Die letzte Konfirmation in unserem Hause steht an – und da freute ich mich sehr, dass in der aktuellen Ausgabe der “La Maison Victor 2/2021” mit dem Schnittmuster “Wilson” ein modernes gefüttertes Sakko enthalten ist: ohne Revers, schmal geschnitten, groß eingearbeitete Taschen und ohne die klassischen Schlitze an Ärmel und Rücken. Dieses Sakko konnte ich mir für meinen 14-jährigen Sohn gut vorstellen und begann, alles an Materialien zu organisieren, damit es auch “richtig” wird.
Material für das Sakko “Wilson”
Zuerst suchte ich für den Anzugsstoff in Grau ein Futter in Anthrazit – ich habe dafür einen Venezia-Futterstoff gewählt.
Dazu kam noch einiges an Vliesen und Polsterungen – da ich vorher noch nie ein Sakko genäht habe, erschrak ich fast, was nötig ist, damit ein Sakko zu einem Sakko wird:
- Schulterpolster
- Ärmelfische
- Nahtband (für gerade Nähte)
- Formband (für runde Nähte)
- Bügelvlies (bspw. H410)
- Haareinlage zum Einnähen
Zuschnitt und Verstärkung des Sakko “Wilson”
Zugeschnitten habe ich auf unserem großen Esszimmertisch – der Stoff kann dort gut im Stoffbruch liegen und dank knapp 2,50 m Länge lassen sich auch die vielen großen Teile des Sakkos gut zuschneiden.
Daran schloss sich das Verstärken der einzelnen Teile an. Die Vorderteile werden neben einer kompletten Bügelvlies-Verstärkung im oberen Teil mit einer Haareinlage verstärkt. Dies sorgt für den “Griff”, also damit sich das Jacket auch als Jacket anfasst.
Ich habe dazu die beiden ausgeschnittenen und mit Bügelvlies beklebten Vorderteile auf die Haareinlage gelegt und im oberen Bereich mit einem Heftfaden in parallelen Linien aufgeheftet.
Die Haareinlage soll sich nur im oberen Bereich der Vorderteile befinden, daher reicht die Haareinlage bis ca. 6 cm unterhalb des vorderen schrägen Kante.
Vorne an der schrägen Kante und im Bereich des Armlochs wird die Haareinlage mit der Nähmaschine innerhalb der Nahtzugabe festgenäht.
Erst danach habe ich die überstehende Einlage entlang des Vorderteils abgeschnitten. Auf die Haareinlage zeichnete ich eine geschwungene Linie…
… entlang der ich die Haareinlage abgeschnitten habe.
In der “La Maison Victor” sind alle weiteren Arbeitsschritte gut erklärt, daher zeige ich den Nähprozess hier im “Schnelldurchlauf”.
Nähen des Sakkos “Wilson”
Die Taschen am Vorderteil werden entsprechend der Anleitung eingenäht.
Am zusammengenähten Rückenteil sieht man nochmals gut, wie verstärkt wird: die geraden Kanten an der Schulter, die runden Kanten am Armloch, der Schulterbereich und der Saum.
Kommen nun die Vorderteile ans Rückenteil, nimmt das Sakko so langsam Gestalt an.
Durch den zweiteiligen Ärmel formt sich der Ärmel schön – es ergibt sich dadurch auch eindeutig ein rechter und ein linker Ärmel.
Der Ärmel wird unter Beachtung der Markierungen richtig eingesetzt und eingenäht – ich nehme dazu gerne viele Stecknadeln um den Ärmel im Armloch zu befestigen und kann so den Ärmel faltenfrei einnähen – das Bild hier ist vom Nähen des Futter.
In das Armloch werden die Ärmelfische eingenäht. Diese sorgen dafür, dass der Ärmel oben an der Schulter schön fällt.
Die Ärmelfische werden innerhalb der Nahtzugabe an das Armloch angenäht und zeigen Richtung Ärmel.
