Ausstellungstipps März 2022 – Teil 1 – Hier ist der Link!
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SUDō REIKO – MAKING NUNO
Textile Innovation aus Japan
Die Ausstellung ‘Sudō Reiko – Making NUNO’, die das Textilmuseum St. Gallen ab dem 11. März 2022 präsentiert, beleuchtet das Werk der renommierten japanischen Textildesignerin Sudō Reiko, deren innovative Herangehensweise die Grenzen der herkömmlichen Textilproduktion sprengt und neuen Methoden der nachhaltigen Herstellung den Weg bereitet.
Sudō Reiko, ausgebildete Industriedesignerin und seit mehr als dreissig Jahren Designdirektorin der Textilfirma NUNO, verbindet in ihrer Arbeit traditionelles japanisches Handwerk mit neuen Technologien und ungewöhnlichen Materialien.
Sie kombiniert so unterschiedliche Rohstoffe wie Abfallprodukte der Seidenherstellung, handgeschöpftes Papier, Nylonband oder Thermoplastik.
Ein besonderes Augenmerk legt die Designerin auf die Nachhaltigkeit von Materialien und Verfahren, auf regionale Wertschöpfung und die Bewahrung althergebrachter Handwerkskunst.
In der Ausstellung NUNO erwarten den Besucher fünf grossformatige Installationen, die den komplexen Herstellungsprozess der von Sudō Reiko entworfenen Stoffe vor Augen führen. Begleitend werden Zeichnungen, Skizzen, Rohmaterialien und Design-Prototypen gezeigt.
Die Auseinandersetzung mit dem Werk der japanischen Textildesignerin offenbart, dass Innovation und Kreativität die Nachhaltigkeit der globalen Textilproduktion vorantreiben können.
Entwürfe von Sudō Reiko finden sich in internationalen Museen wie dem MoMA in New York und dem Victoria & Albert Museum in London.
Zur Ausstellung ist ein Katalog in englischer Sprache erschienen. Näheres dazu mit weiterführenden Links
Eine Ausstellung des CHAT (Centre for Heritage, Art and Textiles), Hong Kong in Zusammenarbeit mit dem Japan House London
Info:
11. März 2022 – 18. September 2022
SUDō REIKO – MAKING NUNO
Textile Innovation aus Japan
Textilmuseum St. Gallen
Vadianstrasse 2
9000 St. Gallen
Schweiz
Vernissage:
Do, 10. März 2022, 16 – 20 Uhr
Näheres dazu
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Faith Ringgold: American People
Sie schaut auf fünfzig Jahre künstlerisches Schaffen zurück: Faith Ringgold ist endlich angekommen. Sie ist schwarz, sie eine Frau und derzeit feiert sie das New Museum in New York als anerkannte Künstlerin mit einer umfassenden Retrospektive.
Auf drei Etagen zeigt das Museum Gemälde, textile Skulpturen und ihre Story-Quilts, mit denen die heute 91-jährige Künstlerin seit Jahrzehnten für soziale Gerechtigkeit kämpft. Das Quilten lernte sie von ihrer Mutter, die es von ihrer eigenen noch versklavten Grossmutter lernte.
Ringgolds Textilarbeiten gehören zu den wichtigsten Kunstwerken der letzten fünfzig Jahre und verdienen einen ausführlichen Artikel, der hier zu finden ist.
Info:
17. Februar – 5. Juni 2022
Faith Ringgold: American People
New Museum
235 Bowery
New York
NY 10002
USA
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RENOIR, MONET, GAUGUIN
Bilder einer fliessenden Welt
Das Museum Folkwang in Essen feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen in Essen und blickt mit dem Ausstellungshighlight ‘Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fliessenden Welt’ noch bis zum 15. Mai 2022 auf die (spät-)impressionistischen Anfänge seiner Sammlung: Bedeutende Werke aus der Folkwang-Sammlung, begründet von Karl Ernst Osthaus (1874–1921), treten in Dialog mit der Sammlung von Kojiro Matsukata (1866–1950) aus den Beständen des National Museum of Western Art in Tokio.
Mit rund 120 Meisterwerken – von u. a. Paul Cézanne, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Édouard Manet, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Auguste Rodin – verdeutlicht die Schau, wie die moderne französische Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur von westlichen Sammler*innen geschätzt wurde, sondern auch in Japan früh Anklang fand. Erzählt wird dies anhand zweier Vordenker des modernen Museums: die Sammlerpersönlichkeiten Matsukata und Osthaus.
Im Zentrum der Schau ‘Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fliessenden Welt’ stehen die Sammlungen Matsukata und Osthaus und ihre Gemeinsamkeiten. Aus einem industriellen Umfeld heraus entwickelten die beiden Sammler zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Leidenschaft für die Kunst der französischen Moderne. Der aus der Ruhrgebietsstadt Hagen stammende Osthaus und der japanische Schiffsunternehmer Matsukata pflegten den Kontakt zu Künstler*innen in ihren Ateliers, verkehrten mit den gleichen Kunsthändlern und interessierten sich für die Herkunftskulturen des jeweils anderen.
Beide einte die Idee eines Museums, das bildende Kunst ebenso umfasste wie Kunstgewerbe, westliche ebenso wie östliche Kunst. Während Osthaus bereits 1898 zu sammeln begann und bis zu seinem frühen Tod 1921 eine weit beachtete Museumssammlung aufgebaut hatte, datieren die ersten Ankäufe von Matsukata auf seinen Aufenthalt in London ab 1916. In der Folge trug der japanische Sammler in nur wenigen Jahren umfangreiche Konvolute des französischen Impressionismus und Spätimpressionismus zusammen, die nun erstmals seit den 1950er Jahren wieder in grösserem Umfang in Europa zu sehen sind.
In der Ausstellung kommen wichtige (spät-)impressionistische Erwerbungen der beiden Sammler zusammen, wie z.B. Pierre-Auguste Renoirs ‘Lise mit dem Sonnenschirm’ (Osthaus) und Édouard Manets ‘Porträt des Herrn Brun’ (Matsukata).
