Mit einer fulminanten Modenschau eröffnete …
… am Samstag, 6. April 2019 die Ausstellung ‘K & M – Kunst und Mode. Fashion Weeks in der Jungen Kunsthalle’ in Karlsruhe. Studierende der Hochschule Pforzheim …
… führten einem begeistert applaudierenden Publikum ihre Kreationen vor, die aus einer ganz besonderen Kooperation heraus entstanden sind.
Dass Kunst und Mode zusammengehören, liegt für die Ausstellungsmacher der Kunsthalle auf der Hand.
Die Bilder der Kunstgeschichte spiegeln die Wechsel der Mode ebenso wie sie immer wieder auch Inspiration für modische Schöpfungen waren.
Sie wollten gemeinsam mit dem Studiengang Mode der Hochschule Pforzheim unter der Leitung von Prof. Sibylle Klose, Olga Pfeifle und Silke Helmerding herausfinden, ob auch die heutigen angehenden Designer*innen etwas mit Kunst anfangen können und stellten ein rundes Dutzend Werke aus der Gemäldesammlung des Museums bereit.
Die Studierenden des 3. Fachsemesters standen vor der Aufgabe, eine persönliche Auswahl zu treffen, um individuelle Designs zu entwickeln und umzusetzen.
Es ging also nicht nur darum, sich von einem der Gemälde ansprechen zu lassen, sondern es waren tiefer gehende Auseinandersetzungen gefragt.
Beispielsweise ein Gemälde von Rudolf Kuntz und Marie Ellenrieder aus dem Jahr 1832, das das Paar ‘General Krieg von Hochfelden und seine Gemahlin zu Pferde’ zeigt …
… und Isabelle Dingler, die an der Hochschule Pforzheim im Studiengang Mode studiert, zu einem Entwurf anregte, der ebenfalls ausgestellt ist.
Die Studentin erläuterte der anwesenden Schar von Pressevertreter*innen genau, wie das alles vor sich ging. Am auffälligsten fand sie zunächst die Kleidung der Reiterin. Ganz nebenbei fragt man sich, wie es die Damen seinerzeit überhaupt schafften, in dieser Kleidung aufs Pferd zu kommen und sich dort im Galopp zu halten.
Damit das Reitkleid (‘Riding Habit’) im damals üblichen Damensitz elegant fällt, wurden hierfür ein besonderer Schnitt und Unmengen an Stoff benötigt. Diese vielen Stoffschichten finden sich im Rock des von Isabelle Dingler geschaffenen ausgestellten Ensembles wieder. Die Materialwahl fiel auf den heutigen Sports-Wear-Stoff schlechthin: Softshell.
Sattel und Zaumzeug der Pferde sind aus Leder gefertigt. Vielleicht trug die Tatsache, dass die Malerin, Marie Ellenrieder (1791-1863), die erste Frau war, die das Privileg erhielt, an der Kunstakademie zu München studieren zu dürfen, auch dazu bei, dass die Studentin in der Reiterin eine Frau sieht, die die Zügel selbst in die Hand nimmt. Jedenfalls ist dies ihre Inspiration für die Lederjacke, die mit voluminösen Ärmeln mit vielen kunstvollen Drapierungen – den auf dem Gemälde dargestellten sog. Keulenärmeln nachempfunden – daherkommt.
Das hochgeschlossene damalige Outfit der Reiterin samt Schleier am Zylinder assoziierte Studienkollegin Stella Muriel Müller mit Verhüllung und kam so auf die Burka, die in der Modenschau zu sehen war. In die Ausstellung schaffte es eine weitere Assoziation, ‘Aufbruch unter Verhüllung’ mit vielen Reissverschlüssen: Hier lässt sich etwas öffnen.
Ist die Reiterin nicht auch Vorreiterin, gleichberechtigt und frei? Unter dieser Fragestellung näherte sich die dritte Studentin, Corinna Kolter, dem Thema und setzt es in ein zeitgemässes Outfit aus schwarz-weissem Material-Mix um. Bei näherem Hinsehen bemerkt man die Stickerei auf dem Oberteil aus Spitze, einem Donald-Trump-Zitat von 1994: ‘I tell my friends to be rougher with their wifes’ (Ich sage meinen Freunden, sie sollen grober zu ihren Frauen sein).
Das ‘Mädchenbildnis’, das Albert Lang 1891 malte …
… inspirierte einige der angehenden Modeschöpfer*innen zu höchst unterschiedlichen Modellen, z.B. zu raffinierten Ärmellösungen oder …
… zu einem Oberteil mit vielen übereinander liegenden Biesen, einer sog. Taubenbrust.
