Kreative Artikel zum Thema Nähen

Königsblauer Rumana-Mantel von By Hand London

Heute erzähle ich euch alles über meinen neuen, traumhaften Rumana-Mantel von By Hand London. Aber erst mal wollte ich mich bei euch für das tolle Feedback zu meinem letzten Beitrag bedanken. Eure Kommentare haben mich geradezu überwältigt! Da viele von euch sich offenbar für nachhaltige Mode, Stoffe und Stoffrecycling interessieren, habe ich beschlossen, daraus eine kleine Serie zu machen.

Ich werde in jedem Beitrag ein anderes Substrat vorstellen, im Hinblick auf dessen Vor- und Nachteile in Sachen Nachhaltigkeit. Idealerweise ist das Kleidungsstück, das ich euch vorstelle, gleich aus diesem Material gefertigt. Zum Schluss versuche ich ein paar Einkaufstipps zusammenzustellen, an die ich mich selbst auch immer wieder erinnern muss. Wenn ihr euch aber gerade nicht mit diesem Thema beschäftigen wollt, dann könnt ihr dieses Kapitel gerne überspringen und direkt beim Mantel weiterlesen.

Über Wolle

Wolle, hach! Wenn es ein Material gibt, das ich über alles zum Vernähen liebe, dann ist es Wolle. Mein fünfjähriges, Wollstrumpfhose tragendes Ich würde mich selbstverständlich anschreien bei dieser Aussage. Denn das ist die Assoziation, die viele Menschen mit Wolle haben. Aber ich sag euch, Wolle kann ALLES! Sie kann wunderbar fliessend in einem Merino-Jersey verarbeitet sein, uns einen wärmenden dicken Wintermantel schenken, absolut smart in einem Businessanzug daherkommen und absolut luxuriös in einem Kleid aus Wollcrepe (kommt im Mai!).

Wolle ist eine natürliche Faser, die typischerweise von Schafen gewonnen wird. Selbstverständlich gibt es auch Bisonwolle, Hasenwolle oder Kamelhaar, aber gemeinhin meinen wir Schafswolle, wenn wir von Wolle sprechen. Nachdem die Schafe geschoren sind und die Wolle gewonnen wurde, muss sie chemisch behandelt werden. Zum einen werden so Überreste (sowohl Hautpartikel, Fett als auch leider Pestizide) entfernt zum Anderen kann die Wolle so weiterverarbeitet, gebleicht und gefärbt werden. Nur die allerfeinste Wolle schafft es in die Bekleidungsindustrie. Übrigens: Die meisten “Wollpullover” der heutigen Modeketten bestehen nur zu einem geringen Prozentsatz aus Wolle; meistens jedoch aus Polyacryl. Selbst wer beim grossen Onlineriesen “Wollpullover” eingibt, erhält Kleidungsstücke als Ergebnis, die zu 100% aus Polyacryl bestehen.

Lasst uns nun einige Vor- und Nachteile der Wolle anschauen:

Vorteile

  • Wolle ist biologisch abbaubar. Wenn ihr mir nicht glaubt, schaut euch mal dieses Video hier an.
  • Wolle funktioniert wie eine gute Isolierflasche. Was warm bleiben muss, bleibt warm. Was gekühlt werden muss, wird kühl gehalten. Wolle transportiert Feuchtigkeit nach aussen. Es ist also kein Wahnsinn, im Sommer einen Anzug aus leichtem Wollstoff zu tragen.
  • Ich habe noch keinen Wollstoff gefunden, der sich nicht wunderbar bügeln lässt. Wolle ist euer Freund.
  • Wolle kommt in der Natur bereits vor (klar, sie muss gewonnen werden) und sie ist erneuerbar. Schafe können sich von Rasenflächen ernähren, die schwierig zu bewirtschaften sind.

Nachteile

  • Leider habe ich bei meiner Internetrecherche nachlesen müssen, dass es in der Woll-Industrie offenbar häufig vorkommt, dass die Schafe in Pestiziden gebadet werden. Das ist für das Tier schädlich, aber auch dem Menschen nicht gerade zuträglich.
  • Wolle wird oft chemisch stark behandelt, um sie unattraktiv für Motten zu machen und natürlich um sie zu färben. Das Thema Farbe ist aber bei der Stofffabrikation universell, weshalb ich in einem späteren Post darauf eingehen werde.
  • Einige ziehen es vor, ihre Wollkleider in die chemische Reinigung zu geben, was natürlich für die Umwelt nicht gerade der Hit ist.

Wolle pflegen

  • Wolle kann man entweder von Hand oder in der Maschine mit dem Schonwaschgang waschen. Da wir Näherinnen und Näher sind, können wir die Verträglichkeit sogar mit einer kleinen Stoffprobe prüfen. Ich bin nicht bereit, ein Kleidungsstück zu pflegen, das ich nicht selbst in meinen vier Wänden waschen kann.
  • Trocknen am besten flach, damit sich die Wolle nicht verzieht.
  • Wollkleidung am besten in einen Waschsack geben.
  • Die Textilbezeichnung von Wollfasern beginnen immer mit “W”, z.B. WV=Schurwolle, WS=Kaschmir etc.
  • Motten lieben Wolle. Meistens wird Wollkleidung mit Mottenkugeln (Chemie) eingemottet. Wer darauf verzichten möchte, versucht es mit Lavendel. Diesen Geruch mögen die Motten nämlich nicht.
  • Leichtere Wollstoffe resp. Wollstoffe, die ich anschliessend für Alltagskleidung vernähen möchte, wasche ich wie oben beschrieben vor. Mantelstoffe gebe ich mit einem sehr feuchten Handtuch in den Trockner. Der dadurch generierte Dampf führt dazu, dass der Stoff bereits etwas einläuft. Nicht, dass ihr nachher mit dem Bügeleisen euren Mantel einschrumpft.

