Kreative Artikel zum Thema Quilten

Posamentenknöpfe – Kleine Kunstwerke von Jutta Kohlbeck

Jutta Kohlbeck: Knöpfe 2018

Jutta Kohlbeck ist eine liebe Quiltfreundin von mir. Wir kennen und schätzen uns schon jahrelang, nur sehen wir uns leider nicht sehr häufig, Regensburg ist einfach 300 km zu weit weg. Jutta hat über die Jahre eine eigene künstlerische Handschrift entwickelt, die nicht nur charakteristisch für ihre grafischen und textilen Arbeiten ist. Ihre Werke zierten auch schon so manches Plakat und so manchen Ausstellungsflyer, etwa der Quilt-Triennale oder der Tradition bis Moderne.

Jutta Kohlbeck: Sommer
Teil des Tryptichons ‘Die drei Jahreszeiten’

Und sie ist immer wieder für eine Überraschung gut! So auch bei der Eröffnung der 7. Europäischen Quilt-Triennale in Heidelberg. Hier zeigte sie nicht nur einen spektakulären Quilt in der Ausstellung. Hier trug sie zudem ein ganz besonderes Schmuckstück am Hals – natürlich ein eigener Entwurf, eigentlich ein Posamentenknopf, wie sie mir erklärte.

Jutta Kohlbeck
im Hintergrund: Detail ihres Quilts ‘Topogravity’, 7. Quilt-Triennale

Und wenn man der Knopfmacherei verfallen ist, wenn man sein Herz an das Wickeln von Posamentenknöpfen verloren hat und dabei solch exzeptionelle Stücke entstehen …

Jutta Kohlbeck: Halsschmuck

… dann ist das auf jeden Fall einen Artikel im BERNINA blog wert. Wir haben uns also mal unterhalten …

Gudrun: Wie bist du auf die Knopfmacherei gestossen?

Jutta: Ein glücklicher Zufall spielte mir in einer regionalen Buchhandlung das Buch ‘Die ganze Welt der Knöpfe!’ (ISBN 978-3-426-643651-9, Knaur Verlag, leider bereits vergriffen) in die Hände … und kaum zu Hause, begann ich über einen alten Plastikknopf den ersten Posamentenknopf zu wickeln. Dann kam das Internet ins Spiel und damit war das Wunder der Posamentenknopfherstellung für mich nicht mehr aufzuhalten. Der Kontakt zu Sandra Janine Müller (Posamentenknopfmanufaktur) und Monika Hoede (Trachtenkulturberatung Schwaben) haben mir Mut gemacht, immer weiter zu wickeln.

Jutta Kohlbecks erste Knopferl 2016 …

Gudrun: Hast du einen Kurs gemacht oder war’s eine autodidaktische Annäherung?

Jutta: Ich bin viel zu ungeduldig um Kurse zu besuchen! 🙂 Nein, ich hab mich der Sache – wie immer in meiner Kunst – autodidaktisch genähert. Erst habe ich viele Knöpfe über alte ausrangierte Knöpfe aus meiner Knopfkiste gewickelt oder sie überzogen und bestickt. Nachdem ich mir aber über die Posamentenknopfmanufaktur meine ersten hölzernen Knopfrohlinge bestellt hatte, fand ich schnell heraus, dass dies die Sache sehr erleichtert. Ich wickle meine Knöpfe nun über Holzrohlinge verschiedenster Grössen, von 1 cm Durchmesser bis zu 6 cm Durchmesser.

Erst als ich beschloss, das Zertifikat zum Knopfmacher zu machen, hab ich an einem Sternknopfkurs von Sandra Janine Müller in der Trachtenkulturberatung teilgenommen, um zu sehen, ob meine Technik in Ordnung ist … alles war gut!

Jutta Kohlbeck: Sternknöpfe

Gudrun: Du hast also eine Prüfung zum Knopfmacher abgelegt. Was steckt dahinter?

Jutta: Die Trachtenkulturberatung Schwaben bietet für alle, die sich dem historischen Handwerk der ‘Knopfmacherei’ widmen wollen, den Erwerb des Knopfmacherzertifikats an und man darf sich nach bestandener Prüfung: Textilgestalter/-in im Handwerk Fachrichtung Posamentieren nennen. Der/die Absolvent/-in zeigt, dass er/sie sich mit den grundlegenden Techniken, der historisch belegten Nomenklatur der Knopfmacher und der darauf aufbauenden Weiterentwicklung von Knopfmustern beschäftigt hat.