In einem der vierzehn Ausstellungsräume wird der damalige Grosse Bildersaal des Hagener Museum Folkwang teilweise rekonstruiert: Zwei Gemälde Paul Cézannes stehen hier Paul Signacs ‘Der Hafen von Saint-Tropez’ gegenüber, das sich ehemals in der Sammlung des Museum Folkwang befand und heute Teil des National Museum of Western Art in Tokio ist. Ein weiterer Raum ist Auguste Rodins Lebenswerk ‘Das Höllentor’ gewidmet.
Im zentralen und grössten Raum der Ausstellung entfaltet sich ein Landschaftspanorama mit Gemälden von Claude Monet, Gustave Courbet und Charles-François Daubigny, die die Inspiration zum Titel ‘Bilder einer fliessenden Welt’ gaben. Im Mittelpunkt dieser Präsentation greift die zeitgenössische Installation ‘I hope …’ der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota (* 1972, Osaka, Japan, lebt und arbeitet in Berlin) das Motiv der fliessenden Welt auf und transformiert es in eine schwebende, dreidimensionale Landschaft. In einem Meer aus meterlangen roten Schnüren tauchen die Umrisse von drei filigranen Metallbooten auf, ebenso wie hunderte eingearbeitete Zettel, auf denen Menschen aus aller Welt ihre Hoffnungen und Wünsche notierten.
Das Zusammenwirken von Geschichte und Gegenwart sowie der Austausch zwischen der älteren und der jüngeren Künstlergeneration waren für Matsukata und Osthaus ausschlaggebend für die Konzeption ihrer Sammlungen und Museen. Neben Shiotas Arbeit führen in der Ausstellung auch zwei multimediale Installationen der Künstlerin Tabaimo diesen verbindenden Gedanken in die Gegenwart weiter.
Im letzten Ausstellungsraum treffen Arbeiten von Paul Gauguin auf Hauptwerke seines Zeitgenossen Vincent van Gogh. Während dieser in der Sammlung Osthaus‘ stärker vertreten war als in der Matsukatas, erwarben beide Sammler jeweils innerhalb nur eines Jahres einen Kernbestand an Arbeiten von Gauguin. Das Museum Folkwang war das erste deutsche Museum, das Werke von dem Künstler ankaufte.
Auch wenn sich Matsukata und Osthaus wohl nie persönlich begegneten, so treffen sich ihre Sammlungen in der Vorstellung, dass die moderne Kunst mit dem französischen (Spät-)Impressionismus beginnt. Innerhalb weniger Jahre trugen beide zahlreiche Meisterwerke dieser Kunstrichtung zusammen, mit dem Ziel, einer breiten Bevölkerung die neuen Entwicklungen in der Kunst der Moderne in eigenen Museen zugänglich zu machen.
Vierzig Werke aus dem National Museum of Western Art in Tokio, rund fünfzig Arbeiten aus der Folkwang-Sammlung und weitere Leihgaben aus renommierten öffentlichen Sammlungen ermöglichen es, mit der Ausstellung ‘Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fliessenden Welt’ die Ursprungs-Sammlungen von Kojiro Matsukata und Karl Ernst Osthaus in Essen zusammenzutragen.
Im Anschluss an die Präsentation im Museum Folkwang setzt das National Museum of Western Art ab Juni 2022 die Gegenüberstellung der Sammlungen Osthaus und Matsukata mit einer Ausstellung zum Dialog mit der Natur in Tokio fort.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie wird ermöglicht durch die RAG-Stiftung als Hauptförderer sowie die Hauptsponsoren RWE AG und Evonik Industries AG; gefördert vom Auswärtigen Amt.
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen.
Über die App des Museum Folkwang kann kostenfrei der Audioguide zur Ausstellung mit 24 Bildbesprechungen heruntergeladen werden. Dieser kann vor, während und nach dem Ausstellungsbesuch genutzt werden (kostenfrei im Google Play- und App-Store).
Auch interessant:
Unter dem Titel ‘Das erste Museum der Moderne’ gibt es in der arte-Mediathek eine 51 Minuten lange sehenswerte Dokumentation über den Museumsgründer und Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, der der französischen Moderne den Weg bereitete. Abrufbar bis 6. Februar 2023. Hier ist der Link
Info:
6. Februar – 15. Mai 2022
RENOIR, MONET, GAUGUIN
Bilder einer fliessenden Welt
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Deutschland
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Georg Baselitz – Anna selbdritt
In der St. Katharinenkirche, in der Innenstadt von Frankfurt/Main gelegen, setzt das Werk ‘Anna selbdritt’ von Georg Baselitz in der Passionszeit 2022 einen besonderen Akzent.
Das flächenmässig grösste Kunstwerk von Georg Baselitz (*23. Januar 1938), der 1987 geschaffene Anna-Selbdritt-Vorhang, wird noch bis zum 17. April 2022 vor dem Altarraum der Kirche hängend präsentiert. Man greift damit die Tradition der Fastentücher auf, die im Mittelalter während der Passionszeit vor Altäre gehängt wurden, um die prachtvollen Figuren in dieser Zeit des Leidens Christi zu verbergen.
Der Vorhang von Baselitz misst 4,35 m x 6,05 m und wurde vom Künstler aus Filz und Nessel gefertigt. Das Werk zeigt die heilige Anna, ihre Tochter Maria mit dem Jesuskind sowie den Johannesknaben als monumentale Figuren. In der christlichen Ikonographie wird dieses Motiv auch als ‘Anna selbdritt’ bezeichnet. Und natürlich ist es in der typischen Manier von Georg Baselitz auf dem Kopf stehend dargestellt.
Die Passion Jesu wird hier in Beziehung gesetzt zum Leben seiner Mutter Maria und seiner Grossmutter Anna – und zu Frauen, die für ihre eigenen Überzeugungen eingetreten sind, damals wie heute.
