Indigogefärbte Stoffe im Zusammenspiel mit traditionellen japanischen Motiven sind das Markenzeichen der international bekannten Quiltkünstlerin Shizuko Kuroha, die 2008 ihr erstes, sehr lesenswertes Buch ‘Japanisch Quilten’ auf Deutsch herausgebracht hat (hier geht’s zu meiner Rezension). Sie präsentierte die umwerfende Ausstellung ‘Die Welt von Indigo und Sarasa’ – sehr sehenswert!
1975 hat Shizuko Kuroha im Alter von 38 Jahren in den USA ihre erste Begegnung mit dem Quilten – ein 150 Jahre alter Quilt berührt sie derart, dass daraus nicht nur eine wahre Philosophie, sondern auch der Beginn ihrer eigenen Quiltleidenschaft entstehen.
Sofort nach ihrer Rückkehr nach Japan gründet sie den ‘Kuroha Quiltzirkel’ und setzt sich engagiert für die Verbreitung des Quiltens ein.
Ihr ganzes Leben, in dem sie bis dato nichts mit Stoffen, Nadel und Faden zu tun hatte, dreht sich nur noch um das Quilten. Praktisch alles, was sie sieht, hört oder fühlt, wird von ihr in Quilts umgesetzt.
Innerhalb kürzester Zeit gelingt es ihr, ein hohes Ansehen weltweit zu erwerben.
1997 eröffnet sie ihr Geschäft für alte Stoffe und Handarbeiten in Tokio.
In ihren Kursen gibt sie sämtliches Wissen, eigene Ideen und Techniken weiter und ausserdem schreibt sie zahlreiche erfolgreiche Quiltbücher.
Am allerliebsten verwendet sie in ihren Arbeiten bereits getragene Stoffe, die mit natürlichem Indigo gefärbt wurden. Je öfter diese alten Stoffe gewaschen wurden, desto mehr färbt ihr schönes Blau aus und es ergeben sich so feinste Farbnuancen.
Durch die Kombination der Schlichtheit und Schönheit traditioneller japanischer Indigo- und Sarasastoffe mit Stoffen aus dem einfachen Volk überall auf der Erde erzielt sie spektakuläre und feinste Farbspiele in ihren Werken, die daher auf komplizierte Patchworkmuster nicht angewiesen sind. Kleinste Streifen und Flecken werden wiederverwandt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: eine richtig brillante Ausstellung!
Auf dem Rundgang teffe ich eine Reihe von bekannten, aber auch unbekannten Gesichtern. Wie zum Beispiel …
… die Marionettenspielerin Ute Biegel mit Bär ‘Rosalia’ vom Marionettentheater Pendel – handgefertigt und einzigartig! Goldig, oder?
Unter dem Ausstellungstitel ‘freistil’ zeigte die Patchworkgruppe Karlsruhe freie Arbeiten ihrer Mitglieder …
… und eine Weiterentwicklung der letztjährigen Kuben.
Thema, Design, Technik, Materialien, Farbgestaltung und Umsetzung sind nach persönlichen Vorlieben und Auffassungen frei gewählt.
Die Kreativität wird nur durch ein vorgegebenes Mass beschränkt.
Gekonnt ist auch die Hängung …
… was so ein paar Zentimeter Abstand doch ausmachen und …
… die jeweilige Werkgruppe auf den vorgegebenen, je einen Meter breiten Stellwänden schön zur Geltung bringt.
Realisiert wurden überwiegend originelle Ideen …
… die mal mit den Effekten, die die Dreidimensionalität bietet, spielen …
… oder sich auch ‘nur’ auf die ‘Schauseite’ konzentrieren.
Reizvoll ist das eine wie das andere …
… besonders gut gefielen mir die als Serie aufgefassten Arbeiten, wo sich der Bildgegenstand weiterentwickelt …
… wenn das Ganze auch seine Tücken beim Fotografieren hat.
