Ich verrate Euch etwas: Wenn Ihr nur deutschsprachige Schnitte auf dem Radar habt, dann verpasst Ihr viel. Ehrlich! Hinter den Sprachgrenzen wartet eine Vielzahl schöner, ungewöhnlicher und innovativer Schnitte von unabhängigen Designern auf Euch. Vor allem der englischsprachige Raum ist eine gigantische Fundgrube für Handarbeiterinnen. Alles, was Ihr braucht, ist ein Internetzugang, eine Kreditkarte – und etwas Mut.
Die, die jetzt glauben, nicht weiterlesen zu müssen, da die eigenen Fremdsprachenkenntnisse eher bescheiden sind, die mögen dennoch dranbleiben. It’s easier than you think! Es ist einfacher, als Ihr denkt! Ich habe im Folgenden die wichtigsten Informationen zusammengetragen, damit auch Ihr es einmal versuchen könnt.
Englischsprachige Schnittmuster – Allgemeine Infos
Der überwiegende Teil der englischsprachigen Muster und Anleitungen kommt aus den USA und Kanada. Natürlich werden auch in Grossbritannien, Australien oder Neuseeland gute Sachen gemacht, aber die wichtigsten Anbieter sitzen eindeutig in Nordamerika. Hinzu kommen die Schnittmusterdesigner aus europäischen Gefilden, die ihre Werke nicht nur in der Originalsprache, sondern auch noch auf Englisch anbieten. Besonders hervorzuheben sind hier mit Sicherheit die belgischen und die dänischen Schnittmuster-Designerinnen.
Mass-Einheiten
Je nachdem, wo eine Vorlage hergestellt wurde, sind die Angaben in Inches (angloamerikanisches Längensystem), oder in Zentimetern (metrisches System). Obwohl es immer mehr Anleitungen mit Doppeltabellen gibt, empfehle ich Euch, ein Massband mit Inch-Skalierung anzuschaffen. Natürlich lassen sich die Werte im Internet konvertieren, aber dieses Hilfsmittel kann man auch während des Nähens gut gebrauchen.
Bevor Ihr loslegen könnt, müsst Ihr das heruntergeladene Schnittmuster ausdrucken. Da es nicht nur DIN A4, sondern auch andere Formate gibt (z. B. US-Brief), ist es wichtig, Euren Drucker auf eine 100-Prozent-Skalierung einzustellen. Dann erlebt Ihr keine bösen Überraschungen. Und natürlich solltet Ihr auch hier immer das Kontrollkästchen (“test square”) nachmessen.
Wahl der Nähgrösse
Anschliessend geht es um die Auswahl der richtigen Nähgrösse.
Unsere Konfektionsgrössen (beispielsweise 128 für Kinder, 40 für Damen oder 48 für Herren) sind im internationalen Raum bedeutungslos. Diesbezüglich kocht jedes Land sein eigenes Süppchen. Im amerikanischen Raum gibt es beispielsweise im Damenbereich Angaben von 0 bis 16 und höher, die Skalierung in XS, S, M, L usw. Wobei eine Grösse 14 in den USA einer 42 entspricht, in Grossbritannien hingegen einer 44. Und in Neuseeland ist wieder alles anders. Im Kindermodenbereich sind auch Angaben à la 1 Jahr (= one year), 2 Jahre (=2 years) und so weiter verbreitet.
Um zum Punkt zu kommen: Ignoriert die Grössen und orientiert Euch ausschliesslich an den Masstabellen (“size charts”) für die Körpermasse (“Body Measurement”). Wenn die Werte für Brust (“bust” bzw. “chest”), Taille (“waist”) und Hüfte (“hip”) übereinstimmen, habt Ihr die passende Grösse. Lasst Euch nicht von Eurem Weg abbringen, wenn die Werte beispielsweise ergeben, dass Ihr für Euer 6-jähriges Kind die Grösse 4 Jahre (“4 years”) nähen sollt! Das hat seine Richtigkeit, da jedes Kind individuell wächst.
Nahtzugabe
Eine weitere Besonderheit betrifft die Nahtzugabe. Anders als in deutschsprachigen Schnittmustern ist sie bei englischen Vorlagen in der Regel bereits enthalten. Das heisst, dass sie nicht beim Stoff Zuschneiden hinzugefügt werden muss. Manchmal wirken die einzelnen Schnittmusterteile auf Papier deswegen leicht verzerrt, aber das täuscht. Nach dem Vernähen geht in der Regel alles auf.