Die in Frankfurt/Main lebende Textilkünstlerin Gisela Hafer machte mich darauf aufmerksam und schreibt mir: ‘Beim Aufhängen war ich dabei und bin begeistert. Die Arbeit ist so aktuell … grossartige Kunst!’ So war es auch möglich, ein paar ungewöhnliche Fotos dazu zu machen. Und weiter: ‘Gestern war ich zur Andacht am Abend in der Kirche. Die Arbeit ist dann beleuchtet und hat eine sehr kraftvolle Ausstrahlung. Leider ist das Tuch mit den verletzten Frauen plötzlich sehr aktuell geworden. Die Andachten thematisieren regelmässig den Inhalt des Tuches. So kann Kunst einen Beitrag zur aktuellen Situation leisten.’
Am Freitag, 1. April 2022, 15 Uhr macht Gisela Hafer – von Frau Doktor Husemann aus Wiesbaden organisiert – eine Führung aus der Perspektive der Textikünstlerin dazu und wird sicher vor dem kleinen Brautaltar auch auf ihre dort hängende, zur Zeit den Altar verhüllende eigene Arbeit ‘Goldtaler’ mit dem verborgenem Spruch ‘Lass alles was ich berühre zu Gold werden’ eingehen.
Zu weiteren Terminen siehe bitte im Programmflyer und auf der Website.
Info:
2. März – 17. April 2022
Georg Baselitz – Anna selbdritt
St. Katharinenkirche
An der Hauptwache 1
60313 Frankfurt am Main
Deutschland
www.st-katharinengemeinde.de
www.giselahafer.de
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Miniartextil
Miniartextil ist uns hier in meinen Ausstellungsberichten über die Jahre schon öfter begegnet. Es handelt sich um einen italienischen Ausstellungsveranstalter und um eine Ausstellung gleichen Namens, der jeweils ein internationaler Wettbewerb vorausgeht. Textile Werke mit den maximalen Dimensionen von 20 x 20 x 20 cm bei freier Materialauswahl stehen im Mittelpunkt, sind das Herzstück der Ausstellung sozusagen.
Als ehemalige Veranstalterin von Wettbewerben für Kleinformate kann ich bestätigen, dass die Beschränkung auf kleine Dimensionen den Teilnehmern abverlangt, sich konzentriert mit dieser Herausforderung auseinanderzusetzen, zu experimentieren, eine Gestaltung zu finden, die im Wettbewerb bestehen kann. Also nicht einfach!
2020 sollte das 30-jährige Jubiläum gross gefeiert werden. Im Gegensatz zu sonst gab es keine thematische Vorgabe, wie z.B. 2015 ‘Einladung zu Tisch’ – eine Ausstellung, die ich selbst besuchen konnte und die mich begeisterte. Die teilnehmenden Künstler*innen hatten also maximale Ausdrucksfreiheit.
Eine Jury wählte unter den Einsendungen die 54 Arbeiten im Miniaturformat für die 30. Edition der Ausstellung aus. Da der ursprünglich geplante Ausstellungstermin im Dezember 2020 sich nicht halten liess, fand die Miniartextil im Frühjahr 2021 in Como statt und ist inzwischen in Montrouge, knapp ausserhalb der Stadtgrenze von Paris gelegen, eingetroffen.
Umrahmt von 13 grossformatigen Objekten wird die erfindungsreiche Selektion – gewebte, geknotete, gestickte, genähte, geklebte, gestrickte … Arbeiten – noch bis zum 13. März 2022 im gleichen Saal präsentiert. Zum 17. Mal ist Montrouge Gastgeber für Miniartextil und zum 10. Mal wurde ein Preis vergeben.
Weitere Fotos und Informationen zu den teilnehmenden Künstler*innen sind auf der Website von Montrouge unter dem Button ‘Miniartextil: aide á la visite’ zu finden.
Dass das Publikum wieder einmal begeistert ist, kann man einem Video entnehmen, das auch schöne Einblicke in diese aussergewöhnliche Schau gewährt – hier ist der Link.
Auch interessant:
Mein Bericht mit vielen Fotos über ‘Miniartextil – Invitation à table’ in Montrouge 2016 ist hier zu finden
Info:
20. Februar – 13. März 2022
Miniartextil
Le Beffroi – Salle Nicole Ginoux
2 place Emile Cresp
92120 Montrouge
Frankreich
Öffnungszeiten:
Täglich: 12 – 19 Uhr
Eintritt frei
Katalog erhältlich
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Great Barrier Reef
Wunderwelt Korallenriff
Kürzlich habe ich über die Ausstellung ‘Margaret und Christine Wertheim – Wert und Wandel der Korallen’ berichtet, die derzeit im Museum Frieder Burda in Baden-Baden gezeigt wird. Die Künstlerschwestern machen damit auf die Zerstörung von Korallenriffen durch die globale Erwärmung aufmerksam und animierten Tausende von Menschen dazu, sich daran mit einer Häkelarbeit zu beteiligen. Sie erzielten mit der Installation, die das Museum Frieder Burda geradezu überwuchert, einen überwältigenden Erfolg!
Nun hat sich das Projekt nochmals erweitert: Der Gasometer Pforzheim, der schon seit Ende 2018 das weltgrösste 360°-Panorama von Yadegar Asisi zum australischen Great Barrier Reef präsentiert, coronabedingt aber im Takt der Verordnungen schliessen musste, hat wieder geöffnet und diese spektakuläre Ausstellung bis Ende 2022 verlängert.
Auch diese Schau ist monumental: Das riesige, 35 Meter hohe und 110 Meter umfassende Panorama macht die unvergleichliche Schönheit und die enorme Artenvielfalt des Korallenriffs nordöstlich von Australien erlebbar. Dabei werden – künstlerisch verdichtet – die unterschiedlichsten Formen des über 2000 Kilometer langen Ökosystems unter Wasser in einem Riesenrundgemälde gezeigt. Wie von einem Standpunkt unter dem Meeresspiegel aus erschliesst sich die submarine Welt im Pazifik.
