Kreative Artikel zum Thema Nähen

Wachstuch selbstgemacht – und mit kulörtexx zu einer Origamitasche vernäht

Es gibt mittlerweile so viele tolle Materialien zum Vernähen. Allein die Stoffe teilen sich in zig Varianten und Macharten. Darunter gibts seit unendlich vielen Jahren auch das Wachstuch, seit ein paar Jahren wird es auch mit vielen hübschen Designs hergestellt. Die ebenso vielfältigen Einsatzbereiche von Wachstuch muss ich hier nicht extra aufführen, wir wissen alle, was das für ein cooles Zeug ist.

Aber: es gibt zwischenzeitlich auch die Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand aus jedem handelsüblichen Patworkstoff ein Wachstuch selbst herzustellen. Als ich letztes Jahr über eine Werbeanzeige des französischen Herstellers Odif gestolpert bin, der den uns allen bekannten Sprühkleber herstellt, wurde mir erzählt, dass es ein neues Produkt Namens “Odicoat” gibt, das Stoff in Wachstuch verwandelt. Ok, das machte mich wirklich neugierig. Zwischenzeitlich ist wieder viel anderes passiert, tausend Dinge wurden erledigt, doch diese kleine Kunststoffdose ging mir nicht aus dem Kopf. Also bestellte ich davon mal die kleinere Menge à 150 ml.

odicoat

Dazu einen meiner absoluten Stofffavoriten, die Druckbuchstaben von Tim Holtz. Was wollte ich damit machen? Endlich mal, in Kombination mit dem farbigen Lederpapier kulörtexx (wir haben den Namen von colARTex geändert) eine grosse und etwas stabilere Origami-Tasche nähen.

Hier ist der noch unbehandelte Patchworkstoff – er muss absolut faltenfrei und gut gebügelt sein. Dazu habe ich eine Styroporplatte mit einer glatten Plastikfolie bezogen. Wichtig: niemals eine Papierunterlage für diese Materialbehandlung nehmen, das Papier klebt ansonsten unter dem Stoff fest.

stoff_timholtz

Den Baumwollstoff spanne ich auf die Folie und stecke ihn mit einigen Stecknadeln fest. Ich möchte noch anmerken, dass dies hier mein erstes Experimentieren mit dem Odif-Gel ist und ich meine Eindrücke frei schildere.

Mit der Gel-Dose wird eine kleine Plastikkarte geliefert, die zum Einarbeiten des Mediums in den Stoff dienen soll. Verarbeitungstipps sind kurz und knapp auf der Rückseite der Dose beschrieben – in deutscher Sprache. Da ich vermute, dass es etwas mehr als nur diese beiden Zubehörteile braucht, richte ich mir noch ein paar Rakel, zwei flache Kunststoffschalen, Handschuhe (ganz wichtig!) sowie einen breiten flachen Pinsel.

zubehoer

Ich öffne die Dose und hebe den Kunststoffschutz ab, bemerke dann, dass das Gel teils sehr flüssig, teils fest ist. Also nehme ich einen Plastikspatel und rühre das klare Medium erstmal gut durch. Und schon schwappt es über, also packe ich die Dose in die vorbereitete Schale.

odicoat2

Sobald alles einigermassen homogen ist, schütte ich eine erste Menge in eine weitere flache Schale.

odicoat3

Hier kann ich nun ganz bequem mit dem breiten flachen Pinsel eine geringe Menge Odicoat aufnehmen und auf den Stoff aufbringen. Es lässt sich sehr einfach verteilen, eine erste Partie des Stoffe streiche ich ein

einarbeitung_medium1

und arbeite es weiter mit einer Rakel mit “kreuz- und quer-Strichen” in den Stoff ein. Der Überschuss des Gels wird immer zur trockenen Stoffpartie hingezogen. Stück für Stück geht es voran, bis der ganze Stoff eine erste Schicht erhalten hat. Sollte sich der Stoff durch die Feuchtigkeit verziehen und/oder auf der Folie verschieben, hebt man ihn leicht an, zieht ihn vorsichtig glatt und legt ihn wieder auf der Folie aus. Bei kleinen Stoffstücken ist es sowieso kein Problem.

einarbeitung_medium2

Und vor allem anderen – egal was man vielleicht gerade noch so vorhat – vor dem ersten Trocknungsvorgang – muss das Zubehör ausgewaschen werden da das Gel extrem schnell trocknet.

