Während meiner Maßschneiderinnen-Ausbildung hatte ich hauptsächlich mit Brautmode zu tun. Wie ihr euch vorstellen könnt, waren darunter auch die feinsten Stoffe – da muss man mit der Verarbeitung natürlich super vorsichtig sein.
Das Kürzen von Säumen gehörte zum Tagesgeschäft. Bei den feinen Chiffon-Kleidern haben wir einen Rollsaum verwendet. Andere Einsatzmöglichkeiten sind z.B. das Einfassen von feinen Tüchern und Stolen. Der Rollsaum ist ein schmaler Saum, bei dem die Kante von der Overlock-Maschine mit drei Fäden umschlossen wird. Wichtig ist, dass die Fäden nicht zu stramm sitzen, da die Spannung sonst den Saum verzieht.
Ein bisschen Ausprobieren und Verständnis für die Overlock-Maschine gehören dazu, um die richtige Einstellung zu finden.
Da dies bei feinen Stoffen wie Gaze, Chiffon und Viskose besonders wichtig ist, habe ich ein paar Tipps für euch, mit denen der Rollsaum bei solchen leichten Stoffen gelingt.
Rollsaum bei Chiffon, Viskose und Co.: so gelingt der Rollsaum bei feinen Stoffen
Der erste Tipp ist speziell für Stoffe, die aus Polyester sind. Wer schon mal einen Rollsaum bei feinen Stoffen versucht hat, hat vielleicht bemerkt, dass der Stoff beim Rollsaum nähen ausfransen kann. Zwischen den Saumstichen stehen Fäden ab – was genau der Look ist, den wir nicht wollten.
Für die extrem langen Säume der Hochzeitskleider haben wir irgendwann diese Methode entwickelt: Wir haben den Saum rundum zuerst mit einem Feuerzeug “abgeflammt”, wie wir es genannt haben.
Wie ihr euch sicher denken könnt, muss man dabei eine ruhige Hand haben und vorsichtig sein. Die Methode funktioniert auch nur bei Polyester- und anderen ähnlichen Kunstfaserstoffen. Probiert sie unbedingt an einem Reststück aus.
Fahrt mit der Flamme des Feuerzeugs an der Stoffkante entlang. Ihr müsst dabei den Stoff nicht mit der Flamme in Berührung bringen. Meist reicht schon die Nähe zur Flamme aus, um die Stoffkante durch die Hitze ein bisschen anzuschmelzen. Die Stoffkante wird dadurch im wahrsten Sinne des Wortes verschmolzen und kann nicht mehr ausfransen.
Wenn ihr mit dem Probestück herum probiert, werdet ihr schnell merken, wie nah ihr mit dem Feuerzeug an den Stoff gehen könnt. Zu viel Hitze bringt den Stoff zum Schmelzen, er verzieht sich und ihr werdet eventuell dunkle Rußspuren am Stoff haben.
Der Abstand, den ich auf dem Foto zeige, hat bei meinem Stoff schon ausgereicht, um die Stoffkante zu verschließen.
Mit dieser Vorbereitung wird der Rollsaum noch besser aussehen – los geht’s mit der Overlock. Um die richtigen Einstellungen zu finden, nehmt euer Probestück zur Hand, bevor es an den richtigen Saum geht.
Fädelt eure Overlock für den Rollsaum ein. Das bedeutet drei Fäden und eine Nadel. Die Details, inklusive empfohlenem Standard-Fadenspannung für den Rollsaum, findet ihr in der Betriebsanleitung eurer Overlock.
Da wir die Stoffkante mit dem Feuerzeug versiegelt haben, solltet ihr das Messer wegklappen – sonst würdet ihr die schöne Kante wieder wegschneiden.
Wenn ihr an einer Ecke anfangen möchtet, nehmt eine lange Stecknadel zur Hand und steckt sie in den Stoff, so dass ihr diesen ganz leicht unter dem Fuß hindurch schieben könnt. Achtet aber darauf, die Nadel nur so weit in den Stoff zu stecken, dass ihr mit der Overlocknadel nicht darauf stoßt.
Beim Nähen halte ich den Stoff glatt, so dass er sich nicht zusammen zieht. Mit der anderen Hand ziehe ich den Stoff hinter dem Nähfuß nur ganz leicht, um beim Transportieren zu helfen. Achtet darauf, euren Stoff nicht zu sehr zu ziehen, falls er dehnbar oder elastisch ist. Sonst wird euer Saum kringelig und zieht sich nicht mehr richtig zusammen.
Die Stoffkante lasse ich an der Metallkante der Stichplatte entlang laufen.
Schaut euch euren Saum an. Ist die Kante schön eingeschlossen? Passt eventuell eure Einstellungen an, bis der Stich gut aussieht.
Meine Einstellungen waren: (kein Faden) / 4 / 4,5 /6,5.
Die Stichlänge habe ich auf 1,5 gestellt. Die Stiche sollten noch einen kleinen Abstand zueinander haben und nicht ganz dicht an dicht sitzen. Dadurch würdet ihr eine dickere, festere Kante erhalten.
