Vom 18. bis 20. November 2022 fand in Almaty das internationale Quiltfestival “Orient Bazar” statt. Das Quiltfestival ist eine wiederkehrende Veranstaltung und wurde dieses Jahr bereits zum achten Mal durchgeführt. Die zwei deutschen Quilterinnen Barbara Lange und Gabriele Fischer wurden eingeladen, ihre Quilts auszustellen. Nachstehend publizieren wir einen Bericht von Barbara Lange über ihre Reise nach Kasachstan.
Eine Reise zum Orient Bazar in Kasachstan
Von Barbara Lange
Kasachstan – das Land der Steppe, der Nomaden und der Seidenstraße. Und das Land der Erde, das am weitesten von den Weltmeeren entfernt liegt. Ehemals Teil der UDSSR, reich an Bodenschätzen und nun dabei, seine eigene Identität wiederherzustellen. Recht viel mehr wusste ich nicht über Kasachstan, als Tamara Stroscherer Gabriele Fischer und mich einlud, unsere Quilts bei dem von ihr organisierten Orient Basar in Almaty auszustellen. Das ist so wenig Wissen, dass es schon peinlich ist. Und wenn das nicht Grund genug war, die Reise dorthin anzutreten, so war der gute Ruf von Tamaras Ausstellungen ganz bestimmt eine Motivation, nach Almaty zu fliegen.
Die Veranstaltung fand im zentralen Staatlichen Museum der Republik Kasachstan statt. Das Museumsgebäude wurde 1985 gebaut und ist mit mehr als 300.000 verschiedenen Exponaten das älteste und größte Museum Kasachstans sowie eines der größten Museen in Zentralasien. Mit der Betonung auf „groß“. Selten habe ich eine derartig große, freitragende Kuppel gesehen wie diese. Das Gebäude erinnert von der Konstruktion an eine Jurte und hat dementsprechend oben eine verglaste Öffnung, durch die das Sonnenlicht eintritt.
Die Ausstellungen waren an den Außenwänden der Kuppel untergebracht. Oben auf der zweiten Etage waren neben unseren Ausstellungen Quilts von Galina Krasnikova (Russland), Natalya Krivets (Astana, Kasachstan), Natalya Mametniyazova (Almaty, Kasachstan), Irina Subbotina (Almaty, Kasachstan) und Natalya Dyachenko (Karaganda, Kasachstan) zu sehen.
Daneben hingen Quilts der kasachischen Quilt-Gruppe „Magic Quilt“, die das Thema „Die Länder der Seidenstraße“ dargestellt haben.
Schwerpunktthema der Ausstellung war „Jeans-Improvisation“. Umrahmt wurde das Thema mit einer fantasievollen Installation, die aus einem hängenden Garten, zwei Betten und mehrere Sessel bestand. In dem so geschaffenen Raum wurden ausgefallene Handtaschen präsentiert, die aufwändigsten von Madina Turlybekova (Instagram-Account: ma.dikoza).
Apropos Handtasche: die Händlerstraße umfasste zwar Nähmaschinen und ein paar Stoffe, aber hauptsächlich konnte Kunsthandwerk aus Kasachstan erworben werden. Das kam uns natürlich sehr zu Gute.
Der Kursraum war auf zehn Kursteilnehmer ausgelegt und mit BERNINA Nähmaschinen ausgestattet. Allerdings war der Raum ebenfalls in der Museums-Kuppel untergebracht und somit für alle Besucher einsehbar. Anfangs hatte ich Bedenken, es könnte schwierig werden, wenn der Geräuschpegel im Kursraum sich mit dem Besucherstrom gegenseitig hochschaukelt, aber das hielt sich absolut in Grenzen. Die Größe der Räumlichkeiten führte dazu, dass man sich gut verstehen konnte. Zugleich bekamen die Besucher live einen Eindruck davon, wie ein Quilt genäht wird.
So weit, so „normal“. Ausstellung, Kurse, Händler – alles was westliche Ausstellungen eben so bieten. Was für uns völlig ungewöhnlich war, war das Rahmenprogramm, das den gesamten Samstag umfasste. Serim Akishev, ein in Kaschstan bekannter TV-Moderator, führte durch das Programm. Es fing an mit einem kleinen Konzert des Symphonieorchesters der Stadt Almaty. Im Anschluss trat Jamilya Serkebayeva auf, die in Monte Carlo als 1. Violinistin ausgezeichnet wurde. Beides westlich geprägt mit einer deutlich kasachischen Einfärbung. Die anschließende Aufführung einer Hochzeitszeremonie durch eine Volkloregruppe war hingegen kasachisch, mit westlichen Einflüssen. Gezeigt wurde die Einkleidung und Verhüllung der Braut und die anschließende Enthüllung der Braut durch ihre Schwiegermutter.
Bei den anschließenden Modeschauen hatten die Kleidungsstücke zwar eher westliche Schnitte, aber überall war der kasachische Einfluss spürbar. Sei es durch die Verwendung von Fell, den Einsatz von orientalischen Stoffen oder die Verzierungen mit herkömmlichen kasachischen Symbolen und Runen.
