Die grösste Herausforderung beim Nähen von Kleidung ist oft, dass Unsicherheit darüber herrscht, welche Grösse aus einem Mehrgrössenschnitt die richtige Ausgangsgrösse ist und wie ein Schnitt an die eigene Figur angepasst werden kann. Dazu haben wir heute eine hilfreiche Anleitung für Euch. Aus dem Buch “Keine Angst vor Klamotte! – Perfekt sitzende Kleidung einfach selber nähen” dürfen wir Euch in Kooperation mit dem EMF-Verlag eine Gratis-Anleitung zum Thema “Grosse Brust: Full Bust Adjustment”, also kurz zur FBA-Methode zur Verfügung stellen. Wir zeigen Euch Schritt für Schritt, wie man ein Schnittmuster für eine grosse Oberweite anpassen kann.

Keine Angst vor Klamotte – Basic-Outfit nähen

Das Buch “Keine Angst vor Klamotte – Basic-Outfit nähen” hilft dabei, perfekt sitzende Kleidung ohne Kopfzerbrechen zu nähen. Die Anleitungen im Buch drehen sich alle ums Thema Anpassen von Schnittmustern. Verlängern oder kürzen, grössensensibles Arbeiten, Schulternähte verlegen, Ärmel verbreitern/verschmälern, Hosenbeinformen … dies alles und noch vieles mehr wird ausführlich beschrieben. Zusätzlich zu den Schnittanpassungen bietet das Buch wertvolle Grundlagen-Tipps sowie Nähvideos und Designideen. Das Grössen-Spektrum ist weit gefächert, abgedeckt werden die Grössen 34 bis 58. Dank der sehr gut verständlichen Anleitungen ist das Buch selbst für Anfänger geeignet.

Klingt interessant? Ist interessant! Auf der Verlags-Website könnt Ihr das Werk zum Preis von 24,00 € (DE) / 24,70 € (AT) erwerben: www.emf-verlag.de/keine-angst-vor-klamotte

Die Autorin

Autorin des Buches ist Anna Stallmeyer, besser bekannt als Anna von “einfach nähen”.  In unserer Interview-Reihe “Aus dem Nähkästchen geplaudert” durften wir die Berufskreative vor einigen Jahren mit Fragen löchern. Im Text erfahrt Ihr unter anderem, wie Anna zum Nähen gekommen ist und wie sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hat. Hier könnt Ihr das Interview nachlesen: Interview mit Anna von einfach nähen.

Seither sind viele Jahre vergangen und Anna hat sich weiterentwickelt. Seit 2020 gibt sie auch Online-Kurse, in denen sie ihr Wissen mit der Community teilt. Frauen, die frisch ins Nähhobby gestartet sind, haben viele Fragen und fühlen sich oft unsicher. Auf www.einfach-naehen.de, der Plattform von Anna, erhalten sie Unterstützung bei allen nähtechnischen Zweifelsfällen. Immer mit dabei ist bei Anna eine grosse Portion Leidenschaft und Näh-Motivation. Schaut doch mal rein!

Im März erscheint übrigens bereits das nächste Buch von Anna. Darin zeigt sie, wie man eein casual Business-Outfit selber näht. Auf der Verlags-Website könnt Ihr einen Blick ins Buch werfen und dieses auch vorbestellen: https://www.emf-verlag.de/casual-business-outfit-naehen

Nun aber zur Anleitung für die FBA-Methode, damit in Zukunft jeder Schnitt perfekt zu Eurem Körper passt! Wir erklären Euch, wie man ein Schnittmuster so anpassen kann, dass es für eine grosse Oberweite passt.

Grosse Brust: Full Bust Adjustment – so geht’s!

Wenn Eure Brust deutlich grösser als ein B-Körbchen ist, braucht sie in der Regel mehr Platz, als ein normaler Mehrgrössenschnitt bietet. Mit der Full-Bust-Adjustment-Methode (FBA), könnt Ihr dieses Problem lösen.

Typische Fehler bei der Grössenwahl mit grosser Oberweite

Die meisten Schnittmuster sind für ein jugendliches B-Körbchen ausgelegt. Das bedeutet, dass alle Frauen, die eine grössere Brust haben, dies bei der Grössenwahl berücksichtigen müssen, damit
das Oberteil später auch gut sitzt. Da in den meisten Masstabellen nur das Mass für Brust, Taille und Hüfte angegeben ist, führt das bei Frauen mit einer grösseren Oberweite dazu, dass die Ausgangsgrösse anhand des Brustumfangs stets falsch gewählt wird.

Oberteil zu gross und sackig

Wird die Grösse nach dem Brustumfang gewählt, passt das Oberteil vermutlich nur an der Brust, der Rest ist viel zu gross und sackig. Dann beginnt man, die Schultern einzurücken, das Armloch zu verkleinern und den Rücken zu verschmälern.