Der zweite Stoff, den ich mit einem Rollsaum versehen habe, ist ein Viskosestoff. Da dieser teilweise aus Naturfasern besteht, kann er nicht mit einem Feuerzeug bearbeitet werden. Hier arbeite ich mit dem Messer der Overlock, damit die Stoffkante wirklich frisch geschnitten ist und keine Chance hat, auszufransen.
Mein Werkstück für diese Anleitung war ein Tuch, das ich mit Rollsaum einfassen wollte. Ich empfehle euch, nicht an einer Ecke anzufangen, sondern in der Mitte einer der Seiten.
Da ihr den Rollsaum nicht versäubern könnt, näht ihr am Ende, wenn ihr an eurem Startpunkt angekommen seid, ein Stück über den Beginn des Rollsaums und dann ein Stück über den Stoff hinaus. So ist der Anfang gesichert, das abstehende Schwänzchen könnt ihr einfach abschneiden:
Wenn ihr an eine der Ecken kommt, näht langsam bis zum Ende eurer Strecke. Ihr könnt für die letzten Stiche auch das Handrad benutzen, wenn euch die Overlock zu schnell näht.
Seid ihr bei eurem letzten Stich an der Ecke angekommen, hebt den Nähfuß und die Nadel. Zieht den Stoff leicht nach hinten – eventuell müsst ihr hier wieder ein bisschen am Handrad drehen, damit die Fäden nachgeben.
Die Greiferfäden sollten von den Fingern der Stichplatte rutschen.
Dreht den Stoff, senkt den Nähfuß und näht die nächste Strecke. Hier empfehle ich euch wieder den oben beschriebenen Trick mit der Nadel, die euch beim Transportieren des Stoffs am Anfang hilft.
Schließt den Rollsaum wie oben beschrieben ab, indem ihr über den Anfang des Saums näht und noch eine Kette über den Stoff hinaus bildet, die ihr dann abschneidet.
Hallo Jenny.
Super Anleitung. Habe nur eine Frage. Was für Garn und was für eine nadelstärke nimmt man am besten für den rollsaum. Ich habe meine overlock noch nicht so lange. Ich habe nur das normale Garn 120 für overlock . Kann man das nehmen oder lieber ein anderes.
LG Susanne
Hallo Jenny,
Deine Rollsaum-Anleitung ist ja super verständlich! Ich habe Rollsäume bisher gemieden, werde aber bei nächster Gelegenheit nach Deiner Anleitung vorgehen. Danke für Deine Mühe!
Liebe Grüße
Ingrid
Hallo Ingrid,
super, das freut mich! Immer einfach an einem Reststück ausprobieren! 🙂
Hallo Jenny,
Vielen Dank für diese SUPER Anleitung!
Hilfreiche Tipps für knifflige Arbeiten kann man immer brauchen. Bleibt mir ein Problem: der Anfang eines Rollsaumes an einer Seite gestaltet sich schwierig, da ich den Stoff ja nicht unter die Nadel schieben kann bleibt mir da immer eine “Beule”. Gibts da auch einen Trick ?
Ich freue mich auf weitere Tipps und Tricks 😉 . LG monika
Füßchen anheben, Nadeln in höchster Position, Nadel- und Greiferfäden etwas lockern (nicht die jeweilige Spannung, nur die Fäden), das gibt genügend Spielraum, um die Stoffkante an die passende Position zu schieben. Füßchen senken, Nadel einstechen, die Fadenkette festhalten und ganz langsam die ersten Schlingen nähen, notfalls per Handrad.
2. Möglichkeit: die seitliche Naht 1-2cm auftrennen, gerade genug, um die Saumkante ordentlich nähen zu können. Nach Fertigstellung des Rollsaums die Seitennaht wieder schließen. Je nach verwendetem Stoff ist die eine oder die andere Variante die bessere.
Noch ein Tipp nebenbei: bei feineren Geweben sieht der Rollsaum deutlich schöner aus, wenn Maschinenstickgarn in beiden Greifern verwendet wird. 40er passt fast immer, bei etwas festeren Geweben durchaus auch 30er. 50er ist meist zu fein. Unbedingt an passendem Teststück ausprobieren und Greiferspannung anpassen.
Gruß
Kerstin
Liebe Kerstin, ich komme erst heute zum Lesen, sorry.
TAUSEND DANK an Dich für diese Supertipps. Ich werde gleich alles ausprobieren und üben!
LG monika
gern geschehen
Hallo Jenny,
noch nie habe ich so eine gute Erklärung zu einem Rollsaum gelesen. Vielen Dank. Mit dem Versiegeln der Naht, super Idee! Genau das Problem habe ich auch immer und hat mich bald zur Verzweiflung getrieben. Es sind manchmal so kleine Tricks, die einem wirklich helfen können.
Super!
Liebe Grüße
Gabi
Hallo Gabi,
vielen Dank für deine netten Worte. Freut mich sehr, dass ich dir helfen konnte!
Das Versiegeln haben wir irgendwann entwickelt, weil wir viele Brautkleider mit Chiffon hatten. Der hat stark gefranst. Mit dem Abflammen klappt’s aber super!
Liebe Grüße
Jenny