Kreative Artikel zum Thema Quilten

Basics für Artquilts und Mixed Media Teil 1 – Vliesofix

Basics für Artquilts lautet der Titel meiner neuen Artikelreihe hier im BERNINA Blog. In den kommenden Wochen und Monaten werde ich über unterschiedliche Materialien, deren Verarbeitung und Techniken berichten, die im Bereich der Artquilts Anwendung finden. Neben den bebilderten Berichten wird es auch zu jedem Themenblock ein Video-Tutorial in einem gesonderten Bericht geben, das eine noch detaillierte und auch variantenreichere Veranschaulichung zeigt.

Die einzelnen Themenblöcke werden folgendes Material/Techniken beinhalten:

  • Vliesofix
  • Lutradur
  • Papierlamination
  • Farbgestaltung von weissem Stoff ohne Einfärbung
  • Drucktechniken
  • Collagen, Stoff und Papier
  • Oberflächengestaltung
  • Maschinen-Art-Quilten
  • Kombinationstechniken

Nun stelle ich Euch nachfolgend ein erstes Material und seine Gestaltungsmöglichkeit vor:

Vliesofix

Eigentlich ist dieses Material sehr bekannt und findet seine Anwendung im Bereich der Applikation und des Bekleidungsnähens. Doch Vliesofix kann viel mehr. 

Um dieses doppelseitige Klebevlies farblich zu gestalten benötigt Ihr:

  • Abdeckfolie für die Arbeitsfläche
  • 3-4 leere flache Kunststoffschalen
  • 1-2 breite flache Malerpinsel
  • Vliesofix
  • Tesafilm/Klebeband
  • Wassersprühflasche gefüllt mit Leitungswasser
  • Backpapier
  • Bügeleisen

Die Arbeitsfläche wird vor dem Bemalen des Vliesofix mit Abdeckfolie versehen. Auf diese Folie legt Ihr nun einen Zuschnitt Vliesofix. Die Klebevliesseite zeigt nach oben. Die Grösse ist jeweils abhängig von der weiteren Verwendung. Ich empfehle zum Üben einen längeren schmalen Streifen, das lässt viel Spielraum zum Malen. Die Ecken klebt Ihr mit Klebeband auf die Abdeckfolie.

Nun sprüht Ihr mit der Wasserflasche das Vliesofix ein. Einige Sprühstösse reichen schon um das Papier soweit feucht werden zu lassen, damit es sich wellt.

Es braucht einige Sekunden bis die Feuchtigkeit durch die Klebeschicht des Vliesofix auf die Papierunterlage dringt und das Papier „arbeitet“.

Nach und nach bilden sich wunderschöne Verformungen im Vliesofix, die für die Struktur in der Farbgebung später dienen.

In die flachen Schalen gebe ich jeweils einen kleinen Klecks Acrylfarbe. Es ist eine ganz normale Acrylfarbe, die zum Malen auf Leinwand und/oder zum Basteln geeignet ist. Zur Farbe kommt eine kleine Menge Wasser, um die Farbe stark zu verdünnen. Es ist empfehlenswert zu Anfang mit nicht zuvielen Farben auf einmal zu arbeiten. Vielleicht startet Ihr sogar nur mit 2 Mischfarben, die, wenn sie ineinanderfliessen die dritte Farbe erzeugen. Wenn zuviele Farben untereinander vermischt werden, entsteht schnell ein Grau oder undefiniertes Braun. 

Mit dem breiten Pinsel lassen sich Farbe und Wasser bestens verrühren.

Dann streicht Ihr einige erste Striche verdünnte Farbe auf das feuchte Vliesofix auf.

Die zweite und dritte Farbe kommen nach und nach hinzu. Ihr werdet begeistert sein, wie schön die Farben in die Strukturen und Rillen des feuchten Materials fliessen und ganz von allein und unkontrolliert Muster entstehen. Ich bemale in diesem Beispiel den langen Vliesofixstreifen von beiden Enden aus. Rechts streiche ich die Farben eher im Block und in Linien auf…

und von der linken Seite vermische ich die 3 Farben gleich im Aufstrich miteinander. Aus Orange, Violett und Gelb entstehen die unterschiedlichsten Grüntöne. Stellenweise lasse ich die Grundfarben stehen und wirken. Vorerst jedenfalls.

 

Wenn Euch die Farbintensität zu stark ist, kann immer mit einem Sprühstoss Wasser verdünnt werden. Auch kann der entstehende Feuchtigkeitsüberschuss mit einem Küchenpapier weggetupft werden. Das Spiel der Farbgebung auf einem solchen Stück Vliesofix kann endlos sein. Es macht zudem einen Riesenspass.

Falls Ihr in Eurem Materialfundus Acryltinten vorrätig habt, ist es eine weitere Möglichkeit der Farbgebung. Gerade auf dem bereits feuchten Untergrund fliessen diese verflüssigten und hochpigmentierten Acrylfarben und zaubern filigranste verfranste Strukturen. 