Nun hat Pforzheim ein eigenes Satellite Reef bekommen! Das Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens ist die grösste von Lebewesen geschaffene Skulptur unserer Erde und gleichzeitig die verbindende Klammer in der Interaktion zwischen dem Museum Frieder Burda und dem Gasometer Pforzheim. Hier die Huldigung eines gigantischen Naturschauspiels als atemberaubendes 360° Panorama – im Museum Frieder Burda ein Klimakunstprojekt der zwei Schwestern aus Australien, die das Museum mit Hilfe von mehr als 40 000 eingesandten gehäkelten Korallen in ein wollenes Korallenriff verwandelt haben.
Aktuell entstand für das Museum Frieder Burda das neue Baden-Baden Satellite Reef als Community Art Project, zu der mehr als 4.000 Häkler/Häklerinnen aus ganz Europa ihre Korallen eingesandt haben, die unter der Anleitung von Christine Wertheim in einem mehrmonatigen Prozess ein einzigartiges Korallenriff haben entstehen lassen. Das Projekt hat kaum wie ein anderes Gemeinschaftskunst-Happening die breite Bevölkerung in die Entstehung des Werkes einbezogen. Die sechs Inseln, die ein komplettes Riff-Archipel bilden, machen es möglich, in Baden-Baden eine faszinierende Reise zum Meeresgrund zu unternehmen.
Ein Satellite dieses Baden-Badener Satellite Reef ist nun exklusiv für den Gasometer in Pforzheim entstanden und ergänzt den Besuch mit einem weiteren ästhetischen, aber auch inhaltlichen Impuls, um über die Schönheit und Vergänglichkeit unserer Natur nachzudenken.
Doch damit nicht genug – auch eine Kooperation mit dem Naturkundemuseum Karlsruhe wurde realisiert: Zwei grosse Schau-Aquarien sind im Gasometer eingezogen. In den zwei mit Meerwasser gefüllten Aquarien sind lebendige Riffbewohner zu bewundern: Zwischen Korallen und Kupferanemonen leben etliche leuchtende Clownfische, Doktorfische, Banggai-Kardinalbarsche und Schwalbenschwänzchen. Das Unterwasser-Ensemble vermittelt einen phantastischen Eindruck von der bunten Vielfalt des Lebens im Great Barrier Reef.
Gestaltet wurden die beiden Aquarien von Hannes Kirchhauser, dem Vivariums-Leiter des Naturkundemuseums Karlsruhe und seinem Team.
Die Korallen und Seeanemonen stammen übrigens aus eigener Zucht des Vivariums, wo auch das grösste lebende Korallenriff Deutschlands bestaunt werden kann. Das Riff-Aquarium ist mit 240.000 Litern Meerwasser gefüllt und nicht nur im Naturkundemuseum Karlsruhe zu sehen, sondern auch mittels Livestream auf einem Monitor im Gasometer Pforzheim.
Info:
noch bis Ende 2022
Great Barrier Reef
Wunderwelt Korallenriff
Gasometer Pforzheim
Hohwiesenweg 6
im Enzauenpark
75175 Pforzheim
Deutschland
www.gasometer-pforzheim.de
www.museum-frieder-burda.de
www.smnk.de
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Gesichter – Faces
Gesichter und Portraits haben im Schmuck seit Jahrhunderten und Jahrtausenden ihre Bestimmung gefunden, beispielsweise auf Medaillons zum Andenken und Gedenken. Gemmen, Kameen, Münzanhänger und -ketten wurden repräsentativ getragen, um Zugehörigkeit und Treue zu symbolisieren. Die dargestellten Persönlichkeiten oder Angehörigen wurden in kostbaren Materialien abgebildet und die Träger identifizierten sich mit den Schmuckstücken. Siegelringe bezeugen die eigene Identität und Herkunft. Was treibt Schmuckkünstler in der heutigen Zeit nun dazu, sich mit Gesichtern im Schmuck auseinanderzusetzen? Oder sich und andere darzustellen?
Das Thema ‘Gesicht’ im Autorenschmuck lässt sich vermehrt in den letzten Jahren feststellen, spielte aber schon immer eine grosse Rolle. In der Ausstellung der Galerie Handwerk München, die vom 8. März bis 14. April 2022 läuft, werden Arbeiten mit diesem übergeordneten Motiv gezeigt, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. Es sind Schmuckstücke, die persönlich gefärbt sind oder der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.
Es sind verfremdete Typen und stilisierte Antlitze, die uns als Halsschmuck, Ring oder Brosche entgegenblicken. Die Aussagen sind genauso vielfältig wie die Materialien und Techniken. Maskeraden menschlicher Verhaltensweisen, Karikaturen oder Ironisches, selbst Tierköpfe werden dargestellt. Ganz offensiv wird Kontakt zum Gegenüber aufgenommen.
Durch den Schmuck, den wir tragen, drücken wir unsere Persönlichkeit, aber auch Gefühle und Empfindungen aus. Wir können etwas verstärken oder auch eine andere Seite hervorheben.
Die ‘Gesichter’ im Schmuck werden auf verschiedenste Weise dargestellt, sind manchmal von anderen Kulturen inspiriert, werden symbolhaft oder collagenartig verwendet und mit neuer Sinnhaftigkeit besetzt. In der Ausstellung sind über 50 internationale Künstlerinnen und Künstler präsentiert, die auf die Aktualität des Themas hinweisen. Ergänzt werden die Exponate durch Fotos und Statements.
Viele weitere Fotos sind auf der Website der Galerie zu finden, ebenso die Liste der Aussteller*innen.
Parallel zu dieser Ausstellung finden noch einige andere Schmuck-Ausstellungen und Events im März in München statt. Näheres dazu im Schmuck-Programm.
Info:
8. März – 14. April 2022
Gesichter – Faces
Galerie Handwerk
Max-Joseph-Strasse 4
80333 München
Deutschland
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Vom Wert der Kleidung
Textilien aus dem Nachlass von Arno und Alice Schmidt
Im Bomann-Museum Celle ist derzeit die Ausstellung ‘Vom Wert der Kleidung. Textilien aus dem Nachlass von Arno und Alice Schmidt’ zu sehen – es handelt sich um den textilen Nachlass von einem der wichtigsten deutschen Schriftsteller und seiner Frau.