Dabei muss es genau anders herum sein: Ein Schnittmuster sollte so gewählt werden, dass alles passt und nur an der Brust zu wenig Stoff ist. Mit der FBA-Methode schafft man dann im Vorderteil für die Brust mehr Platz, der Rest bleibt unverändert.

Oberteil spannt an der Brust und ist vorne zu kurz

Passt das Oberteil an den Schultern, den Armen und im Rücken gut, spannt aber vorne an den Brüsten, kneift unter der Achsel, und der Saum ist zu kurz, habt Ihr zwar grundsätzlich die richtige Konfektionsgrösse im Schnitt gewählt, aber die grössere Oberweite nicht berücksichtigt. Auch dann könnt Ihr mit der FBA nur am Vorderteil mehr Platz schaffen, ohne den Schnitt insgesamt anpassen zu müssen.

Hinweis: Bei den Schnittmustern von “einfach nähen” wird bereits bei der Konstruktion auf 3 Cup-Grössen gradiert. Hier braucht Ihr keine extra Mehrweite für die Brust hinzufügen, sondern wählt die Konfektionsgrösse nach Eurem Oberbrustumfang aus und bestimmt danach mit Eurem Brustumfang den entsprechenden Schnittbogen.

Richtige Grösse mit Oberbrustumfang wählen

Um in einem Schnittmuster trotz grosser Oberweite die richtige Ausgangsgrösse zu finden, wählt Ihr die Grösse nicht nach Eurem Brust-, sondern nach Eurem Oberbrustumfang aus und fügt diesem Wert dann pauschal 5 cm dazu. Das entspricht ungefähr dem Wert, der für ein B-Körbchen für die Brust in der Konstruktion berücksichtigt wurde.

Oberbrust- und Brustumfang für FBA ausmessen

Für die FBA müsst Ihr wissen, um wie viel Zentimeter Ihr im Vorderteil mehr Platz braucht. Der Wert ergibt sich aus der Differenz zwischen Brust und Oberbrustumfang. Wenn Ihr immer einen
BH tragt, solltet Ihr diesen auch beim Ausmessen tragen.

Brustumfang messen

Für den Brustumfang wird das Massband in Höhe der breitesten Stelle der Brust einmal waagerecht um den Körper geführt. Steht dabei locker, so wie Ihr z.B. steht, wenn Ihr auf jemanden wartet.

Oberbrustumfang messen

Führt danach das Massband oberhalb der Brust in Höhe des Brustansatzes um den Körper. Das Massband bleibt im Rücken auf gleicher Höhe wie beim Brustumfang und wird von dort schräg nach vorne geführt.

Differenz zwischen Oberbrust und Brustumfang

Für die FBA braucht Ihr  die Hälfte der Differenz zwischen Brustumfang (BU) und Oberbrustumfang (OBU).

Beispiel: BU 115 cm – OBU 109 cm = 6 cm
Differenz 6 cm : 2 = 3 cm

Euer Schnittmuster sollte also um 3 cm für die Brust weiter gemacht werden.

Brustpunkt einzeichnen

Für die FBA braucht Ihr noch Euren Brustpunkt. Das ist der Punkt, an dem die grösste Wölbung Eurer Brust ist. Wiederum gilt: Bei Mehrgrössenschnitten ist der Brustpunkt immer für ein jugendliches B-Körbchen ausgelegt. Der Brustpunkt kann aber je nach Brustform und Alter tiefer und/oder weiter seitlich liegen und sollte daher gleich mit angepasst werden. Das geht so:

Messt von Eurer Schulter gerade zum breitesten Punkt Eurer Brust und dann noch einmal von diesem Punkt bis zur Seite und zeichnet Euch die Position im Vorderteil ein.

Ihr könnt ihn auch ganz einfach direkt einzeichnen, ohne zu messen. Legt dafür das Schnittmuster oben an Eurer Schulter an Euren Oberkörper auf, sodass die Bruchkante senkrecht zwischen Euren Brüsten entlangläuft. Markiert Euch den stärksten Punkt Eurer Brust direkt auf dem Schnitt.

Linien einzeichnen und Vorderteil aufschneiden

Als Erstes zeichnet Ihr parallel zur vorderen Mitte eine senkrechte Linie vom Saum bis zum Brustpunkt. Als Nächstes verbindet Ihr das untere Drittel des Armlochs mit dem Brustpunkt und zeichnet zusätzlich vom Brustpunkt im rechten Winkel eine waagerechte Linie zur Seitennaht ein. Wenn bereits ein Abnäher im Schnitt eingezeichnet ist, sollte die waagerechte Linie mittig durch den Abnäher verlaufen. Die senkrechte Linie schneidet Ihr von unten über den Brustpunkt bis ins Armloch ein. Hier das Armloch nicht durchschneiden, sondern ein paar Millimeter davor enden. Die waagerechte Linie schneidet Ihr von aussen nach innen auf und endet kurz vor dem Brustpunkt.

