Ich nehme Euch heute mit auf mein Frühlingspicknick. Wir brechen direkt auf, raus aus der Stadt in die Weinberge und wandeln unter den duftenden Mandelblüten. Aber bevor es losgeht, brauch’ ich erstmal was Schickes zum Anziehen. In diesem Beitrag möchte ich Euch gerne zeigen, wie meine neue Frühlingsbluse entstanden ist.
Alte Schnitte rosten nicht
Was passt besser zum warmen Frühlingswetter als eine leichte, kurzärmlige Bluse? Das wussten auch schon die Leute vor 70 Jahren. Aus dieser Zeit stammt nämlich mein Schnittmuster – oder sollte ich besser sagen: meine Konstruktionsanleitung?
Der „Strauss Sparschnitt“ aus dem Jahr 1955 ist nicht wirklich ein Schnittmuster, es ist ein Baukastensystem, über das man sich selbst Schnittmuster konstruieren kann. Das Ganze besteht aus einem Grundschnitt für Vorderteil, Rückenteil und Ärmel sowie einer Anleitung, wie man sie auf die eigene Figur anpasst. Mithilfe eines kleinen Lineals aus Pappe mit aufgedruckten Karos und einem Anleitungsbuch lassen sich aus dem Grundschnitt tausende von Varianten für Blusen, Kleider und Jacken entwickeln. Diese lassen sich beliebig kombinieren und erweitern.
Weil in den fünfziger Jahren das Geld oft knapp war, schaffte dieses Baukastensystem eine Möglichkeit, viele verschiedene Schnitte selbst zu konstruieren und bei der Anschaffung von Schnittmustern zu sparen.
Warum so retro?
Ihr fragt Euch jetzt vielleicht: Warum mache ich mir die Mühe und tüftle mir mit so einem uralten Baukasten-System einen Schnitt, wenn es Blusenschnitte doch in allen möglichen Varianten gibt?
Hautpsächlich, weil es Spaß macht. Und weil wir von den Nähtechniken der Vergangenheit so einiges lernen können, was heute in Vergessenheit geraten ist.
Mich faszinieren die Looks und Schnitte der Vierziger- bis in die Sechziger-Jahre. Damals gab es noch nicht so ein Überangebot an Schnitten und Stoffen, so dass die Hobbyschneiderinnen immer wieder kreativ werden mussten, um ihre selbstgenähten Stücke zu gestalten. Es ist schon spannend, wie man aus wenig Stoff, Schrägbändern und einem interessanten Schnitt ein tolles, feminines Kleidungsstück zaubern kann.
Das Nähen von alten Schnitten ist herausfordernd, meist gibt es keine detaillierte Nähanleitung. Aber es macht Spaß und es ist wie eine kleine Zeitreise in die Welt der Nähtechniken der Vergangenheit.
Material & Werkzeug
Diese Bluse ist zwar nach einem Retro-Schnittmuster genäht, aber mit einer sehr modernen Nähmaschine. Grundsätzlich eignet sich dieser Schnitt aber auch wunderbar für das Nähen mit alten Maschinen. Ich nähe sie oft auf meiner alten BERNINA record 830. Für diese Bluse wollte ich aber die Knopflochautomatik der moderneren Maschinen nutzen und habe deswegen dieses Mal die neue Maschine im Einsatz.
Um diese Bluse nähen zu können, braucht Ihr:
- 1 m Baumwollstoff mit Kirschprint
- 5 passende Knöpfe
- Vlieseline G780 Gewebeeinlage für den Kragen und die Knopfleiste
- Knopflochschlittenfuß Nr. 3A
- Passende Maschinennadel und Handnähnadel für die Knöpfe und den Kragen
- Zackenlitze, weiß, 2 m
Vom Bastelbogen zum Frühlingsspaziergang
Am Anfang dieses Nähprojekts habe ich viel gebastelt. Immerhin musste ich den Grundschnitt, den ich schon hatte, in einen Schnitt für eine kurzärmlige Bluse verwandeln. Der Grundschnitt wird nicht mit einem Taillen, sondern mit einem Schulter-Abnäher auf Figur gebracht. Das liegt daran, dass man damals die Blusen sowieso in den Rock- oder Hosenbund steckte, was automatisch für eine schmale Taille gesorgt hat. Bei modernen Schnitten aus der heutigen Zeit sieht man Abnäher an der Schulterpartie nur noch selten.