Andrea Stracke beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Geschichte und der Herstellung von Wholeclothquilts. ‘Wholeclothquilts vereinen die Dinge in sich, die meine Seele zum Klingen bringen: Farben, Vielfalt, filigrane Details und unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten’, schreibt sie auf ihrer Website – sie ist einfach davon fasziniert. Bei der NADELWELT zeigte sie erstmals eine Retrospektive ihrer Arbeiten.
Die Quilttops leben durch die Vielfalt und Üppigkeit der Quiltornamente. Das Spiel von Licht und Schatten bringt die Strukturen zur Wirkung, denn die Quiltstiche erzeugen auch Tiefe.
Andrea Stracke entwirft ihre Muster selbst und orientiert sich dabei hauptsächlich an den traditionellen Quiltmustern wie ‘Feathers’ oder ‘Roses’ der nordenglischen oder walisischen Wholeclothquilts, legt aber auch Designs von zum Beispiel der Lotus Flower Tiara (im Besitz der Britschen Krone, beim Quilt ‘Legrandit’) oder der Vasa Tiara (im Besitz der norwegischen Königsfamilie, beim Quilt ‘Arisit’) zugrunde.
Sie zeichnet bzw. quiltet aus freier Hand, d.h. ohne konkrete Entwurfszeichnung.
‘Die Quilts wachsen und entstehen, während ich an ihnen arbeite’, sagt Andrea Stracke und …
… erklärt weiter: ‘So manche ursprüngliche Idee wird während dieses Prozesses verworfen und neue werden entwickelt. Somit bleibt die Arbeit an einem Quilt immer spannend und wird nie langweilig.’
Sie verwendet Baumwollstoffe oder Mischgewebe, immer feingewebte Qualitäten, und seit Neuestem dünne Einlagevliese aus Wolle.
‘So werden Liegefalten, die z.B. beim Versand entstehen, zwar nicht ganz vermieden, aber leichter wieder mit Hilfe von Dampf geglättet’, erklärt sie mir. Ein Aspekt, der unbedingt zu berücksichtigen ist, wenn man wie Andrea Stracke an vielen internationalen Wettbewerben teilnimmt – und Preise gewinnt.
Ihre aussergewöhnlichen Quilts benennt sie nach Edelsteinen. Auf meine Frage, ob es noch genügend gebe, muss Andrea lachen: ‘Aber ja! Mehr als genug.’
Und warum gerade nach Edelsteinen? Dafür sprechen die Gemeinsamkeiten: ‘Die Farbenvielfalt, ihre Einzigartigkeit und die Tatsache …
… dass sie sehr wertvoll sind. Und wenn ich für jeden Edelstein, den es auf der Welt gibt, einen Quilt machen will – dann habe ich noch sehr lange und sehr viel zu tun.’
Bei Brigitte Morgenroths Ausstellung sagt es schon der Titel ‘Log Cabin – heute’. Auch sie ist der Tradition verbunden und gestaltet, da sie strenge geometrische Muster bevorzugt, am liebsten Log-Cabin-Quilts. Dieses alte, aber an Variationen reiche Patchworkmuster, von ihr in der Foundation-Methode gearbeitet, kommt mit den bisher verwendeten Stoffen, meist Dupionseide oder Polyester-Satin, wunderbar zur Geltung.
Ihre überwiegend grossformatigen Quilts sind – wie bei Andrea Stracke – ausschliesslich handgequiltet und zwar ‘teilweise in der Strenge des Musters, um dieses zu unterstreichen, ein anderes Mal, um dieses aufzulockern’, wie sie auf ihrer Website bemerkt.
Sie präsentierte nun ihre neuesten und bisher nicht gezeigte Quilts. Im Unterschied zu ihrer Ausstellung bei der NADELWELT 2013 verwendet sie neuerdings die handgefärbten Baumwollsatins von Heide Stoll-Weber …
… die durch die typischen, sanften, ineinander übergehenden Farbabstufungen oder durch milde Kontraste im Zusammenwirken mit der Log-Cabin-Technik erstaunliche Effekte hervorbringen.
