Kreative Artikel zum Thema Quilten

Ausstellungseröffnung in Heidelberg

Vergangenen Sonntag fand sie also statt, die Vernissage der Ausstellung “Konzepte in Stoff – 22 textile Positionen” in der Textilsammlung Max Berk, Heidelberg-Ziegelhausen. Wie bereits berichtet, hatte der Verein Quiltkunst e.V. 2011 einen zweistufigen Wettbewerb unter dem Titel „Quilts im Grossformat“ ausgeschrieben. Seit ich im Oktober 2011 anlässlich des 3. Symposiums des Vereins die Gegelegenheit hatte, die dort ausgestellten, von einer Jury ausgewählten Bewerbungsmappen zu sehen, war ich gespannt auf die sich daraus ergebende Ausstellung.

Gisela Schmidt (D): Sofia I, 2012, 195 x 171 cm (li im Hintergrund), Adelheid Gubser (CH): Stickers Tagebuch, 2013, 184 x 182 cm, Detail (re im Hintergrund)


Vorausgegangen war die Selektion von 22 aus 56 eingereichten Mappen, in denen die Teilnehmer ihre Konzepte darlegten. Der Verein lud die ausgewählten Bewerberinnen ein, für die zweite Stufe des Wettbewerbs bis zu drei grossformatige textile Arbeiten von mindestens 3 Quadratmetern Grösse einzureichen.

Adelheid Gubser (CH): Stickers Tagebuch, Detail


Was für eine Herausforderung! Einer textilen Arbeit dieser Grösse muss ein klares Konzept zugrundeliegen, eine Bildidee, die auch technisch zu bewältigen ist. Eine Herausforderung auch an die Ausstellungsorte, denn Grossformate benötigen Platz, um zur Wirkung zu kommen, auch, um es dem Betrachter zu ermöglichen, die Werke aus einer gewissen Distanz auf sich wirken zu lassen.

Annemarie Zoller-Sicker (D): Spuren roter Farbe, 2012, 152 x 206 cm, Detail


Nachdem die Originalarbeiten nochmals durch die Jury begutachtet worden waren, wurde die Ausstellung in der Kunststation Kleinsassen im März 2013 eröffnet. Die Textilsammlung Max Berk in Heidelberg-Ziegelhausen ist nun die zweite Location. In der Tat stiess man in der ehemaligen Kirche aus dem 18. Jahrhundert, in der das Museum untergebracht ist, an räumliche Grenzen, so dass nicht alle ausgewählten Arbeiten gezeigt werden können, jedoch alle Künstlerinnen vertreten sind.

Blick auf einige der akzeptierten Bewerbungsmappen


Schon beim Betreten des ersten Raumes fallen dem Besucher die Arbeiten ins Auge und viele der Exponate verraten nicht nur dem Insider sofort, von wem sie gestaltet worden sind. Übrigens war dies ein erklärtes Ziel dieser Ausschreibung, dass die Arbeiten die jeweilige künstlerische Handschrift erkennen lassen sollten. Und so lesen sich die Namen der Künstlerinnen wie ein Who’s Who der vorwiegend deutschen Szene.

Gabriele Kleindienst (D): Grands – Garten der Lüste, 2012, 260 x 165 cm (vorn), Isabelle Wiessler (D): Mongolei II, 2013, 136 x 211 cm (im Hintergrund)


Allerdings wurden nicht nur ausschliesslich Quilts eingereicht und akzeptiert, obwohl er fraglos im Mittelpunkt steht. In einigen Fällen führt eine Neudefinition der Grenzen heraus aus der Zweidimensionalität – bis hin zu skulpturalen Lösungen oder zu Rauminstallationen. Spannende neue Wege wurden beschritten. Dies machte die Änderung des Ausstellungstitels nötig: Aus „Quilts im Grossformat“ wurde “Konzepte in Stoff – 22 textile Positionen”. Das textile Material jedoch ist die verbindende Gemeinsamkeit aller Arbeiten.

Ich habe versucht, die Fotos so auszuwählen, dass zum einen die Atmosphäre der sehr gut besuchten Ausstellungseröffnung transportiert wird, zum anderen aber auch die jeweils vertretenen Positionen beleuchtet werden. Ich hoffe, Ihre Neugierde ist geweckt!

Judith Mundwiler (CH): Seelenwanderung, 2013, 196 x 163 cm, Detail


Gedanken zu Leben und Tod, Abschied und Loslassen thematisiert Judith Mundwiler in “Seelenwanderung”. Gebrauchte Teebeutel mit individuellen Lebensspuren nehmen das Zerbrechliche des Themas auf, Goldfarbe und goldene Fäden stehen für die kostbaren Momente des Lebens.