Das Zertifikat wird getragen von Tobias Gattermann, Sachverständiger des Bundes zur Neuordnung des Berufs Textilgestalter/-gestalterin im Handwerk Fachrichtung Posamentieren, von Monika Hoede M.A., Leiterin der Trachtenkulturberatung des Bezirks Schwaben und vom Bezirkstagspräsidenten Martin Sailer.

Knöpfe und Buttons von Jutta Kohlbeck

Zur Prüfungszulassung müssen 99 Knöpfe vorgegebener Kategorien gewickelt werden, die auch den historischen Kontext der Herstellung abdecken. Infos dazu und zum nächsten Prüfungstermin gibt’s über www.trachten-schwaben.de

Gudrun: Knopf und Tracht – hat das einen Bezug zu Bayern?

Jutta: Da muss ich lachen, denn als ich begann Knöpfe zu wickeln, war mir das nicht bewusst. Aber ja, da besteht sehr viel Bezug – so gibt’s z.B. den Krumbacher Westenknopf, ein toller Knopf, bei dem durch eine bestimmte Web- und Häkeltechnik ein Stern erscheint.

Jutta Kohlbeck: Variation des Krumbacher Westenknopfs

Oder der Augenknopf aus dem Ries, hier erscheint durch die Randeinfassung eine mandelförmige Augenform.

Jutta Kohlbeck:: Mandelform, entstanden durch die Randeinfassung

Da das Auge für mich als Symbol in meiner Kunst eine sehr grosse Rolle spielt, freute ich mich sehr diese Machart zu entdecken!

Aber Posamentenknöpfe kamen auch in vielen anderen Regionen und Ländern zum Einsatz!

Jutta Kohlbeck: Gorlknopf mit Folienspiegel

Gudrun: Die Knopfmacherei ist doch ein altes Handwerk, oder?

Jutta: Die erste Knopfmacherzunft entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert. Das Knopfmacherhandwerk hatte seine Hochzeit im 18. Jahrhundert und endete im 19. Jahrhundert.

Jutta Kohlbecks Viereckknopfsammlung

Posamentenknöpfe wurden nicht nur in Deutschland hergestellt, auch z.B. in England, Holland, Frankreich und Österreich ist dieses Handwerk zu finden. Oberösterreich ist besonders für seine Zwirnknöpfe bekannt. Dort lebt Sabine Krump, die diese Tradition auf ihre eigene, künstlerische Weise weiterführt.

Ganz viel Info über die Geschichte und das Herstellen der handgewickelten Knöpfe gibt’s in dem Buch ‘Posamentenknöpfe des Bezirks Schwaben’ und bei der Trachtenkulturberatung – höchst empfehlenswert!

Hier eine Sammlung von meinen Zwirnknöpfen, viele davon mit Spiegel oder Münzeinlage:

Jutta Kohlbecks Zwirnknopfsammlung

Gudrun: Und welche Materialien braucht man dazu?

Jutta: Als Material dient beim Posamentenknopf ein Rohling aus Holz mit einem Loch in der Mitte, Faden, Nadel und eine Schere. Für manche Knöpfe ist ein Nagelbohrer als Haltewerkzeug hilfreich. Heute werden meist Häkelgarne in vielen verschiedenen Farben verwendet, aber auch Spaltgarn, Sticktwist, Gimpe, Metallgespinste oder Ähnliches können verwendet werden. Auch Silberfolie, Münzen usw. können zum Einsatz kommen.

Materialien für die Posamentenknopfmacherei

Gudrun: Was ist das Besondere am Posamentenknopf ?

Jutta: Ein Posamentenknopf ist eine mit Fäden umwickelte und umstickte, glatte oder gewölbte Scheibe, meist aus Holz oder Bein. Im Unterschied zu ‘normalen’ Knöpfen gibt es hier keine Löcher im Knopf zum Annähen, sondern der Knopf wird auf der Unterseite durch Durchstechen des Fadengespinstes auf der Kleidung befestigt.