Neben dem Schmetterling, der den Blickpunkt des Gemäldes darstellt, griffen die Schöpfer*innen ein weiteres, zunächst eher nebensächliches Detail heraus, nämlich die sich im Nacken des Mädchens vorwitzig aufstellenden Härchen …
… umgesetzt in ausfransende, sich lösende Elemente wie z.B. Lametta.
Jan Hartmann hingegen, der die Kleidung der portraitierten Frauen als Zeichen ihrer Unfreiheit interpretierte, verarbeitet in seinen Kreationen den Ausbruch der Frau aus den Fesseln der Gesellschaft. Rot, Weiss und Schwarz im Zackenmuster stellen für ihn die Farben der Revolution dar, das Material: hartes Leder, nur hie und da abgemildert durch weiche Stoffe. Auf in den Geschlechterkampf!
Von den weiteren zur Verfügung stehenden Gemälden sei noch ‘Vor dem Ausmarsch’ von Carl Hoff (1866-1904) genannt …
… das Sophie Peschanel ansprach und anregte.
‘Camouflage’ lautete ihr Stichwort. Die Farbgebung korrespondiert mit der des Gemäldes, die Modelle spielen offensichtlich auf das Militär an …
… beinhalten jedoch, wie der zweite Blick verrät, wiederum auch raffinierte Tarnung: durch eine zarte Tüllschicht.
Im Obergeschoss der Jungen Kunsthalle besteht für die Besucher*innen die Möglichkeit, selbst schöpferisch tätig zu werden. Zunächst werfe man einen neugierig-ausführlichen Blick auf die ‘Mapping Boards’, auf denen die Studierenden festhielten, wie sie von der Idee zum Outfit kamen.
Anhand von Skizzen, Entwürfen, Stoff- und Arbeitsproben und …
… den Assoziationen lässt sich nicht nur der Werdegang eines Stückes nachvollziehen, sondern vielleicht auch eine eigene Ideensammlung entwickeln.
Hier stehen Arbeitstische und vielerlei Materialien bereit, damit sofort losgelegt werden kann.
Her mit neuen Outfits und Accessoires! Und sogar ein Catwalk wartet auf Präsentationen!
Das Team der Kunsthalle freut sich auf viele interessierte Besucher*innen, Klein und Gross, alle sind willkommen.
Ein umfangreiches Programm ist vorbereitet, die Atmosphäre im detailreich gestalteten Haus sehr motivierend.
Die Modenschau am letzten Samstag war der perfekte Auftakt für die längsten Karlsruher Fashion Weeks ever!
Info:
6. April – 13. Oktober 2019
K & M – Kunst und Mode
Fashion Weeks in der Jungen Kunsthalle
Junge Kunsthalle Karlsruhe
Hans-Thoma-Strasse 4
76133 Karlsruhe
Deutschland
Öffnungszeiten:
Taglich: 10 – 18 Uhr, montags geschlossen
Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
Begleitprogramm:
Zur Ausstellung wurde ein umfassendes Begleitprogramm entwickelt. Die Themen, Formate und Termine sind hier online abrufbar
Begleitend zur Ausstellung entsteht ein Blog, der hier aufrufbar ist
Fotos: Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Museums – vielen Dank!
Hallo Gudrun,
wahrlich eine originelle Verbindung ist Kunst und Mode oder auch Mode und Kunst. Schöne Exponate, toll interpretiertes Thema. Wie immer ein einladender und interessanter Bericht.
Viele Grüße
Birgit
hallo birgit,
ganz herzlichen dank für dein lob, das ja eigentlich den studierenden gebührt, die sich 13 wochen lang mit ihrer aufgabe beschäftigten und sie so phantasievoll umgesetzt haben.
ich wünsche dir und allen leser*innen hier schöne ostertage!
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
gerade bei dem Bild: Was Männer verbindet – da hätte Deine Ausstellung gut dazugepaßt! Danke für den Bericht bzw. auch für Deine Ausstellungstipps und Deine Zeit, die Du dafür investierst!
VieleGrüße Luitgard
halli hallo luitgard,
1000 dank für deinen freundlichen kommentar, freut mich sehr zu lesen.
diese ausstellung in der jungen kunsthalle ist wirklich was besonderes, genau auf junge leute zugeschnitten. ich fühlte mich während der pressekonferenz in eigene studienzeiten zurückversetzt – nur, dass wir damals solch motivierende angebote nicht hatten. um so schöner für alle, denen es heute lust auf kunst und mode macht.
beste grüsse
gudrun