Mehr als 1.000 Objekte aus sechs Jahrzehnten vereint dieser Nachlass. Die ältesten Kleidungsstücke stammen aus den späten 1930er Jahren, die jüngsten wurden noch kurz vor dem Tod von Alice Schmidt 1983 gekauft. So zeigt die Ausstellung ein aussergewöhnliches Konvolut von besonderem kulturhistorischen Wert, das Kleidungsstücke aller Art umfasst, von der Leibwäsche bis zum Wintermantel. Dabei handelt es sich entsprechend den Lebensumständen der Schmidts nicht um kostbare oder ausgefallene Einzelstücke, sondern um Alltagskleidung, die wertgeschätzt wurde – und werden musste.
Der Schriftsteller Arno Schmidt wurde am 18. Januar 1914 in Hamburg geboren und zog als Jugendlicher mit seiner Familie nach Schlesien um. 1937 heirateten Arno Schmidt und Alice Murawski (* 1916), die sich als Angestellte einer Textilfabrik kennengelernt hatten. 1949 erschien mit ‘Leviathan’ Schmidts aufsehenerregendes Prosadebüt. Die politische und ästhetische Radikalität seiner Werke machte ihn in den 50er Jahren zu einem umstrittenen Autor. 1973 erhielt er den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt. Am 3. Juni 1979 starb Arno Schmidt in Celle.
Acht biografische Stationen berichten in der Ausstellung vom Leben des Ehepaars, von Kindheit und Jugend, den ersten Ehejahren in Schlesien, der Flucht und den darauffolgenden Wanderjahren bis zum letzten Wohnort ab 1958 im kleinen Heidedorf Bargfeld bei Celle.
Weitere acht Stationen widmen sich dem eigentlichen ‘Wert’ der Kleidung. So zeugen sorgfältig geflickte, umgearbeitete oder zweitverwertete Kleidungsstücke von der Bedeutung jedes einzelnen Gegenstands für die zunächst mittellosen Flüchtlinge. Davon berichten ein aus Wolldecken genähter Morgenmantel, Shorts, die aus Zeltbahn gefertigt wurden oder mehrfach geänderte, der Mode angepasste Kleider.
Kleiderspenden aus Amerika, geschickt von Arno Schmidts Schwester Lucy Kiesler, waren eine grosse Hilfe. Sie muten aber auch kurios an, wie eine rote ‘Pillbox’ oder farbenfrohe Krawatten, die Arno Schmidt nie trug. Aber sie konnten weiterverkauft oder getauscht werden, was für den noch unbekannten Schriftsteller eine wichtige Einnahmequelle bedeutete. Wachsender Erfolg führte auch zu wachsendem Wohlstand, wofür in der Ausstellung die grüne Lederjacke steht, die sich der Autor 1957 kaufte, in der er sich gern abbilden liess und die es auch in eines seiner Werke schaffte.
Später lebten Schmidts bescheiden, aber ohne wirtschaftliche Not und bestellten wie ihre Nachbarn Kleidung im Versandhandel. Dabei hatten die Kataloge auch Bedeutung für Schmidts Werke: Er nutzte die abgebildete Mode gern als Inspiration für die Bekleidung seines Romanpersonals. Den Quelle-Katalog nannte er in ‘Zettel’s Traum’ ein ‘kulltourhistorisches Dockumännt’. Einige Stücke erzählen besondere Geschichten über den Autor und seine Frau und deren Leben auf dem Land, zum Beispiel ein Pelzmantel aus der DDR oder ein Badeanzug mit Fahrtenschwimmerabzeichen.
Andere Kleidungsstücke aus Schmidts Besitz sind sogar in die Literatur eingegangen. Sie werden eindrucksvoll vor einer Medienwand präsentiert, die Text und Textilien miteinander verbindet. So zeigt die Ausstellung bisher kaum bekannte Aspekte einer denkwürdigen Biografie und 60 Jahre textile Alltagsgeschichte in Deutschland.
Eine Ausstellung der Arno Schmidt Stiftung Bargfeld und des Bomann-Museums Celle
Die Laufzeit der Ausstellung wurde bis zum 4. September 2022 verlängert.
… und, ehe ich’s vergesse, vielen Dank an G. Berger für den Tipp!
Info:
5. Dezember 2021 – 4. September 2022
Vom Wert der Kleidung
Textilien aus dem Nachlass von Arno und Alice Schmidt
Bomann-Museum Celle
Schlossplatz 7
29221 Celle
Deutschland
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Kunstvoll verwoben
Karola Kauffmann auf Tuchfühlung mit Schwarzenbach & Co.
Derzeit zeigt das Museum Weiler Textilgeschichte in Weil am Rhein die Sonderausstellung ‘Kunstvoll verwoben. Karola Kauffmann auf Tuchfühlung mit Schwarzenbach & Co.’.
Karola Kauffmann ist eine der letzten Berufshandweberinnen in Deutschland. Sie webt ihre Stoffe, Kleider und Kunstobjekte auf über 200 Jahre alten Webstühlen, wie man sie früher, lange vor der Industrialisierung, zur Heimarbeit in den Stuben stehen hatte.
Karola Kauffmanns handgewebte Stoffe sind Kunst – von hohem Anspruch und hoher Güte. Sie verwendet edle Naturmaterialien wie Seide, Kaschmir oder die Haare des wertvollen mongolischen Yangir-Steinbocks und des wilden Moschusochsen.
Sie experimentiert mit Metalldraht und Kunststoffen. Karola Kauffmann spielt mit Material, Farben und Technik und ist immer auf der Suche nach dem Besonderen. Es entstehen erlesene Stoffe und Tücher voller Kraft, Charakter und Eigenwilligkeit.
Diese Webarbeit bedingt ein komplexes Zusammenspiel zwischen Intuition, Denkkraft und Handfertigkeit. Das Schiffchen mit dem Schussfaden wird allein durch Muskelkraft schwungvoll hin- und hergestossen. Gleichzeitig hat das Weben aber auch etwas Meditatives. Es braucht Geduld und eine ruhige Hand um beispielsweise den Kupferdraht mühselig durch die 3400 Kettfäden auf und ab zu führen.