Hier ein Beispiel: vierteiliger Klassiker, genannt ‘Death Head Button’, über einen gewölbten Rohling gearbeitet

Ähnlich hergestellt sind Zwirnknöpfe oder Dorset Buttons, allerdings dient hier ein Ring aus Metall als Basis fürs Umwickeln.

Gudrun: Wie entstehen die Muster, durch Wickeln, Besticken, Umschlingen …?

Jutta: Es gibt viele Variationsmöglichkeiten in der Gestaltung der Posamentenknöpfe. So liegt jedem Entwurf ein Grundgerüst zu Grunde, das durch die Anzahl der Wicklungen variiert werden kann.

Entstehung eines ‘Sternknopfs’

Im Grunde entsteht ein Muster wie ein Mandala aus der Geometrie, die durch diese Einteilung entsteht.

Sternknöpfe

Gudrun: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du nicht nur traditionell arbeitest. Wie sieht es mit eigenen Designs aus?

Jutta: Um wirklich frei arbeiten zu können, sollte man die traditionellen Muster verstanden und verinnerlicht haben. So ist es ratsam, darauf zu achten, dass alle Fäden an der Knopfkante Platz finden, um ein Abrutschen der Fäden zu verhindern. Überwickeln des Knopfes ist möglich, allerdings gilt es hier gut darauf zu achten, die Techniken so zu verbinden, dass daraus ein haltbares Geflecht entsteht, das dann nicht zu dick wird.

Traditionelle Knöpfe sind z. B. :

Jutta Kohlbeck: Ottobeurer Knöpfe

 

Jutta Kohlbeck: Staphorster Knöpfe

 

Jutta Kohlbeck: Schwälmer Knopf und 2 Kinderknöpfe mit 1cm Durchmesser
Die Knöpfe aus der Schwalm wurden bereits damals farbig gearbeitet!

Jutta: Die frei gestalteten Knöpfe, die ich hier vorstelle, sind Einzelstücke mit eigenem Design, d.h. sie sind spontan und frei aus dem Gefühl heraus entstanden.

Jutta Kohlbeck: India
Viereckknopf mit verwobenen Touren, Stickerei und Einfassung

Ihre Aussagekraft bekommen sie durch die verwendeten Techniken und die Farben.

Jutta Kohlbeck: Marktplatz
Sternknopf mit Stickerei und Einfassung

Ich sehe sie als eigenständige kleine Kunstwerke …

Jutta Kohlbeck: Wintersonne
Dorsetbutton Variation

… die ich in kleinen Schaukästen ausstelle und die eventuell als Schmuckstücke in einer Art angewandter Kunst verwendet werden sollten.

Jutta Kohlbeck: Blumenrad

Dennoch sind sie aufgrund ihrer traditionellen Herstellungsweise robust und in ihrer Funktion durchaus auch als Knopf verwendbar.

Jutta Kohlbeck: Farbenspiel

Gudrun: Jetzt baust du eine Sammlung auf?

Jutta: Wir werden sehen – im Moment sammle ich tatsächlich erstmal …

Kleine Auswahl von Jutta Kohlbecks Sternknöpfen

Gudrun: Verkaufst du?

Jutta: Hmmm, das ist ein bisschen kompliziert. Wenn man bedenkt, dass ich an einem meiner Unikate 10 – 12 Stunden arbeite, kommt hier ein nicht unerheblicher Preis zustande. Wenn jemand bereit ist, das zu zahlen, lass ich mich überzeugen … 🙂

Gudrun: … oder man bekommt – wie ich – einen solchen Anhänger, einen Glücksbringer geschenkt! 🙂 Nochmals 1000 Dank dafür.

Jutta Kohlbecks Zwirnknopf-Anänger mit eingearbeitetem Spiegel bzw. 1 Cent Stück

Gudrun: Gibst du Kurse?

Jutta: Nein, im Moment gebe ich keine Kurse.

Jutta Kohlbeck: Sternengold

Gudrun: Wie ich dich kenne, integrierst du deine tollen Knöpfe auch in deine anderen Werke, oder?

Jutta: Ja, manche Knöpfe haben tatsächlich den Weg in den einen oder anderen Quilt gefunden. So ist z.B. einer meiner ersten gewickelten Knöpfe auf meinem Quilt ‘Topogravity’ bei der 7. Quilt-Triennale zu sehen.