Brigitte Morgenroth, 1933 geboren, wird es eben nicht müde …
… immer eine Kleinigkeit zu ändern, quasi neu zu erfinden, um attraktive Wirkungen zu erzielen.
Der Einsatz teils diffizil zu nähender Log-Cabin-Variationen trägt ausserdem zu einem reizvollen heutigen Look bei.
Zum Abschluss meines zweiten Besuchstages bei der NADELWELT nahm ich die Einladung von Britta Ankenbauer an, doch mal bei ihrem Kurs ‘Papier und Textil: Eine wunderbare Kombination’ vorbeizuschauen.
Was Britta mir schon vorher erzählte, klang verlockend: Im ersten Teil ging es um die Materialien: Wie bringe ich Papier auf Stoff? Welche grafische Möglichkeiten ergeben sich daraus? Wie verhalten sich die unterschiedlichen Papiere, wie z.B. handgeschöpftes oder faseriges Papier?
Der zweite Teil widmete sich der spannenden Frage, wie man das Ganze dann auf oder mit Stoffen verwendet. Welche Techniken empfehlen sich? Wo sind die Grenzen? Und mitten in dieser Experimentierphase entstanden meine Fotos, also noch nicht von Endergebnissen, obwohl es doch schon ganz vielversprechend ausschaut.
Vielen Dank, dass ich allen kurz über die Schulter gucken durfte!
Fortsetzung folgt!
***
Fotos: © 2015 Dr. Wolfgang und Gudrun Heinz mit freundlicher Erlaubnis des Veranstalters und der Künstler
Zum ersten Teil des Berichts geht es hier: https://blog.bernina.com/de/2015/06/nadelwelt-2015-1/
Zum dritten Teil des Berichts geht es hier: https://blog.bernina.com/de/2015/06/nadelwelt-2015-3/
Liebe Gudrun,
vielen Dank für den ausführlichen Bericht und die schönen Fotos. Besonders die japanischen Quilts gefallen mir gut und blau ist sowieso meine Lieblingsfarbe. Wenn Karlsruhe bloß nicht so weit weg von Stralsund wäre…
Bin übrigens wieder fit und darüber sehr froh.
Liebe Grüße von der Ostsee
Birgit
halli hallo liebe birgit,
freut mich, vielen dank!
habe mal gegoogelt, ca. 900 km zwischen stralsund und karlsruhe – das ist ein wort. aber bestimmt gibt es auch veranstaltungen, die für dich erreichbarer sind.
da du jetzt wieder fit bist: frohes schaffen!
beste grüsse
gudrun
Liebe Gudrun,
besten Dank für diesen wunderbaren zweiten Bericht zur Nadelwelt Karlsruhe 2015.
Ich erinnere mich noch zu gut an den ersten Moment mit den Indigos von Shizuko Kuroha. Dazu muss ich gestehen, dass ich wegen der vielen Arbeit im Vorfeld zur Nadelwelt mich nicht zu sehr mit den anderen Ausstellern vertraut gemacht hatte. Was alles gezeigt würde, war mir also nicht gänzlich bekannt. Während des Aufbaus am Donnerstag vor Beginn, lief ich einmal vor zum Bistro um für meine Tochter und mich Kaffee zu besorgen und auf diesem Weg lag nun einmal die Ausstellung von Frau Kuroha. Ihr Buch besitze ich seit vielen Jahren und es gehört zu meinen absoluten Lieblingen. Und dann diese Quilts zu sehen – im Original!! das war ein Erlebnis! Zuerst brauchte ich ein paar Sekunden um sie einzuordnen und dann war die Freude umso grösser. Ein verrückt schöner Moment und so brauchte das Kaffee holen gleich ein wenig länger, um dann Felicitas auch direkt zu erzählen “dass da vorne DIE Quilts von DER japanischen Quilterin hängen”.