Da ich meine Bluse aber oberhalb der Brust mit einer Teilungsnaht versehen wollte, musste der Schulterabnäher verschwinden und in Brust- und Taillenabnähern aufgehen. Dafür habe ich nach Anleitung den Abnäher zusammengefaltet und den Schnitt dann vom angegebenen Punkt unter dem Armansatz und dem Saum bis zum Brustpunkt aufgeschnitten. Dann habe ich den Schnitt auseinander gezogen, bis ich die benötigte Brustweite für meine Maße erreicht hatte. Das funktioniert ähnlich wie ein „Full Bust Adjustment“, bei dem ein Schnitt auf eine andere Körbchengröße angepasst wird.
Aus den ausgefalteten Papierteilen entstanden dann zwei Abnäher an jeder Seite, jeweils an der Brust und an der Taille. Beim Rückenteil habe ich die Abnäher beibehalten, die bereits im Grundschnitt enthalten waren, hier musste ich nichts ändern. Beim Ärmelschnitt habe ich den normalen kurzen Ärmel noch kürzer gemacht und ein wenig Fülle aus dem Schulterteil rausgenommen.
Nun war der Schnitt fertig, bis zum Spaziergang im Sonnenschein war es aber noch ein weiter Weg.
Kirschen unter der Nadel: Die Bluse nähen
Hier seht ihr alle Teile meiner neuen Bluse. Nach dem Zuschnitt habe ich als Erstes den Kragen und die Knopfleiste mit Vlieseline G780 Bügeleinlage verstärkt. Dann habe ich erst die Vorderteile, dann das Rückenteil und dann den Kragen genäht.
Wie Stück für Stück aus dem Kirschstoff meine Bluse entstanden ist, könnt Ihr hier im Youtube-Video ansehen:
Der schöne Baumwollstoff mit dem leichten Elastananteil ist sehr einfach zu verarbeiten. Er lässt sich gut bügeln und verarbeiten und dank des Elastans passt er sich gut der Figur an und knittert nicht so stark.
Zackenlitze annähen
Zackenlitze sieht an Vintagemode aller Art nicht nur süß aus, sie lässt sich auch gut waschen und ganz einfach annähen. Als ich es das erste Mal gemacht habe, dachte ich ernsthaft, ich müsste die Borte jetzt mit kleinen Wellen oder einem Zickzackstich auf den Stoff bringen! Zum Glück ist das Quatsch, sie wird einfach auf den Stoff gesteckt und meinem geraden Stich durch die Mitte der Borte festgesteppt.
Durch die Wellen der Zackenlitze kann einem da beim Annähen schon ganz schön schwindelig werden. 🙂
Knopflöcher nähen mit dem Knopflochschnlittenfuß
Ich liebe „Vintage-Nähen“ auf meiner alten BERNINA record 830 aus den Fünfzigerjahren. Um diese Bluse nähen zu können, braucht es eigentlich nicht mehr. Dennoch haben moderne Nähmaschinen ein paar nützliche Funktionen, die ich absolut nicht mehr missen möchte. Eine davon ist die Knopflochautomatik. Dank dieser Funktion und dem Knopflochschlittenfuß #3A nähen sich die Knopflöcher quasi von selbst. Auch die Möglichkeit, die Weite des Knopflochs direkt am Display der Maschine auszumessen, finde ich sehr praktisch.
Das oberste Knopfloch habe ich übrigens quer genäht, für etwas Bewegungsfreiheit am Hals, und die restlichen Knopflöcher längs. So bleiben die schönen Herzknöpfe an Ort und Stelle und die Knopfleisten sauber übereinander.
Zum Schluss kamen dann noch die Knöpfe dran, dann war die Bluse genäht und bereit führ ihren ersten Ausflug.