Karola Kauffmann versteht es, vermeintliche Gegensätze zu vereinen und daraus prachtvolle und edle Stoffe, Kleider oder Raumobjekte zu schaffen.
Genau wie die Seidenweberei Robt. Schwarzenbach & Co. einst in Friedlingen stellt Karola Kauffmann Seidenstoffe her, aber auf traditionelle handwerkliche Weise. Ihre Art des Arbeitens geht der mechanisierten Produktionsform, wie sie beispielsweise in der Seidenweberei Robt. Schwarzenbach & Co. erfolgte, voraus. Gleichzeitig entstanden grosse textile Firmenimperien wie Schwarzenbach & Co. aus dem Verlagssystem (d.h. dem Vertrieb und Handel der Stoffe aus Heimarbeit) des 19. Jahrhunderts.
So schliesst sich mit der Präsentation von Karola Kauffmanns wunderschönen Arbeiten in den ehemaligen Räumen der Seidenweberei Schwarzenbach in Friedlingen der Kreis.
Dass Karola Kauffmann noch Garnrollen aus den Altbeständen der ehemaligen Seidenweberei Schwarzenbach besitzt und daraus Stoffe gewebt hat, ist eine der schönen Geschichten, die während der Ausstellungsvorbereitung zu Tage kam.
Auch interessant:
Neulich sind wir Karola Kauffmann schon einmal hier im Blog begegnet, und zwar als ehemalige Besitzerin und Mitgestalterin der vom Völkerkundemuseum der Universität Zürich unter dem Titel ‘VielFalt – Textiles Wissen von Miao-Frauen in Südwest-China’ ausgestellten Sammlung. Zu finden in den Ausstellungstipps Februar 2022.
Info:
7. November 2021 – 17. Juli 2022
Kunstvoll verwoben
Karola Kauffmann auf Tuchfühlung mit Schwarzenbach & Co.
Museum Weiler Textilgeschichte
Am Kesselhaus 23
79576 Weil am Rhein – Friedlingen
Deutschland
www.museen-weil-am-rhein.de
www.karolakauffmann.ch
Die Ausstellung ist jeden Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
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Subversives Design
Subversives Design ist kritisches Design. Es verspricht keine direkten Lösungen, sondern stellt den Status quo des klassischen Systems infrage. Die Gruppenausstellung ‘Subversives Design’ verwandelt noch bis zum 22. Mai 2022 das NRW-Forum Düsseldorf mit 20 mitunter humorvollen Positionen in ein ‘Kaufhaus der Kritik’.
Die Ausstellungsräume sind ein Warenlager, die Objekte stehen in funktionalen Regalsystemen und durch die Gänge fährt ein Roboter, der Produkte transportiert. Statt künstlerischer Unikate zeigt die Gruppenausstellung Produkte zeitgenössischer Designer*innen, deren Gemeinsamkeit der noch junge Ansatz des kritischen Designs ist. Sie schleusen Gegenentwürfe in den Markt ein und beschäftigen sich mit drängenden Themen unserer Zeit wie Klimaschutz, Digitalisierung und Diskriminierung.
Subversion bedeutet gezielte Unterwanderung und beschreibt Prozesse, die bestehende Ordnungen und Systeme hinterfragen, ihre Funktionsweisen aufgreifen, sichtbar machen und verändern wollen. Das kann die Form von zivilem Ungehorsam oder Sabotage annehmen, aber auch in Gestalt von Subkulturen auf Missstände und Diskriminierung aufmerksam machen. Eng mit Subversion verbunden ist der Begriff des kritischen Designs, das sich dadurch auszeichnet, nicht einen konsumorientierten Markt bedienen zu wollen, sondern das klassische Designsystem infrage zu stellen, Gegenentwürfe und neue Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft anzubieten.
Statt des Einzelstücks betont die Ausstellung das Serielle, denn subversives Design hebt sich nicht vom Mainstream ab, sondern ist mittendrin. Die Designer*innen remixen, sampeln, intervenieren, hacken, drehen Funktionalitäten um und stellen dadurch Konsumgewohnheiten und Ansichten zu Themen wie Nahrung, Mode, Nachhaltigkeit und Klima in Frage. Zu sehen sind neben Kleidungsstücken mehrerer Modelabels auch Schuhe, wobei auch Upcycling und neue Materialien adressiert werden.
Ein Weinglas mit der Öffnung an der falschen Stelle, eine Gabel, die in der Mitte aus einer Gliederkette besteht, oder ein Besen mit vertikaler Bürste: Katerina Kamprani dekonstruiert mit der Serie ‘The Uncomfortable’ (2017) die unsichtbare Designsprache unserer häuslichen Realität und stellt die grundlegenden Eigenschaften einfacher Alltagsgegenstände und unsere Erwartungen an Funktionalität infrage.
Liora Epstein geht es um veränderte Körpererfahrungen. Mit den Krabbelanzügen (2019) macht sie die Vorteile von Einschränkungen für ansonsten selbstoptimierte Personen erlebbar. Der Anzug ist zwar ergonomisch für das Krabbeln optimiert, lässt aber wenig bis gar keinen Spielraum für andere Aktivitäten.
Anna van Eck setzt am Regalsystem an, aus dem das Ausstellungsdesign besteht. Sie bezeichnet ihre Objekte als ‘destabilisierte Alltagsgegenstände’, zum Beispiel das Regal, eigentlich stabiler Ort der Aufbewahrung, dessen Bretter schief oder an der falschen Stelle sind.
Die Ausstellung wird kuratiert von Alain Bieber, Künstlerischer Leiter des NRW-Forum Düsseldorf, und Judith Winterhager, kuratorische Assistenz NRW-Forum Düsseldorf.
Ein Teil der Werke wurde über nextmuseum.io gefunden, der Plattform für Co-Kuration und Co-Kreation. Das Ausstellungsdesign stammt von Please Don’t Touch.
Info:
11. Februar – 22. Mai 2022
Subversives Design
NRW-Forum Düsseldorf
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
Deutschland
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Westafrikanische Webkunst
Im Kulturort Garnlager in Lyssach ist noch bis zum 14. April 2022 die Ausstellung ‘Westafrikanische Webkunst’ zu sehen.
