Derzeit präsentiert die Städtische Galerie in der Reithalle in Paderborn-Schloss Neuhaus die Ausstellung ‘Seet van Hout – Building the Garden’ – eine Empfehlung von einer Quiltfreundin, die mich darauf hingewiesen hat. Monika schreibt: ‘Gerade komme ich zurück aus Paderborn. Dort habe ich eine wunderschöne Ausstellung angesehen: BUILDING THE GARDEN, Arbeiten von Seet van Hout, unschwer zu erkennen: sie ist Holländerin. Auch der Ort war sehr gut gewählt. In der Reithalle von Schloss Neuhaus kommen die Werke SEHR gut zur Geltung.’ Diese Begeisterung und mitgeschickte Fotos sowie ein Zeitungsausschnitt haben mich dazu veranlasst, mich mit dem Museum in Verbindung zu setzen, um Näheres zu erfahren. Und ich kann es gleich vorwegnehmen: Ich bin hin und weg! Danke Monika!
Blüten und Ranken wuchern über Seet van Houts Arbeiten und verwandeln die Reithalle in einen atmosphärischen Bildraum. Abstrakte Formen und gestickte Pflanzenmotive verbinden sich in ihren Bildern zu einem tiefgründigen Kosmos. Die Künstlerin arbeitet nicht mit dem Pinsel, sondern sie lässt Farbe auf den Leinwänden fliessen, tropft, wirbelt, giesst, so dass freie, diffuse Farbbewegungen entstehen. Anschliessend stickt und näht sie konkrete Formen in die Farbwogen. Diese eigene Technik, die fliessende Malerei, kombiniert mit gezeichneter Stickerei und freiem Fadenspiel, wirkt sehr ästhetisch.
Elemente aus den Kupferstichen der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian und aus Druckgrafiken des 15. bis 18. Jahrhunderts wie Kräuter- und Apothekerbüchern, die die Entwicklung der naturgeschichtlichen Blumen- und Pflanzendarstellung aufblättern, nutzt die Künstlerin, um – wie in einer Collage – mit ihrer Stickerei die verschiedensten Fragmente zu neuen Figurationen zusammenzufügen.
Die Rückseiten der Arbeiten weisen lose Fäden und Verdichtungen an Stellen, wo sich Stiche angehäuft haben oder Fäden gewechselt worden sind, auf. Diese Störungen und Überraschungen machen hier das Spiel mit Zufall und Ordnung sichtbar. An manchen Stellen gibt es filigrane Perforationen. Hier gerät der Blick ins Stocken, dies weist aufs Textile hin.
Für Seet van Hout ist das Gartenmotiv nicht unbedingt naturalistisch zu verstehen, sondern vielschichtig. Es steht auch für innere Prozesse: ‘Was wir im Kopf haben, ist wie ein Garten. Und dafür gilt es eine Struktur zu finden.’
‘Nahezu mystisch mutet der Nachschattenraum an’, kündigt Museumsleiterin Dr. Andrea Brockmann einen besonderen abgedunkelten Ausstellungsteil an. Verschiedene rot-schwarz changierende Leinwände sind eng gehängt, die der Besucher mit einer Taschenlampe anstrahlt. Nie hat man den ganzen Raum im Blick. Im diffusen Lichtstrahl erscheinen nur Ausschnitte und Teile: gestickte Motive, Blütenstände, Sprossen, Früchte, Blätter, wesenhaft vereinzelt und als Motiv verrätselt.
Zu den Nachtschattengewächsen gehören Gemüsearten wie Kartoffeln oder Tomaten, aber auch Genuss- und Rauschmittel wie Tabak oder die sagenumwobene Alraune. Mit ihrer Rauminszenierung greift Seet van Hout die zauberhafte Wirkung von halluzinogenen Pflanzen auf. ‘Sie entführt uns in ein geheimnisvolles Dunkelreich’, so Dr. Brockmann.
Vor dem Hintergrund aktueller Themen und Diskussionen über Klimawandel, Artensterben, verschmutzter Meere oder Abholzung des Regenwaldes stellt die Natur ein wichtiges, existenzielles Thema dar. Menschliche Eingriffe haben die Zerstörung zur Folge. ‘In der Kunst dagegen’, schreibt Dr. Brockmann im Katalog, ‘gibt sich Natur als widerständig und belastbar, als unerschöpflich und wandelbar zu erkennen. Sie ist Motiv- und Ideengeberin und stellt der Kunst ein grosses Reservoir der inhaltlichen wie materiellen Stoffsammlung zur Verfügung.’ Das Spektrum der gegenwärtigen künstlerischen Annäherungen sei weit, fährt Dr. Brocmann fort und: ‘Seet van Hout wählt einen metamophorischen Ansatz, um Natur, Garten, Pflanze zu ihrem Thema zu machen … und es offenbart sich ein komplexes Gefüge von Zusammenhängen, das auf kulturelle Phänomene und Prozesse übertragen werden kann.’