Sonntags morgens waren wir dann extra etwas zeitiger in der Ausstellung, so dass ich mich eine gute halbe Stunde in aller Ruhe inmitten diese Quilts setzen und schauen und geniessen konnte.
Ich habe die allergrösste Hochachtung vor diesen Arbeiten.
Und als beim Abbau dann auch noch ein nettes Gespräch zwischen Shizuko Kuroha, ihrer Übersetzerin und mir zustande kam, war meine Freude noch grösser. Sie ist eine faszinierende Persönlichkeit und ein ganz grosses Geschenk für unsere textile Welt.
Brigitte Morgenroth und ihren Mann trafen wir auch gleich beim Aufbau und begegneten uns als Ausstellungsnachbarn täglich. Ihre Logcabins sind traumhaft schön und ich bewunderte ihre Ausdauer, diese grossformatigen Quilts zu erarbeiten. Dass manche mehrere Monate Zeit brauchten, wunderte mich überhaupt nicht.
Zu Andrea Stracke kann ich nur meine Tochter wiederholen: “Hast du diese genialen unifarbigen Quilts am Eingang der Ausstellung gesehen? Die sind ja irre schön gemacht”. Das sagt doch einfach alles :-).
Der Teddy ist einfach nur schnuffelig und die Arbeiten der Karlsruher Gruppe gefallen mir ebenfalls gut, sehr einfallsreich! Danke für die vielen Bilder, Gudrun.
Herzliche Grüße,
Jutta
liebe jutta,
vielen dank! wie schön, dass du die ausstellungen aus deiner sicht auch noch mal revue passieren lässt.
nun habe ich noch den dritten teil vor mir und darin sind auch wieder einige ‘highlights’ enthalten. alles in allem ist die NADELWELT doch eine tolle veranstaltung.
weiter ein schönes wochenende und
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
wieder ganz herzlichen Dank für Deinen Bericht!
Und wieder faszinieren mich die log-cabins besonders. Wenn ich doch nur mehr Sitzfleisch und planerische Audauer hätte, um mich an eine solche Präzisionsarbeit heranzuwagen…
Liebe Grüße Annette.
hallo annette,
bitte sehr, gern geschehen. log cabins sind immer wieder reizvoll, finde ich, wie man ja auch immer wieder an wiebkes projekten sieht. brigitte morgenroth, die ja nun schon seit jahrzehnten im log-cabin-nähen geübt ist, erzählte mir, dass der schwarz-weisse quilt mit den leider fast nicht zu erkennenden roten akzenten, neben dem sie auf dem foto steht, sie beim nähen fast zur verzweiflung getrieben habe. deswegen auch der titel für das schöne stück 🙂 aber man kann auch einfachere varianten nähen, die trotzdem sehr viel hermachen, siehe z.b. wiebkes häuser. das ist keine solche herausforderung an geduld, ausdauer und präzisison und zu schaffen – muss ja nicht in bettdeckengrösse sein 🙂
beste grüsse
gudrun
Hallo Gudrun,
in der “einfachen” Variante, crazy oder traditionell, habe ich das Muster schon genäht. Wirklich faszinierend finde ich die Quilts, bei denen ich erst beim nahen Betrachten mit Lesebrille erkennen kann, dass das Muster ein log-cabin ist. Und das geht, glaub ich, weder crazy noch husch-husch… “nie wieder – oder doch?” ist das perfekte Beispiel dafür. Hab ihn auf der homepage von Brigitte Morgenroth gefunden: http://www.morgenroth-quilts.de/morgenroth-quilts.de/Galerie_files/Media/103%20Niewieder%20DSC_5922/103%20Niewieder%20DSC_5922.jpg?disposition=download . Der Wahnsinn!
Liebe Grüße Annette.
vielen dank für die deutliche ergänzung! dachte eigentlich, ich hätte das auch fotografiert, aber denkste. muss im gespräch mit brigitte untergegangen sein …