Ein Anzug, der immer passt
Ein Anzug für jede Gelegenheit steht schon lange auf meiner Nähliste. Früher habe ich Jumpsuits genäht. Manchmal bestanden diese aus zwei Teilen (auch bekannt als Fake-Jumpsuits). Einmal habe ich einen Herrenanzug zu einem Anzug mit Bikerjacke upgecycelt. Einen richtigen Anzug mit Jacke mit Reverskragen und Hose habe ich aber noch nie gemacht.
Naja, wenn ich so darüber nachdenke, stimmt das nicht ganz. In meinem Kleiderschrank gibt es einen selbstgemachten Sommeranzug, aber ich trage diesen nie als solchen. Die Jacke habe ich schon oft getragen, die Hose nicht so oft. Die Passform stimmt nicht ganz. Im Nachhinein bin ich auch mit der Stoffwahl unzufrieden. Das ist die grösste Herausforderung für mich: Eine gut sitzende Hose zu nähen – mit dem richtigen Stoff ;-).
In diesem Blogbeitrag erzähle ich vom schwierigsten Teil des Anzug-Nähens: von der Suche nach dem richtigen Schnittmuster und der Anfertigung der Hose.
Der Stoff
Der Stoff befand sich bereits in meinem Vorrat. Es ist einer dieser Stoffe, die einen sofort beim Betreten des Stoffladens ansprechen. Wenn man den Stoff in der Hand hält, fallen einem alle möglichen Projekte ein, die sich damit realisieren lassen, aber man ist wegen etwas anderem gekommen… und lässt den Stoff im Laden liegen. Dann kommt man nach Hause und hat den Stoff immer noch im Kopf. Hätte ich doch… sollte ich vielleicht …? Zum Glück hat der Stoffladen eine Website und man kann den Stoff noch am selben Tag bestellen. Perfekt für dieses Projekt. Ich bereue nichts.
Der Stoff ist ein etwas dickerer Scuba-Crêpe mit etwas Stretch, den ich für Hosen und auch für einen Blazer mag. Die Dehnbarkeit sorgt für ein angenehmes Tragegefühl, und die Dicke des Stoffes kaschiert menschliche Unvollkommenheiten.
Der Schnitt
Auf der Suche nach dem perfekten Schnittmuster habe ich in meinem Hosenordner gestöbert. Dort bewahre ich Schnittmuster auf, die ich schon einmal umgesetzt habe und die gut waren. Das ultimative Schnittmuster ist da noch nicht drin, also wurde es wieder ein Mix aus zwei Schnitten.
Von Schnittmuster A (Hose 16 aus Knipmode 11/2017) gefällt mir der Verschluss mit Hosenschlitz. Ausserdem hat sie einen etwas breiteren Bund und Taschen. Die Hose, die ich mit diesem Schnittmuster schon einmal genäht habe, passt mir sehr gut. Für die Silhouette meines neuen Anzugs hatte ich aber ein etwas breiteres Bein im Sinn, eine Art Glockenform. Dazu nehme ich Schnittmuster B (Hose 16, Knipmode 11/2019). Auch diese Hose habe ich schon einmal genäht. Aus dieser Erfahrung habe ich mitgenommen, dass ich das Bein und die Länge mochte. Weniger gut gefiel mir der Sitz um Taille und den Bauch. Das war kein Erfolg; ich musste viel nachbessern.
Um die perfekte Hose zu nähen, muss ich also eine Mischung aus diesen beiden Schnittmustern wählen: das Oberteil von A und das Unterteil von B.
So soll die neue Hose ausfallen:
Zuschnitt und Vorbereitung
Wenn Ihr einen Anzug anfertigt, schneidet alle Teile gleichzeitig zu. Hose und Blazer. Ihr holt das Maximum aus Eurem Stoff heraus, wenn Ihr mit allen Teilen Muster-Tetris spielt.
Es gibt eine Menge Schnittmusterteile, mit denen Ihr puzzeln müsst. Sortiert sie gut, damit Ihr nichts verliert:
Nach dem Zuschneiden hefte ich alle wichtigen Markierungen ab. Anschliessend werden die benötigten Teile mit Einlage versehen. Die Seitennähte des Rückenteils und die Innennaht des Vorderteils werden mit der Overlock oder mit einem Zickzackstich versäubert. Die Aussennaht des Vorderteils wird nach dem Aufnähen der Taschen fertiggestellt.
Das Vorderteil:
Versäubern mit der Overlock. Ich verwende die bernette 64 AIRLOCK:
Die Taschen nähen
Bevor man den Reissverschluss einsetzt, näht man die Taschen ein. Für die obere Tasche verwende ich oft Futterstoff mit Stretch (auch wenn der Stoff für die Hose keinen Stretch hat). Ich finde das sehr viel angenehmer zu tragen. Wenn Ihr die obere Tasche an der Taschenöffnung befestigt habt, vergesst nicht, das Futter an der Seite schmal abzusteppen. Näht die Aussenkante der Tasche und versäubert sie mit der Overlock oder mit Zickzackstich. Versäubert dann auch die Aussennaht des vorderen Beins.
Die versäuberten Nähte:
Die abgesteppte obere Tasche:
Der Tascheneingriff:
Der Verschluss
Für die Hose habe ich einen nahtverdeckten Reissverschluss verwendet, der wie ein normaler Reissverschluss im Hosenschlitz mit Besatz verarbeitet ist.
Der Reissverschluss mit Schlitzbesatz:
Fertig genäht:
Die Hose meines Anzugs hat einen ziemlich breiten Bund mit Schlaufen. Die Schlaufen werden am äusseren Bund angebracht, bevor dieser an der Hose befestigt wird. Nach dem Anbringen des Bundes wird das innere Taillenband durch Nähen im Nahtschatten an der Aussenseite befestigt.
Der Bund wird auf das Aussenteil gesteckt:
… und im Nahtschatten festgenäht:
Der Bund hat als Verschluss eine Überlappung. Diese wird doppelt geschlossen, mit Knopf und Knopfloch sowie mit einem Haken- und Ösenverschluss. Haken und Knopf bringe ich von Hand an. Das Knopfloch nähe ich in den unterlegten Teil des Bundes, mit der Maschine. Auch die Metall-Öse nähe ich mit der Maschine fest. Ich bestimme die Position und hefte sie fest. Danach nutze ich einfach einen Zickzackstich, um sie festzunähen.
Haken und Öse im Vintage-Look:
Erst die Position bestimmen:
Dann festnähen:
Die Metall-Öse sitzt fest:
Das Knopfloch:
Knopf und Haken auf der Überlappung des Bundes:
Der Saum
Bevor ich den Saum nähe, bügle ich ihn zuerst und hefte ihn mit Heftfaden. Das Nähen ist dann einfacher. Ich nähe auf der Innenseite, weil ich sicher bin, dass das Nahtbild der BERNINA 590 Crystal Edition auf der Unterseite genauso schön wird.
Erst bügeln:
Den Saum innen nähen:
So sieht’s von aussen aus:
Und hier ist das Ergebnis des ersten Teils meines neuen, zeitlosen Anzugs. Die Hose: ein Mix aus zwei Mustern.
Diese Hose habe ich jetzt schon öfter getragen als diejenige des Sommeranzugs. Yes! Im nächsten Blogbeitrag werde ich meine Tipps und Erfahrungen beim Nähen des Blazers teilen. Bis dann!
Alles Liebe,
Marlies
@madebyLIESL
Die Hose ist sensationell geworden, Superschnitt, Supersitz, super genäht! Liebe Grüße, Anne
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