Mein Frühlings- und Sommerbegleiter
Früher konnte ich Blusen nicht leiden. Sie waren mir entweder über der Brust zu eng oder an allen anderen Körperstellen zu weit. Seit ich selbst nähe, liebe ich sie. Eine leichte, kurzärmlige Bluse ist der perfekte Alltagsbegleiter. Sie passt zum Rock oder auch zur Jeans und wenn es dann doch mal ein bisschen kalt wird, kann man sie wunderbar mit Strickjäckchen oder Blazer tragen. Für das Foto habe ich ein wenig gefroren. 🙂
Die Bluse lässt sich ganz normal geschlossen tragen, oder vorne geknotet und taillenfrei. Zu Jeans mit hohem Bund oder einem hübschen Tellerrock sieht das super aus!
Die Sonne scheint, die Blumen blühen, jetzt ist es Zeit, das neue, selbstgenähte Frühlingsoutfit an der frischen Luft auszuführen! Mehr Bilder und Outfits von meiner Bluse gibt’s auf jeden Fall bald auf meinem Instagram-Kanal.
Mit diesem Nähprojekt schicke ich Euch ein Blütenmeer an Näh-Inspiration und freue mich schon darauf, eure Frühlingsnähprojekte hier bei BERNINA zu sehen.
Eure Lasercat
hallo wo kann ich das schnittmuster finden. grüsse
Hallo Waltraud,
dieses Schnittmuster stammt aus dem “Strauss Sparschnitt”, einem Schnittmuster-Baukasten von 1955. Die Bücher sind recht rar und lassen sich hin und wieder bei Ebay oder in Antiquariaten finden. Es gibt natürlich auch viele “modernere” Schnitte in einem ähnlichen Stil. Für diese Bluse hier kann ich zum Beispiel das Modell “Jette” von Schwalbenliebe empfehlen oder die #712 /2009/03 von Burda Style.
Liebe Grüße
Theresia aka Lasercat
Finde ich ziemlich doof!Hier wird eine Anleitung zu einem Schnitt gezeigt, der nicht käuflich erworben werden kann. Das soll bei Vintage-Schnitten vorkommen … allerdings würde es sich dann gehören, Alternativschnitte zu benennen.
Hallo Patricia,
schade dass Dir mein Beitrag nicht so gut gefällt. Du hast natürlich Recht – Original Vintage Schnitte sind nicht mehr leicht zu bekommen und meist online nicht erhältlich, so wie dieser hier. Ich finde Deine Idee allerdings sehr schön, dann einen alternativen Schnitt aus dem Web statt dessen zu verlinken. Die werde ich auf jeden Fall für meine zukünftigen Vintage-Posts mit aufnehmen.
Für diese Bluse hier kann ich zum Beispiel das Modell “Jette” von Schwalbenliebe empfehlen oder die #712 /2009/03 von Burda Style.
Ich hoffe, ich konnte Dir damit schonmal weiterhelfen, einen tollen Vintage-inspirierten Blusenschnitt zu finden.
Liebe Grüße
Theresia aka Lasercat
Wo bekommt frau denn die alten Schnitte her?
Hallo Petra,
die Original-Schnittmuster aus den Vierziger und Fünfziger Jahren findest Du in gut sortierten Archiven, bei Ebay oder auf Flohmärkten. Alternative Labels wie CharmPatterns oder Schwalbenliebe bieten auch viele Vintage-Inspirierte Schnittmuster zum Kauf an, die den Originalen sehr ähnlich sind.
Liebe Grüße
Theresia aka Lasercat
Ich lese jeden deiner Beiträge mit Begeisterung, hab mich aber immer noch nicht ans Nähen der Retromode getraut… obwohl ich letzten Sommer sogar ewig das Netz nach einem “deiner” Kleiderschnitte durchforstet und dieses dann auch MIT Stoff gekauft habe. Vielleicht wird es ja diesen Sommer.Und solange lese ich deine Blog-Beiträge einfach weiter mit. 🙂