Auf meinen vermischten Farbauftrag, der bis jetzt noch einen recht hohen Grün- und Braunanteil hat, kommen ein Olivgrün, ein Sonnengelb und ein Dunkelblau hinzu. Die meisten Acryltintengefässe sind im Verschluss mit einer Pipette ausgestattet. Somit ist der punktuelle Farbauftrag ein Kinderspiel.

Hier ist gut sichtbar, wie sich die Farbe ihren Weg in der Oberflächenstruktur sucht. Manchmal entstehen im Farbauftrag kleine Bläschen. Diese ergeben im getrockneten und weiterverarbeiteten Zustand ganz besonders schöne Ergebnisse. Also nicht unbedingt wegwischen.

Es ist immer ein wenig schwer herauszufinden und zu erspüren, wann es genug an Farbe ist. Hier hilft nur die Übung und die Schulung des Auges.

Nun kommen noch ein paar gelbe Highlights in die blau-grün-braune Umgebung. Für ganz kleine Tropfen nutze ich gerne eine dieser langen Kunststoffpipetten. 

Hier und da gebe ich einen kleinen Schuss Farbe hinzu. Die hochpigmentierte Acryltinte wirkt sofort und bringt das ganze zum Leuchten.

Im Vergleich zum ersten Farbauftrag hat sich das Papier nun stark verändert. Strukuren und Farben sind ausgeprägter, es sind intensive und auch sehr durchsichtige zarte Farbfelder entstanden. Und der Bogen Vliesofix ist in diesem Zustand sehr nass.

Auch haben sich die Farben auf der anderen Seite des Vliesofix, das ich zwischenzeitlich halbiert habe, wunderschön ausgebreitet. Gleichzeitig haben sich grosse Blasen gebildet. Es ist ein Material, das in seiner eigenen Dynamik kaum zu beeinflussen ist.

In diesem ganz nassen Zustand hänge ich beide Papiere auf einen Wäscheständer, denn ich möchte insbesondere bei diesem gelb-grün-blauen Farbverlauf noch ein starkes Ineinanderlaufen der Farben provozieren. Durch den Wind bewegt sich das Papier reichlich und die Farbe sucht sich ihren eigenen Weg. Das Gelb wird grossflächig und Grün und Blau laufen in die vertikale Richtung hinab. Wichtig: wenn der Untergrund empfindlich ist, sollte unter den Wäscheständer unbedingt eine Folie gelegt werden. An sonnigen Tagen trocknet das Material sehr schnell. Es kann genauso gut im Liegen getrocknet werden, entweder im Freien und auch selbstverständlich im Innenraum, am besten über Nacht – und auch hier sollte natürlich eine Folie darunter liegen.

Beide bemalten Zuschnitte sind zwischenzeitlich getrocknet. Sie können nun auf ein Trägermaterial aufgebracht werden. Entweder farbigen, oder weissen feinen Baumwollstoff, oder auch ein weisses Waschpapier. Ich nutze für dieses Beispiel eine feine weisse Baumwollpopeline. Den weissen feinen Baumwollstoff habe ich gebügelt und bereitgelegt. 

Ich zeige Euch nun 2 Varianten der weiteren Verarbeitung des bemalten Vliesofix: Variante 1

Reissen – Bügeln – schichtweise Aufbügeln

Die hauchdünne Klebeschicht des Vliesofix ziehe ich vorsichtig vom Papier herunter. Beides, Klebeschicht und Papier sind mit der getrockneten Acrylfarbe belegt. Das Papier, für das ich momentan keine Verwendung habe, lege ich beiseite. Es eignet sich hervorragend für Papiercollagen. 

Linksseitig liegt das Papier, rechtsseitig das zarte Klebevlies.

Nun reisse ich das feine Vlies in unterschiedlich grosse Stücke.

Und ordne sie neu zusammen, so dass eine naturhafte Optik entsteht. Die geraden Randkanten des Vliesofix reisse ich nochmals nach, so das immer eine homogene Kante entsteht.

Die gerissenen Stücke lege ich identisch oder ganz ähnlich auf den weissen Baumwollstoff und schichte eine Lage Backpapier darüber. Dann bügel ich mit Baumwolltemperatur das bemalte Vliesofix auf den Stoff auf.

Erst wenn Papier und Stoff ganz ausgekühlt sind kann das Backpapier abgezogen werden. Sollte sich das Vliesofix stellenweise noch lösen, muss nochmals darüber gebügelt werden. Der Bügelvorgang beträgt wirklich nur wenige Sekunden.

Ganz glatt und zart wirkt das bemalte Material auf dem weissen Stoff. Diese Form der Bildgebung erreicht man wirklich nur durch und mit Vliesofix. 

Zweite Variante: der komplette Bildübertrag

Den zweiten getrockneten Bogen verarbeite ich im Ganzen und nutze ihn als kompletten Bildhintergrund.

Mit der bemalten Fläche wird das Material auf einen glatt gebügelten Stoff – am besten eignet sich weiss – aufgelegt. Die aufstehenden Rillen des Hintergrundpapiers sind vielleicht irritierend, werden am Ergebnis jedoch nichts ändern. Keinesfalls darf das Papier vor dem Übertrag “glattgebügelt” werden.