Friederike Hoerst-Röhl (D): Lores Fliegender Teppich, 2012, 192 x 159 cm, Detail (li), Monika Sebert (D): Marathon 2, 2012, 180 x 180 cm (re)


Zwischenmenschliches greift Friederike Hoerst-Röhl ebenfalls mit “Lores Fliegender Teppich” auf – Erinnerungen an ein langes interessantes Leben einer Nachbarin – während sich Monika Sebert mit der Zeit und den von der Zeit hinterlassenen Spuren beschäftigt.

Monika Sebert (D): Marathon 2, Detail


Den unaufhaltsamen Prozess andauernder Veränderungen, ausgedrückt mit Rost, stellt sie in “Marathon 1” in rhythmischen Linien als persönliche Spuren dar, die mit den Linien im Gesicht der alten Frau in “Marathon 2” korrespondieren.

Monika Sebert (D): Marathon 1, 2012, 103 x 328 cm (Mitte), Renate Flohr (D): Late Summer, 2012, 175 x 175 cm (oben li), Gisela Hafer (D): Goldtaler, 2013, 180 x 185 cm (oben, im Hintergrund Mitte), Judith Mundwiler (CH): was kommt noch?, 2012, 60 x 60 x 200 cm (oben re)


Gesellschaftlich-politische Themen werden auch in den Arbeiten “Goldtaler” von Gisela Hafer oder in “was kommt noch?” von Judith Mundwiler behandelt. Die hintereinander geschichteten Stoffbahnen der dreidimensionalen Säule beschäftigen sich mit der Wirtschaftskrise und werden zum Mahnmal, während Gisela Hafer den Traum vom märchenhaften Reichtum illustriert.

Gisela Hafer (D): Goldtaler, Detail


Beim näheren Hinsehen könnte man in das märchenhaft anmutende Sujet die aktuellen Börsenkurse hineinlesen.

 

Judith Mundwiler (CH): was kommt noch?, 2012, 60 x 60 x 200 cm (vorn), Britta Ankenbauer (D): Hier et demain, 2012, Detail,  (im Hintergrund li), Claudia Helmer (D): 128,07 ° W 51,39° N, 2012, 172 x 186 cm, (im Hintergrund Mitte)


Britta Ankenbauer (D): Hier et demain, 2012,185 x 165 cm, Detail


Britta Ankenbauer sucht und findet Material auf Fohmärkten, die das Gestern-Heute-Morgen beinhalten. Sie gestaltet sie um, gibt ihnen neue Funktion und Präsenz.

Claudia Helmer (D): 128,07 ° W 51,39° N, Detail


Ihre Inspiration findet Claudia Helmer auf Reisen – wie auch Isabelle Wiessler. Die beiden Künstlerinnen gehen jedoch unterschiedlich damit um – oben ein Ausschnitt aus “128,07 ° W 51,39° N”, eine Arbeit die eine Art ganz persönliches Reisetagebuch darstellt.

 

Gisela Hafer (D): Bankenlandschaft, 2012, 180 x 170 cm (li), Ulrike Fritz (D): Meine Mutter, 2012, 2 Teile je 95 x 200 cm (oben re), Gisela Schmidt (D): Sofia I (unten re), Konstanze Trommer (D): Jagd aus “Aufbruch ins Paradies”, 2010/11, 205 x 360 cm (unten li)


Bilder der Stadt Frankfurt am Main, in der Gisela Hafer lebt, sind seriell zusammengesetzt, verdichtet und rhythmisiert, so dass empor strebende Bankentürme scheinbar zur Gebirgslandschaft werden. Hier wird beispielsweise deutlich, dass aus der Ferne betrachtet ein ganz anderer Eindruck beim Betrachter entsteht als aus der Nähe.

Ulrike Fritz (D): Meine Mutter, Detail


Die Darstellung von Frauen in verschiedenen Lebenssituationen ist das Thema von Ulrike Fritz, die hier Fotos ihrer Mutter aus den 50er Jahren zugrundegelegt hat und mit dem Quilting ehemalige Lebensorte darstellt.

Heide Stoll-Weber (D): Shapes and Lines XVI – XVII, 2012/2013, 180 x 190 cm (li), Heike Dressler (D): Transformation 1, 2013, 181 x 167 cm (re)


Auf der gegenüberliegenden Galerie-Seite sind die Arbeiten von Heide Stoll-Weber und Heike Dressler zu sehen, in denen gestalterische Aspekte im Vordergrund stehen. Dazu zählt auch das Werk von Renate Flohr, das weiter oben mit abgebildet ist.

Heike Dressler (D): Profile 6, 2012, 193 x 194 cm (vorn re), Heide Stoll-Weber (D): Shapes and Lines I – III, 2011/12, 95 x 290 cm (im Hintergrund)


Nochmals abstrakte Quilts von Heike Dressler und Heide Stoll-Weber aus handgefärbten Stoffen und mit technisch perfekter Verarbeitung.