Vorderteil auseinanderziehen

Jetzt zieht Ihr das untere äussere Teil parallel zum Saum nach unten, sodass sich ein senkrechter Spalt bildet. Zieht den Schnitt so lange auseinander, bis der Spalt den von Euch errechneten Differenzwert ergibt; im Beispiel waren es 3 cm.

Dabei geht die waagerechte Linie ebenfalls auf und ein Abnäher entsteht oder der bestehende Abnäher wird grösser.

Gleichzeitig „verformt“ sich auch das Armloch etwas. Das zieht sich aber wieder gerade, sobald später der Abnäher geschlossen ist.

Saumlänge anpassen

Durch das Aufziehen ist der äussere Teil unten etwas länger geworden. Das ist auch richtig so, denn durch die grössere Brust muss das Vorderteil vorne länger sein. Damit der Saum wieder gleich lang ist, wird das Schnittmuster oberhalb des kürzeren Saumes waagerecht durchtrennt und nach unten geschoben, bis der Saum wieder auf einer einheitlichen Länge ist.

Abnäherspitze zum Brustpunkt verlegen

Durch das Auseinanderziehen ist ein Abnäher entstanden, dessen Spitze jetzt aber nicht mehr zum Brustpunkt zeigt, sondern tiefer liegt. Deswegen muss die Position des Abnähers jetzt verschoben werden. Die Spitze des Abnähers soll in Höhe des Brustpunktes liegen und – je nach Grösse – zwischen 2 und 5 cm vor dem Brustpunkt enden.

Bei körpernahen Schnitten Weite am Bauch mit Abnäher wieder wegnehmen

Das Oberteil hat durch die FBA vorne mehr Weite bekommen. Wenn Ihr einen körpernahen Schnitt habt und möchtet, dass das Oberteil unter der Brust wieder körpernah wird, dann könnt Ihr die Mehrweite mithilfe eines weiteren Abnähers wegnehmen. Dafür zeichnet Ihr vom Saum aus bis einige Zentimeter unterhalb der Brust einen Abnäher ein. Der durch die FBA entstandene Spalt wird durch den Abnäher wieder geschlossen und so am Bauch die Weite wieder weggenommen.

Abnäherdach zeichnen

Damit später die Stoffkanten am seitlichen Abnäher bündig aufeinanderpassen, muss ein sogenanntes „Abnäherdach“ eingezeichnet werden.

1. Papier unter den Abnäher legen: Legt hierfür unter den Abnäher ein Stück Papier, das ein paar Zentimeter über die Kante hinaussteht.

2. Abnäher falten: Faltet das Schnittmuster so zusammen, dass die Schenkel des Abnähers aufeinandertreffen und so liegen, wie sie später im zusammengenähten Zustand aussehen. Das dahinter geklebte Papier wird mitgefaltet.

3. Überstehendes Papier abschneiden: Schneidet das überstehende Papier, das hinter den Abnäher geklebt wurde, der Kante des Schnittmusters entlang weg.

4. Schnittteil mit fertigem Abnäherdach ausschneiden: Wenn Ihr das Schnittmuster wieder auseinanderklappt, ist an der Kante das Abnäherdach entstanden. Das Schnittmuster wird nun einschliesslich des Abnäherdaches ausgeschnitten.

Schlecht sitzende Oberteile gehören mit der FBA-Methode der Vergangenheit an. Mit ein bisschen Übung wird sie zum Kinderspiel und gut sitzende Oberbekleidung für Euch zum Normalfall.  

Habt Ihr es ausprobiert und konntet Ihr ein Standard-Schnittmuster so anpassen, dass es trotz grosser Oberweite perfekt passt? Vielleicht zeigt Ihr uns Euer Werk im Community-Bereich des Blogs? Wir sind gespannt auf Eure Werke und Berichte!

Copyright Fotos und Illustrationen:
© EMF VERLAG/ einfach nähen, Anna Stallmeyer, Münster

Informationen zum Buch

Keine Angst vor Klamotte – Basic-Outfit nähen
Von Anna Stallmeyer (Anna Einfach nähen)
ISBN: 978-3-7459-1885-4
24,00 € (DE) / 24,70 € (AT)
160 Seiten, Hardcover

Buch auf der Website vom EMF-Verlag ansehen: www.emf-verlag.de/keine-angst-vor-klamotte