Die Ursprünge der westafrikanischen Webkunst liegen weit zurück. Tatsächlich hat man in einem ägyptischen Grab aus dem Jahr 2000 v.Chr. die Zeichnung eines Webstuhls gefunden, ähnlich denjenigen, die man heute noch in Afrika verwendet. Die Peul Nomaden sollen die Webkunst in anderen Gegenden Afrikas verbreitet haben.
Der heute verwendete westafrikanische Webstuhl von einfacher, robuster Bauart beruht auf demselben Prinzip wie die europäischen Webstühle, abgesehen davon, dass das Rahmengestell im Boden verankert wird und kein Kettbaum vorhanden ist. Das Hauptmerkmal der westafrikanischen Weberei besteht in der geringen Breite der gewobenen Bänder (12 bis 20 cm), dies aufgrund der Einfachheit des für die Konstruktion des Rahmengestelles verwendeten Materials, das keine starken Belastungen aushält. Die Webstühle werden auf dem Dorfplatz, vor den Wohnhäusern, oder teilweise auch im Feld aufgestellt. Am Abend werden der Zettel und das gewebte Band mit ins Haus genommen und am anderen Morgen wieder aufgespannt. So wird verhindert, dass Tiere, Staub und Feuchtigkeit dem Gewebe schaden.
Die Bänder werden mehrheitlich mit einfachen Nähmaschinen mit Zick-Zack-Stich zusammengenäht. Einzelne Decken werden mit weissem oder farbigem Garn von Hand zusammengehäkelt. Weben und Nähen ist Männerarbeit. Die Frauen spinnen die Fäden und häkeln die Bänder zusammen, v.a. für Kinderkleider und Jacken. Diese können hier zurzeit nicht gezeigt werden.
Die im Kulturort Garnlager ausgestellten Artikel wurden alle in Waraniéné (Elfenbeinküste) hergestellt, einem Dorf in der Nähe der Provinzhauptstadt Korhogo. Dort leben die beiden Volksgruppen der Senufo, Bauern, die unter anderem auch Baumwolle anpflanzen und der Dioula, die als Weber diese Baumwolle verarbeiten. Die Gewebe sind alle von Hand gewoben, entweder mit handgesponnener oder maschinell gesponnener Baumwolle. Die Muster sind traditionell und mündlich überliefert. Über die Jahre haben sie sich teilweise verändert und der heutigen Zeit angepasst.
Im Jahr 1995 lernte Frau Hannelore Arlt aus Muttenz den ivoirischen Weber Amidou Coulibaly und die westafrikanische Webkunst auf der Mustermesse in Basel kennen. In der Folge organisierte sie Kurse auf originalen Webstühlen bei ihr im Garten. Nebenbei konnten die Weber ihre Waren an Bekannte und Freunde von Frau Arlt verkaufen.
Bald zeigten sie ihre Webkunst auch an verschiedenen Handwerkermärkten und verkauften da ihre Textilien. Aus diesen Besuchen entstand ein regelmässiger Austausch.
Der Kontakt nach Frankreich zu Frau Dr. Fabienne Tanon, die vor Jahren eine soziologische Studie in Waraniéné durchgeführt hatte, wurde wieder aufgenommen. In der Folge kamen zwei Weber aus Waraniéné jeden Sommer für drei Monate nach Europa, meistens ein Monat in Frankreich und zwei Monate in der Schweiz.
Diese Ausstellung ist entstanden, weil die Weber wegen der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren nicht nach Europa reisen konnten. So fehlt nicht nur der Austausch zwischen der Elfenbeinküste und Europa, sondern für sie auch eine wichtige Einkommensquelle, zumal auch der Verkauf in ihrem Land selbst massiv eingebrochen ist.
Die Firma Zürcher Stalder versucht mit dieser Ausstellung die Textilien, soweit sie sie vor Ort haben, weiterhin zu verkaufen. Auch gibt es ein Onlineangebot. So möchte man das Interesse an der westafrikanischen Webkunst wecken und etwas zum Einkommen der Weber beitragen.
Info:
7. Februar – 14. April 2022
Westafrikanische Webkunst
Kulturort Garnlager
Gewerbestrasse 9
3421 Lyssach
Schweiz
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Polly Apfelbaum, Josef Herzog
Derzeit zeigt das Kunstmuseum Luzern die Ausstellung ‘Polly Apfelbaum, Josef Herzog’. Beide konzentrieren sich auf Farben, Linien und Flächen und bearbeiten diese in einer erstaunlichen Vielfalt.
Die Arbeiten von Polly Apfelbaum sprengen den herkömmlichen Kunstbegriff. Sie sind kräftig und zuweilen auch übermütig. In ihren Keramiken, Stoffarbeiten und Zeichnungen trifft Handwerk auf Kunst, Populäres auf Politisches, Feminismus auf Design. Ihre Objekte und Skulpturen möblieren den Raum, sie hängen an den Wänden und bedecken den Boden.
Neugierig geworden? Die ausführlichere Besprechung dieser Ausstellung ist im ersten Teil der Ausstellungstipps März 2022 zu finden (bitte etwas nach unten scrollen) – und ich habe weitere Fotos vom Kunstmuseum Luzern erhalten und dort eingefügt. Bitte nachsehen!
Info:
5. März – 19. Juni 2022
Polly Apfelbaum, Josef Herzog
Kunstmuseum Luzern
Europaplatz 1
6002 Luzern
Schweiz
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TV-Tipp:
Der Teppich von Bayeux
Ein gestickter Mythos
Er gilt als europäisches Kulturgut ersten Ranges: Wie ein 68 Meter langer Comicstrip erzählen die Stickereien des Teppichs von Bayeux von der Eroberung Englands durch die Normannen im Jahr 1066. Der filigran bestickte Teppich zeigt minutiös das Geschehen, das 1066 zur Schlacht bei Hastings führt, bei der der normannische Herzog Wilhelm den angelsächsischen König Harald II. besiegt und den englischen Thron erobert.