Überhaupt war nicht nur in der Ausstellung, sondern überall in der Bevölkerung deutlich zu spüren, dass die eigene kasachische Herkunft eine wichtige Rolle spielt und Traditionen wiederentdeckt und gepflegt werden. Am deutlichsten macht sich das in der Sprache bemerkbar. Offiziell ist Kasachstan ein zweisprachiges Land. Neben Kasachisch wird Russisch gesprochen. Bis vor ein paar Jahren dominierte Russisch vor allem die höhere Bildung. Jetzt ist Kasachisch wieder auf dem Vormarsch – man versucht allerorts, sich von dem russischen Einfluss zu lösen.
In der Stadt Almaty macht sich das russische Erbe vor allen in den Bauwerken bemerkbar. Auch „unser“ Museum war ein russischer Monumentalbau. Davon findet man in der Stadt so einige, vor allem auch in den Denkmälern. Das Bankenviertel erhebt sich vor einer imposanten Kulisse aus Bergen. Die Großstadt liegt auf den Hängen des 4000 m hohen Zailyisky Alatau Gebirges. Für die modernen Gebäude wurde viel Anbaugebiet geopfert. Almaty gilt als das Ursprungsgebiet des Apfels. Hiervon stammt der Ur-Apfel, aus dem alle anderen Apfelsorten entstanden sind. Heute ist der Apfel nicht viel mehr als ein Marketing-Symbol, aber auch hier findet eine Rückbesinnung auf die eigene, ursprüngliche Kultur statt.
Wenn man von dem Land einen abgerundeten Eindruck gewinnen möchte, darf man nicht ausschließlich in der Großstadt bleiben. Wir haben daher nach der Ausstellung eine dreitägige Rundfahrt durch den Südosten des Landes gemacht und dabei die Nationalparks Altyn-Emel, Scharyn und die Kolsai-Seen besichtigt. Danach ist man zwar kein Kasachstan-Experte, aber einen gewissen Einblick bekommt man doch. Was wir zu sehen bekamen war viel ursprüngliche Natur, einen kleinen Eindruck von der Weitläufigkeit des Landes mit seiner unendlichen Steppe und daneben herrliche Seen, 4000 m hohe Berge und Schnee. November ist nun echt nicht die ideale Reisezeit für Touristen. Dafür waren wir überall alleine unterwegs und haben die unberührten Landschaften genießen können.
Bleibend sind aber die Erinnerungen an die Begegnungen mit den Menschen. Egal wo wir hinkamen – in der Ausstellung, unterwegs in der Stadt, auf Rastplätzen – alle Menschen, die wir getroffen haben, waren ausgesprochen freundlich und aufgeschlossen.
Vor allem die Gastfreundschaft von Tamara kann man nicht hoch genug loben.
Daher das Fazit: Würden wir es nochmal machen? Ja! Sofort!
Das Festival findet in unregelmäßigen Abständen an unterschiedlichen Orten statt. Genaue Informationen über die nächsten Aktivitäten von Tamara Stroscherer und ihrem fantastischen Team findet Ihr auf Instagram unter rivia.kz.
Nachfolgend noch ein Video von der diesjährigen Quilt-Ausstellung “Orient Bazar” in Kasachstan:
Websites von Gabriele Fischer und Barbara Lange:
Gabriele Fischer: www.gabifischer-quiltart.de
Barbara Lange: www.barbaralange.com
Danke für den schönen Bericht. Würden in Deutschland doch nur auch große Museen ihre Türen für Textilkunst öffnen und Quilts so toll präsentieren.
Ja, das fände ich auch toll!
Nach diesem Bericht habe ich Heimweh bekommen… Ich komme aus Kasachstan. Es freut mich sehr, dass es Dir dort gut gefallen hat.Liebe Grüße,Olga
❤
Ein wunderbarer Bericht. Schön, dass Du uns so mitgenommen hast.Viele GrüßeHeike
😊😊
was für ein eindrücklicher und toller bericht, liebe barbara und gabi.
erinnert mich persönlich an die reisen nach russland, die man sich derzeit gar nicht mehr vorstellen mag, und natürlich an die verbindung, die wolfgang eibisch, seinerzeit BERNINA area sales manager, zu tamara knüpfte. allerdings reisten damals nur die quilts nach almaty …
https://blog.bernina.com/de/2012/08/mail-aus-almaty/
wie schön, dass ihr eure arbeiten auch dort präsentieren und einiges rundherum erleben konntet und dies hier zeigt. vielen dank!
beste grüsse
gudrun
Ja, Wolfgang hat viel für die Region gemacht und erreicht! 😊
Oh diese wunderschönen Bilder. Ich war mal mit Helvetas in Kirgistan und dieser Bericht hat mich ein wenig wehmütig gemacht. Dort auch, wie beschrieben, wunderbar schöne, einsame Landschaft und sehr gastfreundschaftliche und herzliche Menschen.Vielen Dank für euren BerichtRuth
Gern geschehen. Kirgistan ist bestimmt auch toll!