Auch hier liegt eine Schicht Backpapier zwischen Vliesofix und Bügeleisen. Bei einer grösseren Fläche braucht es ein klein wenig länger, bis das Vlies auf dem weissen Untergrundstoff klebt. Auch hier sind es eigene Erfahrungswerte, die Ihr machen müsst. Jeder Farbauftrag, jede Acrylfarbe und sogar jedes Vliesofix reagiert in der Verarbeitung ein klein wenig unterschiedlich.

Aufgebügelt schaut das Gesamtbild mit der glatten Papierrückseite nun so aus:

Dann wird die Papierrückseite langsam abgezogen. Oftmals lässt sie sich nicht komplett in einem Stück abziehen, sondern reisst immer wieder ein. Dies ändert jedoch nichts am Farbübertrag auf dem weissen Stoff. Und wie beim ersten Beispiel schon beschrieben: sollte sich an der einen oder anderen Stelle das Klebevlies nicht vom Papier lösen, legt man das Backpapier nochmals darüber und bügelt es punktuell nach. Wichtig: eine bereits aufgebügelte Schicht Vliesofix muss IMMER mit Backpapier vor Hitze geschützt werden, sonst bleibt sie stückweise am Bügelweisen haften.

Fertig ist der Farbübertrag auf Stoff – als Gesamtbild und als bildhafte Vorlage für einen Artquilt – und die Papierreste, die sich ebenfalls für den Einsatz in eine Papiercollage eignen.

Um den Faden für einen Gesamtübertrag und seine Ausgestaltung ein wenig weiterzuspinnen, zeige ich Euch, wie ich an den beiden kleinen Vorlagen weitergearbeitet habe. Das Gelb, Blau und Grün passt gerade so gut zu den blühenden Rapsfelder und den Pusteblumen. Also habe ich ein Thermofaxsieb mit Pusteblumenmotiv herausgesucht, dazu eine Siebdruckfarbe, Rakel und Spatel. Bemerkt sei, dass ich auf das Thema Druckgestaltung, Siebdruck & Co einen gesonderten Artikel posten werde.

Etwas Silber gebe ich auf die Rakel

und drucke eine erste Pusteblume auf das aufgebügelte Vliesofixbild

beide Farbgebungen sind komplett unterschiedlich – einmal liegen nun zuunterst die filigranen und offenen Strukturen, darüber setzt sich der satte silberne Siebdruck. Und schon entsteht eine vage Tiefe im Bild,

die sich mit jedem weiteren Motiv verstärkt.

Die Siebdrucke lasse ich an der Luft gut trocknen.

Wie habe ich das erste Muster weiter ausgestaltet? Hier habe ich die groben Naturstrukturen aufgefangen und mit zweierlei Garnen von Hand hineingestickt. Ein Multicolor Leinengarn und ein hauchdünner Metallfaden sind kombiniert. Es ist für diese Artikelserie ein erster Ansatz um Aufzuzeigen, was möglich ist. Sicherlich werde ich dieses Muster im Laufe der Serie weiter mitgestalten.

Im zweiten Muster sind einige erste Fadenstrukturen mit Maschinenquilten hinzugekommen. Hier habe ich den Bildübertrag mit der Quiltgestaltung übernommen. Auch zum Maschinenquilten wird es einen gesonderten Artikel geben. 

Bemaltes Vliesofix eignet sich bestens zur direkten Hintergrundgestaltung auf weissem Grundmaterial, wie Stoff oder auch Papier. Die durch die Kolorierung entstandenen Strukturen sind mit kaum einer anderen Technik zu erreichen. Mit übereinanderlagernden und farblich unterschiedlichen Schichten können intensivste Farbgebungen zusammengesetzt werden. Und feinste, zarteste und leichteste, schier transparente Strukturen sind mit einer aquarellartigen Bemalung des Klebevlieses ebenfalls möglich. Das Material ist extrem vielseitig in der Gestaltung und Verwendung. Und bestens mit weiteren Textilkunsttechniken kombinierbar. 

Sicherlich werden Fragen auftauchen und ich bitte Euch, sie gerne hier in den Kommentaren zu stellen. Ich werde mich bemühen, sie schnellstmöglich zu beantworten. Vieles wird nochmals im kommenden ersten Video Tutorial zu diesem Thema “Farbgestaltung von Vliesofix” besser veranschaulicht werden. 

Einen Hinweis zum Thema Materialien und Marken möchte ich zum Abschluss dieses ersten Teils der neuen Serie geben. Alle von mir verwendeten Materialien und Marken sind auf den Fotos sichtbar. Im Kreativmarkt sind Produkte von günstig bis unendlich teuer erhältlich. Dabei hat manchmal der Preis mit der Qualität wenig zu tun. Wer Fragen zu speziellen Herstellern hat, darf mir sehr gerne dazu mailen ([email protected]). Ich gebe, soweit ich damit Erfahrung habe, gerne eine Info. 

Nun freue ich mich, das Video für Euch anzufertigen und dann sehen wir uns schon bald wieder.

Herzlichst,

Jutta

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