Auf die Schulternaht kommt das Schulterpolster. Ich habe das Polster zuerst an der Schulternaht mit einer Klammer befestigt.
Anschließend habe ich es von Hand auch auf der Nahtzugabe des Armloches angenäht.
Das Sakko aus Außenstoff wird mit dem Futtersakko samt angenähten Belegen verstürzt.
Mit ein paar Handnähten an den Säumen ist das Jacket dann vollendet.
Ich mag die Verarbeitung mit den Belegen sehr – am unteren Saum und am Ärmelsaum wird der Außenstoff umgeschlagen.
Ja – soweit ist das Sakko gut gelungen – allein mein Sohn passt nicht hinein. Ich habe zwar ein Probemodell aus Nessel genäht und gemerkt, dass es an den Armen etwas eng wird. Es gelang mir aber nicht, wie sich nun herausstellte, die Ärmel ausreichend weiter zu machen – die Oberarme des Sakkos sind für die kräftigen trainierten Oberarme meines Sohnes zu schmal…
Daher kann ich das Sakko leider nur an der Schneiderbüste zeigen. Wenn Ihr das Sakko auch nähen wollt: ein Probeexemplar aus Nessel ist, wie meist bei solchen Projekten, eine gute Idee. Da der Ärmel relativ schmal ist, empfiehlt sich hier v.a. ein Probeärmel.
Ich habe aber beim Nähen des Sakkos sehr viel über Nähtechniken gelernt – und auch, warum die Maßschneiderei ein Lehrberuf ist!
Liebe Grüße
Ines
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Hallo Ines, vielen Dank dafür, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, alles aufzuschreiben. Dadurch war ich gewarnt und habe die Ärmel deutlich weiter gemacht. Mein Probemodell passt jetzt :-). Bevor ich jetzt mit dem “guten” Stoff anfange, hätte ich eine Anfänger-Frage zu den Formband-Verstärkungen (ist das erste Sakko 🙂 . Auf dem Bild vom Rückenteil sieht es so aus, als hättest Du die festgenäht. Kann man auch welche zum festbügeln nehmen oder geht das nicht zusätzlich zur Vlies-Verstärkung? Oder ist es einfach grundsätzlich besser, die anzunähen? Vielen Dank für die Hilfe!Grüße aus FrankfurtFranz
Hallo Franz,
das Formband ist fabrikseits mit einem Kettstich durchgesteppt (verhindert das Verziehen), daher sieht es aus, als ob es aufgenäht ist – ich habe es aber nur aufgebügelt. Ich kann Dir die Seite von Vlieseline unter vlieseline.com empfehlen. Dort wird genau beschrieben, wann man welche Verstärkung nehmen kann und wie man die Vliese “auf den Stoff” bringt.
Viele Erfolg beim Sakko-Nähen!!
Liebe Grüße
Ines
Liebe Ines,vielen Dank für diesen Beitrag und die ausführliche Beschreibung, das war sehr anregend und informativ. Umso bedauerlicher, dass das Sakko nicht passt. Mit ist das auch schon passiert. Da hast du mein Mitgefühl. Vielleicht lässt es sich retten. Bei den Herren sieht man jetzt sehr oft eine Blende / Borte, die an Sportswear erinnertan den Sakkos. Vielleicht kannst du den Ärmel an der “zweiten” Nahtauftrennen und eine Borte dazwischen setzen. Vielleicht ein Stück dazwischen setzten wie ein gestreckten Oval und dann die Borte darübersteppen. Trotzalle, euch eine schöne und gelungene Feier.Gruss Heike
Liebe Heike,
ich bin noch am Überlegen, wie ich nochmals an das Sakko rangehe – die Idee mit der Borte / Band gefällt mir ganz gut,
Mittlerweile hoffen wir, dass überhaupt ein Fest möglich ist…
Liebe Grüße
Ines
Ein Sakko oder Blazer ist ordentlich Arbeit und verlangt auch einiges an Geduld und Können. Ich habe früher alle meine Blazer selbst genäht. Ob ich es aktuell noch hinbekommen würde? Da bin ich mir nicht sicher, nach der langen Nähpause. Trotzdem würde ich nochmal an das Sakko rangehen und die nötigen Änderungen vornehmen. Unbedingt auch mit einer Anprobe der nur in die Schulterkugel gehefteten Ärmel. Vor dem erneuten Zuschnitt nochmals massnehmen und die nötige Zugabe für die Bewegungsfreiheit nicht vergessen und den Schnitt anpassen. Aber das weißt Du ja alles. Ich drücke beide Daumen. Das Sakko und deine viele Arbeit sind zu schade, um nur im Schrank zu hängen.
