Kleider machen Leute – die im Frühjahr 2017 neu eröffnete Dauerausstellung ‘Kurfürstliche Garderobe’ im Dresdner Residenzschloss macht zudem deutlich: Kleider machen Politik.
Im sog. Landschaftskleid des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen (1585-1656) findet die Demonstration von Macht und Pracht in der Herrscherkleidung ihren höchsten Ausdruck. Die Bildstickerei am Mantel zeigt die reiche Elblandschaft mit der Residenz Dresden.
Sie zeigt Ackerbau, Menschen und Tiere sowie das Dresdner Residenzschloss. Es war ein Weihnachtsgeschenk der Kurfürstenwitwe Sophie (1568-1622) zum Regierungsantritt ihres Sohnes, der das Amt nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Christian II. im Jahr 1611 übernehmen musste und darf als Auftrag verstanden werden, das stolze Erbe zu bewahren und weiter blühen zu lassen.
Mit dem Mantel trug der neue Herrscher sein ihm anvertrautes Kurfürstentum mit dem Elbtal rund um Dresden und Meißen nun am Körper – und stand im wahrsten Sinne des Wortes in dessen Zentrum.
Das Residenzschloss im Herzen der Altstadt ist Ursprungsort und Zentrum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Seit 1485 war es die ständige Residenz sächsischer Herrscher und damit Machtzentrum der sächsischen Kurfürsten und Könige. Bei den Bombenangriffen auf Dresden im Februar 1945 wurde das Residenzschloss stark beschädigt. Der Wiederaufbau wird seit der deutschen Wiedervereinigung kontinuierlich fortgeführt.
Im 2017 fertiggestellten Renaissanceflügel des Schlosses werden die schönsten Renaissancebestände der Rüstkammer – Prunkwaffen, Fürstenbildnisse und Prunkkleider aus dem Besitz der Kurfürsten von Sachsen – gezeigt. Die originalen Objekte illustrieren die wechselseitigen Beeinflussungen politischer, wirtschaftlicher und kulturhistorischer Ereignisse auf einzigartige Weise, erzählen persönliche und skurrile Geschichten und lassen Vergangenes wieder lebendig werden.
Macht und Mode gehören zusammen. Die Macht suchte schon immer nach ihren Repräsentations- und Ausdrucksformen. Hier besteht die Prunkentfaltung zum einen aus der berühmten Waffensammlung der Rüstkammer, die auch Schmuckwaffen, also Erscheinungen von Mode sind, zum anderen aus den original erhaltenen Kostümen, die für bestimmte Anlässe, also im Hinblick auf einen Adressaten, ein Gegenüber geschaffen worden sind.
Zu den bedeutendsten Kunstwerken der Ausstellung gehört die Pracht-Mitra mit reicher Perlenstickerei des Erzbischofs von Magdeburg und nachmaligen Kardinals Albrecht V. von Brandenburg, ein wichtiger Gegenspieler Martin Luthers. Sie steht exemplarisch für die ausserordentliche Prachtentfaltung der Römischen Kirche am Vorabend der Reformation.
Die Ausstellung ‘Kurfürstliche Garderobe’ führt uns mit originalen Gewändern der Zeit um 1550 bis 1650 die grandiose Fürstenmode der Renaissance und des Frühbarock vor Augen, wie sie bis auf wenige Ausnahmen sonst nur noch in Bildnissen der grossen Herrscher jener Epoche zu belegen ist.
Die kurfürstlichen Prunkkleider im Rang eines europäischen Kulturerbes entfalten in vier Räumen eine sinnliche Pracht mit reichen Stoffen, Stickereien, Spitzen und Posamenten aus Gold, Silber und Seide. Es handelt sich um insgesamt 27 Herrscherkostüme, die seit ihrer kriegsbedingten Evakuierung ab 1939 erstmals wieder zu bewundern sind.
Über 40 Fachleute, Textil- und Metallrestauratoren, Wissenschaftler, Museologen, Fotografen und Kostümgestalter haben in den vergangenen 20 Jahren dafür gesorgt, dass die Haute Couture aus der Zeit zwischen 1550 und 1650 in neuem Glanz erstrahlt. Um die empfindlichen Stoffe vor zu viel Licht zu schützen, werden sie nun wechselnd gezeigt. Sechs vollständige Gewandensembles, elf Anzüge mit Wams und Hose, sechs Obergewänder und vier Damenkleider: In der internationalen Museumslandschaft gibt es kaum Vergleichbares aus diesem Zeitraum.
Begründet wurde die Sammlung durch Kurfürst August von Sachsen (1526-1586), der die Kleider seines Bruders Moritz zum Andenken an den ersten albertinischen Kurfürsten zur dauerhaften Verwahrung bestimmte. Aus dessen Besitz ist ein Prunkkleid in leuchtendem Gelb und Schwarz vollständig, einschliesslich der Lederstrümpfe, überliefert.
Die auf Moritz folgenden Kurfürsten fügten dem Bestand jeweils ihre eigenen, meist mit grossen Ereignissen verbundenen Prunkkleider hinzu.
Die Dresdner Stücke sind entscheidend für das Verständnis der europäischen Mode und Textilkunst der Renaissance und des Frühbarocks.
Besonders Damenkleider wurden selten aufbewahrt, sondern weiterverarbeitet oder verschenkt, sodass das Prunkkleid der Kurfürstin Magdalena Sibylla von Sachsen (1586-1659) aus der Zeit um 1610 bis 1620 eine besondere Rarität darstellt – auch weil es die Kurfürstin durch die deutlichen Bezüge zur venezianischen Braut- und Festmode der Zeit als ausgesprochene Modekennerin ausweist.