Der vor dem neusten Stand der Wissenschaft mit aufwendigen Spielszenen und neu entdecktem Archivmaterial realisierte Film des preisgekrönten Dokumentarfilmers Wilfried Hauke spielt über Ort und Zeit verteilt: in der Normandie zur Zeit Wilhelms und seiner Frau Mathilde von Flandern, auf dem Schlachtfeld von Hastings 1066, in der napoleonischen Ära und im Zweiten Weltkrieg, als sich in Frankreich das Ende von Hitler-Deutschland anbahnt.
arte strahlt den 53 minütigen Film
am Sa, 19. März 2022 um 20.15 Uhr,
am So, 27. März 2022 um 15.20 Uhr und
am Do, 7. April 2022 um 11.05 Uhr aus.
Online verfügbar ab 18. März 2022 – 16. Juni 2022. Hier ist der Link zu arte
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Vorschau:
Judith Mundwiler ‘Alltagsspuren’
Ab dem 1. April 2022 zeigt die Galerie Textilaltro an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil, die Ausstellung Judith Mundwiler – ‘Alltagsspuren’.
Judith Mundwiler experimentiert schon seit vielen Jahren mit den unterschiedlichsten alten, neuen, gebrauchten und gesammelten Materialien. Sie nutzt bewusst die Geschichten, die diesen gebrauchten Materialien innewohnen, um ihre Bilder zu entwickeln und ihre Gedanken zu existentiellen Fragen an sich und die Welt zu formulieren.
So ist sie eine der ersten Künstlerinnen, die auf sehr differenzierte Weise ausgediente Teebeutel benutzt hat, aber auch Pralinenpapiere, Buchseiten, Rechnungen, Briefe, Architekturzeichnungen oder Parkingtickets.
Mit diesen Parkingtickets hat Judith Mundwiler eine Serie begonnen, die einerseits zu kritischen Fragen im Umgang mit unserer Umwelt anhält, andererseits durch die Übermalung der Tickets die Schönheit von Himmel und Meer aufzeigt.
Auch mit den Parkingtickets lassen sich wieder zahlreiche Geschichten entdecken: hinter jedem Ticket steht eine oder mehrere Personen, die mit dem Auto unterwegs waren und in diesem einen Parkhaus ihr Auto abgestellt haben. Beim Betrachten dieser Werke wird schnell deutlich, dass es Judith Mundwiler auf sehr einfühlsame Weise versteht, unterschiedliche Bedeutungsebenen miteinander zu verknüpfen.
Die ausgestellten Werke sind geprägt von einer interessanten Leichtigkeit und Beweglichkeit, die sie nicht alleine für die Wand tauglich machen, sondern es auch erlaubt, dass sie mehr Raum in Anspruch nehmen. Sie sind faltbar und können auf vielfältige Art und Weise zu Installationen oder beweglichen Skulpturen arrangiert werden. Subtil weisen die Werke so auf die geforderten mobilen und flexiblen Lebensweisen unserer Gesellschaft hin.
Die Galerie Textilaltro an der OST – Ostschweizer Fachhochschule freut sich, in der Einzelausstellung ‘Alltagsspuren’, eine aktuelle Auswahl aus Judith Mundwilers Schaffen, zeigen zu dürfen.
Info:
1. April – 10. Juni 2022
Judith Mundwiler ‘Alltagsspuren’
Galerie TextilAltro
OST – Ostschweizer Fachhochschule
Campus Rapperswil-Jona
Gebäude 5, 1. Stock (in der Bibliothek)
Oberseestrasse 10
8640 Rapperswil
Schweiz
www.ost.ch
www.judithmundwiler.ch
Vernissage:
Fr, 1. April 2022, 17 – 20 Uhr
im Beisein der Künstlerin
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Ausstellungstipps März 2022 – Teil 1 – Hier ist der Link!
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Bitte informieren Sie sich vor einem Ausstellungsbesuch auf der jeweiligen Website besonders über die tagesaktuellen Besuchsregelungen und die Öffnungszeiten – es kann sich immer etwas ändern.
Weitere Ausstellungen finden Sie auf meiner Website in der Rubrik AUSSTELLUNGSKALENDER.
Den verschiedenen Beteiligten herzlichen Dank für das Zur-Verfügung-Stellen von Informationen und Bildmaterial!
Liebe Gudrun,das ist ja wieder eine wunderbare Übersicht über viele interessante Ausstellungen. Die Quilts von Faith Ringgold , die Afrikanische Webkunst und auch die Ideen von Sudo Reiko würde ich gerne direkt sehen. Leider sind die Anfahrtswege für mich sehr weit. Aber du verschaffst uns immer wieder einen großartigen Überblick und dafür VIELEN DANK.Herzliche GrüßeEriks
halli hallo erika,
1000 dank für deinen mitreissenden kommentar, freut mich sehr!
ja, das original ist durch nichts zu ersetzen – das stelle ich immer wieder fest und habe das auch schon mehrfach hier geschrieben. aber angesichts wieder steigender infektionszahlen sollte man sich einen besuch leider doch überlegen, zumal wenn eine längere anfahrt damit verbunden ist. so schade. es kann diesbezüglich nur wieder besser werden. und die nächste übersicht hier in digitaler form folgt 🙂
einen schönen restlichen sonntag noch und
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,die westafrikanische Webkunst ist beeindruckend. Aber auch deine anderen ausführlichen Berichte über Textilkunst und Kunst sind sooo spannend. Muss in die Berichte immer wieder reingucken und entdecke jedesmal Neues.Viele GrüßeBirgit
halli hallo birgit,
ich freue mich sehr über dein feedback und bedanke mich ganz herzlich dafür. das bestätigt meine entscheidung, diesmal noch einen zweiten teil der märztipps zu bringen. kunst und kultur sind soo wichtig! und es gibt einfach soo viele sehenswerte und interessante ausstellungen. und soll ich dir was sagen, es würde glatt noch für einen dritten teil reichen, aber … das muss jetzt warten bis april, also bis ende des monats 🙂
beste grüsse
gudrun