Herzlichen Dank für Deinen Zuspruch – momentan hängt es noch auf dem Bügel. Da sich die Konfirmation leider bis in den Juli hinein verschoben hat, eilt es nicht…
Liebe Grüße
Ines
Liebe Ines, was für ein wunderschöner Schnitt für einen Teenager! Gerade weil das Sakko nicht so ganz offiziell wirkt, könnte ich es mir gut für einen Konfimanden vorstellen. Schade , daß es nicht paßt- vielleicht hast Du irgendwann noch mal Lust auf Änderungen, aber dann muß der Ärmel wieder ganz rausgetrennt werden…sicher eine blöde Arbeit…Ich denke , daß eine wirklich fachgerechte Verarbeitung eines Sakkos die Möglichkeiten einer Zeitschriftanleitung sprengt. Es gibt ja ausführliche Videos übers Blazernähen, z.B. von Inge Szoltysik oder Closetcore, aber da wird dann alles auch über viele, viele Stunden erklärt. Das kann eine Zeitschrift sicher nicht so leisten- und muß sie auch nicht. Denn wir reden hier nicht über einen Anzug für einen Vorstandsvorsitzenden, von einem Maßschneider erstellt, sondern über eine Jacke für einen Teenager. Du hast beim Nähen viel gelernt, hast vielleicht auch noch Spaß dabei gehabt, Dein Sohn wird in welcher Kleidung auch immer konfirmiert…also, alles richtig gemacht!Ich wünsche Euch schöne Festtage mit dem Sohn!Liebe Grüße,Barbara
Liebe Barbara,
ja, so ging es mir mit dem Schnitt, dass ich mir den für einen Teenager gut vorstellen konnte – eben weil er nicht so förmlich ist. Nun wird der Bub im Hochsommer konfirmiert, da reicht dann vermutlich ein kurzärmliges Hemd.
Eine Zeitschriftenanleitung kann, wie Du richtig schreibst, ein solch komplexes Wissen rund ums Sakkonähen nicht vermitteln. Mir hat das Nähen und das Entdecken von neuen Einlagen (Haareinlage kannte ich gar nicht) Freude gemacht – auch wenn das Sakko im Moment keiner tragen kann.
Liebe Grüße
Ines
Der Ärmel steht zu weit nach hinten, er sollte etwas gedreht werden. Bevor man die hintere Ärmelnaht schließt, muss man den Ärmel dressieren. Dazu weitet man nur die Nahnzugabe der kurzen Nacht mit dem Bügeleisen und bügelt die Naht selbst und von dort den Stoff etwas kurz (kuzbügeln, einbügeln).Am Vorderteil sollte der Plaque in Form gebracht werden, das heisst, mit kleinen Abnähern dann Kante an Kante zusammenzackeln. Das Vorderteil wird von der linken Stoff Seite oben über die Brust dressiert. Armloch und Revere kante kurzhalten, nicht ausdehnen…. Das sind nur im groben die wichtigsten Punkte für ein gut sittzendes Sakko… Es ginge noch mit dem Rücken weiter…..
Genau so sehe ich es auch: da gibt es noch sehr viel zu verbessern! Ihre Anmerkungen zeigen, neben meinen Passformproblemen, dass es Techniken und Kenntnisse gibt, die für das gute Gelingen eines solches Kleidungsstückes nötig sind.
