Saphira Graziano

In unserem Kinderzimmer stand der abgewetzte Überseekoffer, mit dem unser Grossvater vor langer Zeit nach Kanada gereist war. Für mich und meine Schwestern war dies der Verkleidungskoffer. Ich erinnere mich noch gut an Mamis aus der Mode gekommenen Sommerkleider, Urgrossmutter Fannys Spitzenhandschuhe, eigenwillig gemusterte Krawatten von unserem Vater und mehrere bestickte Saris.
Mit diesen wunderschönen, leicht transparenten Stoffbahnen gelang es besonders gut, uns in orientalische Prinzessinnen zu verwandeln.
Manchmal nahm ich auch die Schere zu Hilfe um meine Kleiderideen zu verwirklichen. Dies endete aber meist in verzweifelten Wutausbrüchen, denn das Ergebnis glich in keinster Weise meinen Vorstellungen.
Da war es wohl naheliegend, dass ich eine Berufslehre als Damenschneiderin absolvierte.

Nun beherrschte ich endlich das hochstehende Schneiderhandwerk, um meinen Ideen Gestalt zu verleihen.

Meine persönliche kreative Seite lebte ich beim anschliessenden Besuch der Modedesignschule in Zürich aus. Dort lernte ich, meine unzähligen Projekte zu kanalisieren.

Doch fühlte ich mich noch nicht angekommen. Erst als ich Nähkursleiterin wurde, stellte sich das gewünschte Gefühl ein.
Nach der Geburt meiner zwei Töchter (2006 und 2007) verlagerte sich der Schwerpunkt meiner kreativen Arbeiten aus Zeitgründen mehr auf schnell realisierbare Projekte. So begann ich mich erneut dem Textilrecycling zu widmen.

Als Folge davon, erschien im März 2015 mein erstes Buch: „schneiden tauschen nähen“, in dem ich anhand von rund 30 Modelle vorstelle, wie sich die eigene bestehende Garderobe in individuelle Designerstücke umnähen lässt.

Somit mache ich heute in meinem Atelier „umgarnt“ (das sich in Zürich befindet) eigentlich dasselbe wie früher in unserem Kinderzimmer, nur kann ich mittlerweile besser mit der Schere umgehen!