An Medienstationen können die Besucher mit den Objekten auf Tuchfühlung gehen, Muster vergrössern und beispielsweise erfahren, was der Kurfürst unter dem sog. Landschaftskleid trug.
Ergänzt wird die Präsentation um Gemälde sowie ausgewählte Prunkwaffengarnituren: Die aufwendig verzierten Waffen dienten dabei weniger dem Kampf, als vielmehr der Komplettierung des Outfits und der Betonung des eigenen Status.
Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums im Jahr 2017 stellt die neue Dauerausstellung ‘Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht’ im Dresdner Residenzschloss die fürstlichen wie geistlichen Protagonisten der Reformationszeit in Sachsen vor. Besucher müssen dafür keine Geschichtsexperten sein – denn die wird in der Ausstellung anhand einzelner Objekte erzählt, die sich ihren einstigen Besitzern zuordnen lassen. So etwa eine blutbefleckte Feldbinde von Moritz von Sachsen, die er trug, als er in der Schlacht bei Sievershausen starb. Oder ein reich verzierter Harnisch, der den Körper August von Sachsen nachweislich am 27. April 1547 in der Schlacht von Mühlberg schützte.
Aufwendig verzierte Prunkwaffen – darunter Meisterwerke süddeutscher Plattner- und Goldschmiede- ebenso wie italienischer Waffenschmiedekunst – Textilien, Reitzeuge und Fürstenbildnisse des Spätmittelalters und der Renaissance zeigen, wie sich die Wettiner repräsentierten. Biblische und antike Darstellungen verdeutlichen das protestantisch geprägte Staats- und Regierungsprogramm des Kurfürsten und zeugen zugleich vom wirtschaftlichen und künstlerischen Aufschwung der Residenzstadt Dresden.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.
Auf die beiden Videos mit Blicken hinter und vor die Kulissen dieser Ausstellung auf der Website des Museums sei ausdrücklich hingewiesen.
Mit diesem Beitrag möchte ich allen Leserinnen und Lesern ganz herzlich ein frohes Weihnachtsfest wünschen mit viel Zeit für die Liebsten und die liebsten Beschäftigungen.
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Info:
Macht & Mode:
Kurfürstliche Garderobe
Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht
Residenzschloss
Rüstkammer
Taschenberg 2
01067 Dresden
Deutschland
www.ruestkammer.skd.museum/ausstellungen/kurfuerstliche-garderobe
www.ruestkammer.skd.museum/ausstellungen/auf-dem-weg-zur-kurfuerstenmacht
Fotos und Informationen freundlicherweise von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zur Verfügung gestellt – vielen Dank!
Liebe Gudrun,
da bleibt einem förmlich die Sprache weg, beim Anblick dieser wunderbaren Bekleidungskunstwerke.Wieviel Arbeit in einem einzigen Stück steckt und wie wunderbar und kostbar die Stoffe daherkommen-einfach unglaublich.
Und Fantasie hatte man damals auch reichlich ,das muß man wirklich anerkennen.
Danke für diesen schönen Beitrag!
Gruß Erika
halli hallo erika,
vielen lieben dank für deinen kommentar noch nachträglich. freue mich sehr!
beste grüsse
gudrun
Phantastisch. Wie lange mag ein Schneider oder Näher an diesen prunkvollen Kleidern und Anzügen gearbeitet haben? Ich bin selbst eine Hobbyklöpplerin und weiß, wie mühsam und zeitaufwendig das Herstellen von Spitze ist. Du meine Güte, haben wir das heute gut mit Bernina -Nähmaschinen und Stickmodulen usw., und wir müssen nicht zu unseren Herrschern aufblicken, nur weil sie so prachtvoll aussehen. Danke für diesen wunderschönen und vor allem interessanten Artikel. Schade, dass Dresden für mich ziemlich weit weg ist..Herzliche Grüße von Hilde.
halli hallo hilde,
ganz herzlichen dank für deine gedanken, die du in deinem kommentar ausdrückst. das ist die eine sehr berechtigte seite. die andere, die mir in den sinn kam, ist, wie kunstfertig die handwerker schon vor hunderten von jahren waren – und wir sind heute dabei, techniken wie stricken, nähen, sticken usw. zu verlieren, einfach nicht mehr weiterzugeben, findet im schulunterricht kaum oder nicht mehr statt. stattdessen legen schon die kinder ihr handy nicht mehr aus der hand … und haben sogar schon schwierigkeiten, auch nur mit der hand zu schreiben. nun ja, wer weiss, was sein wird, wenn weitere 450 jahre vergangen sind.
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
prunkvoll und beeindruckend. Was in dieser Kleidung für Arbeit steckt, unglaublich. Danke für den informativen Bericht. Auch dir und deiner Familie ein ruhiges Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2019.
Herzlich
Birgit
halli hallo birgit,
wie immer lese ich einen lieben kommentar von dir unter einem meiner artikel – 1000 dank, dass du nicht müde wirst, dies zu tun. ich freue mich immer sehr darüber. ja, ich möchte nicht wissen, wie lange die sticker und schneider (es waren ja männer) damals an solchen roben gearbeitet haben – ohne technische hilfsmittel wie elektrisches licht oder nähmaschinen oder auch einer passenden brille … was haben wir es doch heute einfach dagegen.
auch dir und deinen lieben frohes feiern und bis zum nächsten mal
beste grüsse
gudrun
Liebe Gudrun, überwältigend ist der Prunk, aber auch die Handwerkskunst dieser Kleider! DANKE für Deinen Bericht zum Jahresende! Dir u Deiner Familie schöne Feiertage u einen guten Start ins neue Jahr! LG monika
halli hallo monika,
vielen lieben dank für deinen kommentar. ich war auch überwältigt und dachte: passend zu weihnachten! feiert schön und bis bald hier im blog.
beste grüsse
gudrun