Ich habe entlang der Nähanleitung in der Zeitschrift “La Maison Victor” genäht – und dies kann nur eine Kurzfassung sein. Die komplexe Nähanleitung eines Sakkos sprengt vermutlich den Umfang einer Nähzeitschrift; wie ich oben schrieb: ich weiß nun, warum die Maßschneiderei ein Ausbildungsberuf ist!
Herzliche Grüße
Ines
Hallo Ines,schade daß es nicht passt. Ich weiß wieviel Arbeit es macht! Ich arbeite Maßanzüge inkl. Schnittkonstruktion für meinen Mann. Habe es mir selber erarbeitet, also nicht gelernt!Ich habe gelesen, daß Du Sakko und Futter nur verstürzt hast. So kommst Du doch recht leicht wieder an die Ärmel dran.Es sieht ja nach Deinem Stoffauflage Bild so aus als hättest Du noch Stoff übrig.Wie wäre es z.B. den Unterärmel, oder beide Ärmelteile nochmal neu zuzuschneiden und natürlich vorher den Schnitt aufzuspreizen?
Liebe Renate,
ja, etwas ärgert mich es schon, dass das Sakko nun auf dem Bügel hängt und vermutlich vorerst nicht getragen wird. Aber das Nähen hat mich Demut gelehrt!
Ob ich nochmals Änderungen vornehmen werde, weiß ich noch nicht – vermutlich kommt der Tag, an dem ich es mir nochmals vornehme.
Liebe Grüße
Ines
Liebe Ines,
nimm Dir vor es nochmal anzugehen! Es wäre sehr schade um die investierte Zeit.
Falls Du Verarbeitung und Anpassung vertiefen willst, empfehle ich Dir die Bücher aus dem Rundschau Verlag, wie z.B. Atelier Fachwissen – Verarbeitung Sakko, Hose, Weste und Hemd. Nicht unbedingt leichte Kost, aber lehrreich. Dann gibt es von Sven Jungclaus aus Salzburg auch noch eine Buchreihe, auch zu empfehlen. Er erklärt mit vielen Bilder und kurzem Text. Ist deutlich günstiger.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
da werde ich mich umschauen – vielen Dank für die Buchtipps!
Liebe Grüße
Ines
Liebe InesIch finde deinen Bericht sehr interessant und super informativ. Dass ein Sakko mit so vielen Arbeitsschritten und Einlagen genäht wird und sehr kompliziert ist, wusste ich nicht. Das vorher Probenähen mit Nesselstoff habe ich schon in einigen Blogs gelesen, aber so richtig einleuchtend war es mir bisher eigentlich nicht. Es ist ja doch sehr viel mehr Arbeit und ich dachte für mich als Anfänger-Hobbynäherin eher unnötig. Daher vielen Dank, dass du hier deine Erfahrungen – auch mit dem am Ende nicht passen -teilst. Das ist bewunderungswürdig und zeugt von innerer Größe!Und ich habe gelernt: Ich werde bei meinem nächsten Stoffkauf auf jeden Fall einige Meter Nesselstoff kaufen und bevor ich den super teuren Stoff für mein Mantelprojekt anschneiden, auch ein Probestück nähen. Vielen Danke!!!
Ja, liebe Elke, das ist sicher eine gute Idee: ich mache bei größeren Projekten, gerade wenn ich mir mit der Konfektionsgröße und der Passform nicht sicher bin, immer ein Nesselmodell. Meist kann man sich auf einen Ärmel beschränken und die ganzen Versäuberungs- und Verstärkungsarbeiten fallen ja auch weg. Bei einer Jeansjacke für einen meiner Söhne hat es mich vor einer unpassenden Jacke gerettet.
Viel Freude beim Nähen des Mantels, liebe Grüße
Ines
Hallo Ines, der Blazer ist toll. Die Ärmel zu eng! Trenne sie ab, und es ist eine Weste. Es ist ein Versuch wert, die Ärmel müssen sowieso ab. Bloß nicht liegenlassen, viel zu schade.