Dann kommt der Stoff zum ersten Durchtrocknen für ca 30 – 60 Minuten an die Luft. Die Styroporplatte hat den weiteren Vorteil, dass man sie mitsamt aufgestecktem Material schnell und einfach überall hinstellen kann.

trocknen1

Der Stoff sollte nicht komplett durchtrocknen, bevor eine zweite Gelschicht aufgetragen wird. Ich habe bereits nach 30 Minuten eine weitere Schicht aufgebracht – dieser zweite Auftrag geht schneller und einfacher als der erste – ebenfalls muss darauf geachtet werden, dass der Gelüberschuss gut ausgestrichen wird und sich keine Streifen bilden, da diese unschön auf dem Material auftrocknen.

einstreichen2

Sobald der Stoff komplett überzogen ist trocknet er – am besten über Nacht – für gut 12 Stunden durch.

trocknungsvorgang_nacht

Heute morgen habe ich den Stoff von der Folie abgenommen, das ging sehr einfach, da nichts verklebt war, ebenfalls war ich überrascht, wie leicht der Stoff nach dem Trocknen war. Danach habe ich ihn bei mittlerer Temperatur zwischen zwei Lagen Backpapier geschützt, gebügelt. Wichtig: in der weiteren Verarbeitung muss dieser Stoff IMMER beim Bügeln mit Backpapier geschützt werden.

Für die Origami Tasche habe ich mich an der Anleitung von Christiane Colsman aus dem Bernina Blog orientiert, den dazu gehörenden Bericht findet Ihr hier:

Anleitung Origami Tasche

Das Wachstuch habe ich mit jeansblauem Kulörtexx kombiniert. Das Kulörtexx schnitt ich etwas grösser als das Endmass zu und knetete es mehrfach gut durch, bügelte es dazwischen immer wieder mal mit Dampf, da der Dampf das Lederpapier schön weich macht und die für das Material so charakteristischen Lederstrukturen sich noch besser herausarbeiten lassen. Dann bügelte ich es ein letztes Mal schön glatt und flach (die Strukturen verschwinden dabei nicht) und schnitt es auf das gewünschte Mass zu. Im anschliessenden Foto sind die Strukturen der Vorder- und Rückseite besonders gut sichtbar. Die Seitenteile der Tasche nähte ich an das Kulörtexx Mittelstück an, schlug die Nahtzugaben zur den Aussenseiten hin und steppte sie nochmals ab. Zur Verarbeitung von Wachstuch und anderen bremsenden Materialien eignen sich die beschichteten Nähfüsse von BERNINA No 52 und No 53 besonders gut.

zusammennaehen_kuloertexx

Da ich die Tasche mit Innenfutter versehen wollte, habe ich den gesamten Kombistreifen aus Wachstuch und Kulörtexx mit schwarzem Baumwollstoff verstürzt,

futterstoff_kuloertexx

die Seitenkanten sauber herausgearbeitet und rundherum abgesteppt.

absteppen_futter

aussenteil

Dann kam die Herausforderung des Zusammenfaltens – und wie es halt so ist – ist beim ersten Mal manches komplizierter, als es tatsächlich ist. Schlussendlich hat es geklappt und die Logik des Origami hat sich auch mir offenbart ;-).

kuloertexx_origami1

tasche_gefaltet

Die zusammengeklippten Seitenteile wurden nacheinander zusammengenäht.

origami_naehen

Da die Tasche recht stabil des Materials wegen wird, habe ich mich auch zu Bodenecken entschlossen, diese waren schnell angezeichnet, abgenäht, gekürzt und versäubert.

bodenecke1

bodenecke2

Aus einem knalligen orangefarbenen Kulörtexx nähte ich die Griff-Halterung, schob sie über die zusammengelegten Taschenenden und nähte die beiden Enden mit mehreren Vor- und Rückstichen zusammen.

griffe

griffe_zusammennaehen

Und fertig ist meine erste Origami-Tasche aus dem sehr speziellen Material – dem selbst gemachten Wachstuch und dem farbigen Kulörtexx.

wax_kuloertexx1

wax_kuloertexx4

kuloertexx_tasche

wax_kuloertexx2

wax_kuloertexx3

Übrigens findet am letzten April Wochenende, 29.+ 30.4. ein Taschenkurs zur Verarbeitung von Kulörtexx im CreativeCenter bei BERNINA in Steckborn statt. Wer also noch mehr über dieses spannende Material und zu seiner Verarbeitung erfahren möchte, darf sich gerne noch anmelden.

Nun wünsche ich allerseits schöne und erholsame Osterfeiertage, mit viel Zeit zum Ausspannen und Seele baumeln lassen – oder einfach nur die Nähmaschine schnurren lassen – was ja meistens denselben Zweck hat.

Herzlichst,

Jutta Hellbach

Schwierigkeitsgrad: Anfänger
Zeitaufwand: ein Wochenende
Verwendete Materialien: kulörtexx, Odicoat, Patchworkstoff
Verwendete Produkte:
BERNINA 880
BERNINA 880
Rücktransportfuss # 1
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Zickzack-Nähfuss mit Gleitsohle # 52
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Geradstichfuss mit Gleitsohle # 53
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