisten Einträge beschränken sich aber auf die informativen Details. Besonders gefällt mir, dass neben allgemeinen Informationen auch Hinweise zu Zuschnitt, Nähen und Bügeln vorhanden sind.
Neben verschiedenen Stoffarten (Twill, Wachstuch, Crêpe, etc.) und Materialien an sich (Baumwolle, Seide, Leinen, etc.) wird auch auf Muster eingegangen: Hahnentritt, Glencheck, Paisley und mehr finden sich als Einträge, teilweise mit Skizzen in schwarzweiß.
Ich persönlich halte Skizzen oder sonstige Abbildungen zu den verschiedenen Mustern für extrem wichtig. Daher war ich leicht enttäuscht, dass es nur relativ wenige dieser Abbildungen ins Buch geschafft haben.
Eine Skizze der Webung eines Hahnentrittmusters ist einfach so viel aussagekräftiger als die textuelle Beschreibung. Einen Text über das Aussehen von Hahnentritt versteht eine Person, die sowieso weiß, wie Hahnentritt aussieht; jemand, der sich in das Thema einarbeiten will, vielleicht gerade zu nähen anfängt, kann sich darunter nur ungefähr etwas vorstellen.
An anderen Stellen finde ich die Skizzen dafür wenig aussagekräftig. Skizzen zum Aussehen von Pflanzen, aus denen Stoffe gewonnen werden, oder Zeichnungen von Webstühlen (siehe unten) sind meiner Meinung nach zwar nett, um sie mal gesehen zu haben. Viel wichtiger hätte ich aber obige Abbildungen gefunden, die wirklich weiterhelfen, wenn man einen Stoff oder ein Muster bestimmen möchte.
Ob ich das Buch empfehlen kann? Ja, denn das dicke Plus des Buches ist seine Handlichkeit, bei der es Spaß macht, das Buch in die Hand zu nehmen und es zu benutzen. Die Informationen zur Verarbeitung des Stoffes finde ich sehr gut, denn sie helfen bestimmt auch weniger erfahrenen Näherinnen und Nähern.
Teilweise finde ich das Lexikon aber schon zu anspruchsvoll für Anfängerinnen und Anfänger. Ich hätte mir mehr Skizzen oder Abbildungen allgemein gewünscht, besonders zur Bestimmung von Mustern. So ist das Buch meiner Meinung eher für Erfahrene geeignet, die sich unter den Begriffen bereits etwas vorstellen können.
Dass fotografische Abbildungen auch eine Geldsache sind, ist klar. Allerdings kann man ja von dem perfekten, handlichen Nachschlagewerk, in dem sich auch detaillierte Abbildungen zu Stoffen finden, träumen.
Habt ihr ein Lieblingsmateriallexikon, das ihr empfehlen könnt?
Hallo Jenny,
Du hast Recht, “Baumwolle oder Jersey” ist ,als ob man Äpfel mit Birnen vergleichen will. Bei “Baumwolle” ist gewebte Ware gemeint. Es gibt Längsfäden: die “Kette” und Querfäden: der “Schuss”. Webware gibt es in Baumwolle, Mischgewebe (z.B. Kette Synthetik, Schuss in Baumwolle) oder rein Synthetik, . Es gibt bedruckte Webware, da wird das Gewebe aus weißem oder naturbelassenem Faden hergestellt unnd dann bedruckt oder man webt mit farbigen Fäden, “durchgewebt” benannt. Das sind oft karierte Stoffe, z.B. von Westfalenstoffe. Dann sieht das Gewebe von vorn und hinten gleich aus. “Jersey” ist gestrickt. Wenn man ganz genau hinsieht, kann man kleine Maschen erkennen. Jersey ist bedruckt, Unifarben auch mit farbigem Garn gestrickt.
Liebe Grüße
Angela
Hallo Angela,
ganz genau. 🙂
LG Jenny
Ich dachte die Frage des Typs würde immer mit ‘Webware oder Jersey’ umschrieben.
Lieber Gruß
Elke
Ja, so stimmt es auch. In Stoffgeschäften oder in Online-Nähgruppen liest man oft die Frage “Jersey oder Baumwolle?”, wobei Baumwollte stellvertretend für Webware steht. Das zeigt, dass viele Personen kein oder wenig Verständnis für das Material haben, denn Jersey kann schließlich auch aus Baumwolle sein.