Nun, wo stehen wir also? Wer kann, darf gerne auf GOTS (Global Organic Textile Standard) oder andere zertifizierte biologische Wolle zurückgreifen. Zwar sind auch bei diesen Zertifikaten gewisse Chemikalien erlaubt, dies aber nur eingeschränkt. Und immerhin dürfen diese Schafe mit Sicherheit im Wasser baden. Alles in allem ist Wolle eines meiner liebsten Materialien. Wie sieht es bei euch aus?

Mein Rumana-Mantel

Diesen wunderbaren blauen Mantelstoff habe ich von einem Händler in Bad Säckingen gekauft, der den Grossteil seiner Waren bei Modeherstellern und Designern, welche die Ware nicht mehr benötigen, aufkauft. Der Stoff an sich ist schon relativ dick, aber ich wollte ihn dennoch noch etwas wärmer gestalten, weshalb ich Baumwollvlies als Zwischenfutter gewählt habe. Das Zwischenfutter habe ich direkt zusammen mit dem Futterstoff vernäht – also als eine Lage.

Was das Futter betrifft, so muss ich euch gestehen, dass es sich um Polyester handelt. Ich habe das Internet (und von den Stoffläden ganz zu schweigen) durchforstet, um eine Seide oder Viskose zu finden, die einen Pfauendruck hat. Dass ein Pfauenprint sein muss, das wusste ich schon. Ich liebe es, extravagante Stoffe als Futter zu verwenden. Da ich im Internet nicht fündig wurde, blieb nur noch Spoonflower. Spoonflower hat denn auch ohne Probleme diverse Pfauenmuster im Angebot, das ich auf einen Stoff meiner Wahl drucken lassen konnte. Da es etwas “Rutschiges” sein musste, fiel meine Wahl auf den Polyestersatinstoff. Ich habe schon mehrmals Stoff von Spoonflower gesponsert erhalten. Diesen Futterstoff aber habe ich mir bereits vor 1.5 Jahren besorgt und damit auch selbst bezahlt. Mittlerweile hat der Hersteller auch Bio-Baumwollsatin im Angebot und das hört sich ebenfalls wunderbar an. Falls euch das Design gefällt, könnt ihr es euch auf unterschiedliche Stoffe drucken lassen.

Der Rumana-Mantel besteht aus Prinzessnähten, hat integrierte Taschen und einen wunderbaren Kragen. Ein richtiger klassischer Mantel eben! Für diesen Mantel habe ich sogar ein Probemodell gefertigt. Vernäht habe ich die Grösse 18. Die Schultern musste ich 4 cm einnnehmen (muss ich leider immer) und ich habe sowohl oberhalb als auch unterhalb der Taille 1 cm in der Länge entfernt. Der Schnitt empfiehlt eine Bügeleinlage für den Beleg, Kragen, vordere Mitte und den Saum. Ich habe mich jedoch dafür entschieden, den gesamten oberen Bereich zu verstärken.

Hier seht ihr, dass die Verstärkung ungefähr bis zur Taille reicht…

In der Regel vernähe ich bei Mantel- oder Jackenprojekten das Futter zuerst. Dafür gibt es keinen inneren logischen Grund. Es ist einfach meine Präferenz.

Als nächstes wird das Seitenpanel vernäht, das zugleich die Taschen enthält.

Ziernähte sind bei diesem Projekt optional.

Der Obertransportfuss von BERNINA war mir bei diesem Projekt eine grosse Hilfe. Er sorgt dafür, dass alle Stofflagen gleichermassen transportiert werden.

So sieht eine Seite fertig aus (ohne Rückenteil).

Auch hier eine Note Ehrlichkeit: Es ist keine gute Idee, nach 10 Uhr noch zu nähen; ich hab den Ärmel falsch herum angenäht. Bravo!

Wenn ihr alles zusammen habt, gilt es, das Monster zu bügeln…

Anschliessend wird das Futter in den Mantel eingenäht. Im hinteren Bereich des Gehschlitzes wird natürlich eine Öffnung zum Umstülpen belassen.

Damit der Saum schön flach liegt, habe ich mich dazu entschlossen, das ganze mit einem Hexenstich von Hand zu fixieren.

Dann kam das Knopffiasko.

Ich habe zwar eine Stoffprobe mit zum Händler genommen, das ganze aber nicht bei Tageslicht betrachtet. Die Knöpfe hatten nicht exakt den richtigen Farbton. Also habe ich versucht, sie zu überziehen, was sie aber überdimensioniert erscheinen liess. Ich wollte ja keinen Sixties-Mantel. Zum Schluss habe ich mich für Metallknöpfe entschieden.

Hier wird der Mantel ausgestülpt.

Ich liebe meinen neuen Mantel! Seit ich ihn getragen habe, ist mir jedoch ein Knopf abgefallen und ich habe es während all diesen Wochen nicht geschafft, diesen wieder anzunähen. Ist das nicht traurig? Den Mantel habe ich trotzdem getragen…

So, das wär mein neuestes Nähabenteuer gewesen. Falls ihr zwischenzeitlich mehr von mir lesen möchtet, könnt ihr mir auf Instagram folgen. Aktuell zügle ich unsere Nähecke in einen anderen Raum (man kann sogar die Türe schliessen, juhu) und poste in den Stories immer wieder mal den Fortschritt…

Viel Spass beim Nähen!

Nadine

Schwierigkeitsgrad: Profi
Zeitaufwand: eine Woche und mehr
Verwendete Produkte:
BERNINA 350 PE
BERNINA 350 PE
BERNINA L 460
BERNINA L 460
Obertransportfuss # 50
Obertransportfuss # 50

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