Pascale Goldenberg (D): 6 x 6 = 36 Bad Beds, 2009, 36 Elemente, zusammen 200 x 200 cm, Detail, (im Hintergrund), Friederike Hoerst-Röhl (D): Matriarchat hinter Gittern, 2012, 183 x 173 cm, Detail (re)


Pascale Goldenberg beschäftigt sich seit Jahren mit gesellschaftskritisch-politischen Themen, wobei gebrauchte Materialien zum Einsatz kommen, die schon “mehrere Leben hinter sich haben”. Die Ästhetik spiele dabei eine untergeordnete Rolle, meint die Künstlerin. Auf die Aussage kommt es auch Friederike Hoerst-Röhl an, die sich in “Matriarchat hinter Gittern” mit dem Leben der Frau im Verhältnis zu ihrem Umfeld auseinandersetzt.

Michaela Grigoleit (D): MG – Q # 212, 2013, 140 x 220 cm, Detail


Zwei Textilkünstlerinnen, die sich von der Natur inspirieren lassen, diese Inspiration aber total verschieden umsetzen, sind Michaela Grigoleit und Elsbeth Nusser-Lampe.

Elsbeth Nusser-Lampe (D): Tränendes Herz – Lamprocaprios, 2012, 3 Teile je 100 x 100 cm, Detail


Blüten – in ihrer Vergänglichkeit sind sie eine poetische Sprache für das menschliche Leben.

Dörte Bach (D): Lineamente II, 2012, 130 x 236 cm, 4 Teile, Detail


Mit der Reduktion von Form (auf die Linie) und Farbe (auf den Kontrast von Schwarz und Rot) möchte Dörte Bach für Vorstellungen Raum geben und den Betrachter zum Dialog herausfordern.

 

Pascale Goldenberg (D): Bandages pour la Grèce, 2012, 5-teilige Säulen-Installation, Detail (li), Konstanze Trommer (D): Aufbruch aus “Aufbruch ins Paradies”, 2011, 2 Teile je 200 x 200 cm, Detail (im Hintergrund)


Ein weiteres politisches Thema, mit dem uns Pascal Goldenberg konfrontiert: Griechenlands Schuldenkrise. Textile griechische Säulen, gebildet aus Bandagen, geben zu denken. Konstanze Trommers Werkfolge beschäftigt sich mit dem Weg in eine friedvollere Welt.

Gabi Mett (D): Der Platz der Schamanin, 2012, Bodeninstallation und dazugehörige Decke, 240 cm Durchmesser und 130 x 160 cm, Detail, Brigitte Kopp (D): Stummer Schrei, 2012/13, 6 Paneele, je 180 x 35 cm, Detail (re)


Gabi Mett setzt sich mit den Urspüngen und Wurzeln des Menschen auseinander und mit den Aufgaben, die bestimmte Personen in einer Gemeinschaft übernehmen. Der Kreis auf dem Boden stellt die Wirkungsstätte der Schamanin dar, die durch die Decke symbolisiert wird.

Ein gesellschaftlich unerträgliches Problem – die alltägliche Gleichgültigkeit gegenüber Unrecht und Leid – thematisiert Brigitte Kopp in ihrer Arbeit “Stummer Schrei” und legt ihr ein Brecht-Zitat zugrunde. Die Schreie der Kinder hört man – ihrer Meinung nach – am wenigsten.

Elsbeth Nusser-Lampe (D): Wiesenstücke, 2012, 145 x 260 cm, Judith Mundwiler (CH): Seelenwanderung, Isabelle Wiessler (D): Mongolei II (vlnr)


Diese Ausstellung zählt nach meinem Dafürhalten zu den wichtigen der letzten Zeit. Einen Teil der Inhalte habe ich angerissen, einen Teil der Umsetzungen aus der Nähe gezeigt – als Appetithäppchen. Die grossen Formate entfalten ihre echte Wirkung jedoch nur, wenn man sich selbst damit konfrontiert. Ich hoffe, Ihre Neugierde ist geweckt! Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich.

Auch wenn nun bei einem Besuch der Ausstellung wahrscheinlich zufällig keine der Künstlerinnen mehr anwesend ist und für Gespräche zur Verfügung steht – man sollte es sich nicht nehmen lassen und die Eindrücke direkt und in Gänze auf sich wirken lassen. Die Ausstellung, die von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet wird, ist noch bis zum 9. Februar 2014 zu sehen. Ein Katalog ist erhältlich.

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Fotos: © Dr. Wolfgang und Gudrun Heinz

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Info:
Konzepte in Stoff – 22 textile Positionen
10. November 2013 – 9. Februar 2014

Textilsammlung Max Berk
Brahmsstraße 8
69118 Heidelberg-Ziegelhausen

Öffnungszeiten: Mi, Sa, So 13 – 18 Uhr

www.museum-heidelberg.de

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