Die vielen Fäden, die die Künstlerin zusammenführt, sind Ausdruck organisch-natürlicher Wachstumsprozesse: ‘Es entsteht ein kognitiver Garten, ein Gedankenmodell, eine Traumlandschaft’. Eine Empfehlung.
Ein gut gemachter Katalog ist erhältlich.
Info:
22. Juni – 15. September 2019
Seet van Hout – Building the Garden
Städtische Galerie in der Reithalle
Paderborn-Schloss Neuhaus
Im Schlosspark 12
33104 Paderborn-Schloss Neuhaus
Deutschland
Öffnungszeiten:
Täglich: 10 – 18 Uhr
ausser montags
So, 25. August 2019, 11 Uhr:
Kuratorenführung mit Dr. Andrea Brockmann
Sa, 31. August 2019, 18 – 24 Uhr:
Museumsnacht
Kunst sehen und erleben: Studierende des Instituts Kunst/Musik/Textil an der Universität Paderborn gestalten das Programm in der Städtischen Galerie in der Reithalle und provozieren, unterhalten, machen neugierig.
Sa, 14. September 2019, 15 Uhr:
Öffentliche Führung
So, 15. September 2019, 16 Uhr:
Finissage mit Künstlergespräch
Die Künstlerin Seet van Hout berichtet über ihre Maltechnik, das Verhältnis und Miteinander von Farbe und Stickerei sowie die unterschiedlichen Arbeitsschritte im Atelier.
Fotos und Informationen freundlicherweise vom Museum zur Verfügung gestellt – vielen Dank!
Bitte informieren Sie sich vor einem Ausstellungsbesuch auf der jeweiligen Website besonders über die genauen Öffnungszeiten – es kann sich immer etwas ändern.
Weitere Ausstellungen finden Sie auf meiner Website in der Rubrik AUSSTELLUNGSKALENDER.
Hallo Gudrun,
die textilen Bilder wirken so filigran und zerbrechlich. Eine überaus spannende Art, das Thema Natur und Blumen textil umzusetzen. Danke für den schönen Bericht, auch Dank an Monika für den Tipp. Übrigens…bepflanzte Bushäuschen finde ich klasse. Eine gute Idee.
Viele Grüße
Birgit
Liebe Gudrun, wie schön, dass Du es, trotz knapp bemessener Zeit, noch geschafft hast auf diese Ausstellung hinzuweisen. Sie ist wirklich einen Besuch wert! Der abgedunkelte Raum erzeugt ein ganz anderes “Hinsehen”. DANKE für Deine Mühe! Lieben Gruß monika
halli hallo monika,
danke dir sehr für alles, den tollen tipp, deine unterstützung und den lieben kommentar!
herzlichst
gudrun
Sehr gerne! Ich profitiere immer von all Deinen Tipps und weiß, wie viel Arbeit und Einsatz dahinter stecken. LG monika
Liebe Gudrun,
du bist mit deinen Artikeln ja schneller, als der Schall.
Aber die von dir so schön beschriebene Ausstellung ist bestimmt sehr sehenswert.Die Idee ,das Thema Garten und Natur so umzusetzen ,gefällt mir sehr.Überhaupt haben ja Holländer ein Händchen für Pflanzen und Gestaltung von Gärten.
Aber auch die Idee, die Bilder mit den Nachtschattengewächsen in ein besonderes Licht zu setzen , ist großartig.
Danke für die Infos und herzliche Grüße
Erika
halli hallo erika,
vielen dank für deine lobenden worte – ohne den hinweis von monika wäre der artikel nicht geschrieben worden. aber so … ich finde, es musste dann schon sein, denn mich hat diese ausstellung auch begeistert. und weil das laufzeit-ende schon mitte september ist, wollte ich keine zeit verlieren.
das händchen der holländer für pflanzen hat sich übrigens gestern wieder in einem bericht in den tv-nachrichten bestätigt: die stadt utrecht hat sämtliche dächlein ihrer bushaltestellen bepflanzt – ‘fette henne’ & co gedeihen dort bestens – und schuf dadurch grün auch als haltepunkte für insekten in der ganzen stadt in der gesamtfläche von drei fussballfeldern. ist das nicht eine tolle idee? zur nachahmung empfohlen!
beste grüsse
gudrun
Eine wunderbare Idee und die Stadt ist zudem auch autofrei.
Liebe Grüße
Erika