Einer von Jutta Kohlbecks ersten gewickelten Knöpfen auf ihrem Quilt ‘Topogravity’

Gudrun: Und als Schmuckstück sind sie mir ja schon an dir aufgefallen!

Jutta: Als Schmuckstücke eignen sich die Knöpfe sehr gut! Ich liebe sie als Anhänger für Halsreifen oder Ketten oder aber auch als Broschen.

Jutta Kohlbeck: Halsschmuck

 

Jutta Kohlbeck: Halsschmuck

Gudrun: Wie geht’s weiter?

Jutta: Hmm, erst mal mit Wickeln würd’ ich sagen. Gut ist für mich, dass ich das einfach abends machen kann, so bleibt genug Zeit für meinen Nebenjob und die Kunst in Zeichnung und Textil, eigentlich die Grundlage meines künstlerischen Schaffens.

Jutta Kohlbeck: Blühender Garten

Es gibt da auch noch eine tolle Technik zur Herstellung japanischer Fingerhüte, genannt Yubinuki, und irgendwann will ich dann auch noch lernen, Temari-Bälle zu machen. Es bleibt spannend, was der Faden noch so alles umwickelt.

Yubinuki / Japanischer Zierfingerhut

Gudrun: Und du hast demnächst eine Ausstellung!

Jutta: Ja, vom 1. August bis 31. Oktober 2019 im Deutschen Knopfmuseum in Bärnau. Die Eröffnung der Sonderausstellung ‘UNIKATE – Knopfkunst und Kunstquilt’ ist am Samstag den 03. August 2019 um 13 Uhr und ‘Doc her brain’ wird in Kleinstbesetzung ein paar Rocksongs beisteuern.

Einladungskarte zur Ausstellung ‘UNIKATE’

Besonders freue ich mich über die Möglichkeit, neben meinen Knöpfen auch meine Kunstquilts ausstellen zu dürfen!

Jutta Kohlbeck: Gifted Life

So ergibt sich eine besondere Verbindung von Faden- und Textilkunst.

Jutta Kohlbeck: Der Wald, Grünes Labor, Detail

Ich werde viele kleine Art Quilts zeigen, aber auch ein paar meiner grösseren Arbeiten mitnehmen.

Jutta Kohlbeck: Save the Amazon

So wie sich auch meine Arbeiten aus Stoff von der ursprünglichen Zweckmässigkeit gelöst haben und sich zwischen Textilkunst und bildender Kunst bewegen, möchte ich auch bei den Posamentenknöpfen aufzeigen, dass Handarbeit und Handwerk mehr als Nützlichkeit in sich tragen.

Jutta Kohlbeck: Woehrdbad, Detail

Gudrun: Liebe Jutta, ich danke dir sehr für dieses Interview. Du hast alles so schön ausführlich dargestellt und mit deinen exzellenten Fotos deiner phantastischen Knöpfe und Quilts illustriert, grosse Klasse! Ich bin hin und weg! 1000 Dank!

Jutta Kohlbeck: Überzogener Knopf mit Tortenschnürung

Jutta: Mein besonderer Dank geht an Frau Bäuml, Leiterin des Deutschen Knopfmuseums Bärnau, an die Trachtenkulturberatung Schwaben, Monika Hoede, an die Posamentenknopfmanufaktur, Sandra Janine Müller, an Zwirnknöpfe, Sabine Krump und an Gina Barrett, die in ihrem Buch ‘Buttons, a passementerie workshop manual’ sehr viele Geheimnisse der Knopfherstellung lüftet und erklärt … und natürlich an dich liebe Gudrun, die mich jetzt schon viele Jahre auf meinem Weg begleitet und mir immer wieder die Hand reicht! Alles Liebe!

***

Info:

1. August – 31. Oktober 2019

Sonderausstellung ‘UNIKATE – Knopfkunst und Kunstquilt’

Deutsches Knopfmuseum
Tachauer Strasse 2
95671 Bärnau

www.deutsches-knopfmuseum.de

Öffnungszeiten:
Do – So und an Feiertagen: 13 – 17 Uhr

Ausstellungseröffnung:
Sa, 3. August 2019, 13 Uhr

 

Alle Fotos © Jutta Kohlbeck, die sie zusammen mit ihren Informationen freundlicherweise für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat. Vielen herzlichen Dank!

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