Wie gross die eingerechnete Nahtzugabe jeweils ist, müsst Ihr von Fall zu Fall berücksichtigen. Die Bandbreite variiert von Designerin zu Designerin und wird häufig in Inches angegeben. Geläufig sind 3/8 Inch oder 5/8 Inch. Auf der Stichplatte Eurer Nähmaschine, am Rand der Overlock oder der Coverstitch habt Ihr in der Regel passende Markierungen. Ich klebe die betreffende Linie gerne mit Washi-Tape ab, um während eines Projektes immer genau zu wissen, wie breit die Nahtzugabe ist, siehe hier.
Schwierigkeitsgrade
Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zu den Schwierigkeitsgraden. Es gibt in der Regel vier Abstufungen. Ein Schnittmuster für Anfänger (“beginners”) ist meist wirklich für Anfänger geeignet. Eine Anleitung für fortgeschrittene Anfänger (“advanced beginners”) oder abenteuerlustige Anfänger (“adventurous beginners”) hat es bereits in sich und beinhaltet Hürden wie Reissverschlüsse, Knopfleisten und Abnäher. Dann gibt es noch Schnitte in den Kategorien “intermediate” (mittleres Niveau) und “advanced” (fortgeschrittenes Niveau). Die letztgenannte Variante kommt so gut wie nicht vor, da kaum jemand so eine Vorlage kaufen würde.
Nach meinem Empfinden sind Schnitte für “intermediates” anspruchsvoll und voller Herausforderungen, also machbar, aber mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden. Das Gute an den Schnitten für Näherinnen von mittlerem Leistungsniveau: Man lernt sehr viel. Ich mag das ja.
Wer nun Lust auf internationale Schnittmuster bekommen hat, der findet hier eine (unvollständige) Liste der bekanntesten, etabliertesten und überraschendsten Designerinnen rund um den Globus.
Fachbegriffe in englischsprachigen Schnittmuster – Glossar
Zum Schluss habe ich Euch noch eine Liste der Fachbegriffe zusammengestellt, die immer wieder in englischsprachigen Schnittmustern auftauchen. In Kombination mit den Bildern und Grafiken in den Anleitungen (und einem gewissen Grundverständnis vom Nähen) sollte es kein Problem mehr sein, die Schnitte nachzunähen.
adjust (to): etwas anpassen |
ankle: Knöchel |
arm: Arm |
armholes: Ärmelöffnung |
armscyce: Armausschnitt am Oberteil |
arrow: Pfeil |
back: Rücken, hinten |
backstitch (to): verriegeln |
baste (to): etwas heften |
bias: diagonal zum Fadenlauf |
bias tape: Schrägband |
binding: Bündchen |
blouse: Bluse |
bobbin: Unterfadenspule |
bodice: Oberteil |
body measurement: Körpermasse |
bust: (weibliche) Brust im Kontext des Nähens |
button: Knopf |
buttonhole: Knopfloch |
button placket: Knopfleiste |
cardigan: Weste |
casing: Tunnel, um z. B. Zugband einzunähen |
chest: Brust (Männer, Kinder) im Kontext nähen |
clip (to): etwas zurechtschneiden |
coat: Jacke, Mantel |
collar: Kragen |
contrasting fabric: zweiter Stoff (bei Werken aus unterschiedlichen Stoffen) |
corner: Ecke |
cotton: Baumwolle |
coverstitch machine: Coverstitch |
crotch: Schritt |
cuffs: Manschetten |
curve: Rundung |
cut on fold (to): im Stoffbruch zuschneiden |
cutting line: Linie, an der entlang geschnitten wird |
dart: Abnäher |
dot: Punkt |
drawstring: Bindeband, Bindekordel |
dress: Kleid |
dungarees: Latzhose |
edge: Rand |
elastic: Gummiband |
fabric: Stoff (allgemeiner Begriff) |
fastener: Verschluss (allgemeiner Begriff) |
fly: Hosenlatz |
fold: Falte, die zum Beispiel beim Zuschnitt gelegt wird |
fold (to): etwas falten |
front: Vorderseite |
fit: Passform |
garment: Kleidungsstück |
gather (to): etwas raffen |
grade (to): etwas gradieren |
grain line: Fadenlauf |
half: Hälfte |
hem: Saum |
hem (to): etwas säumen |
hip: Hüfte |
hood: Kapuze |
inch: angloamerikanische Längeneinheit, 1 Inch = 2,54 cm |
inside: innen |
instructions: Anleitung |
interfacing: Vlies und sonstige Einlagen |
invisible zipper: nahtverdeckter Reissverschluss |
jacket: Jacke, auch Sakko |
lace: Spitzenband, auch Spitzenbesatz |
leg: Bein |
length: Länge |
lining: Futter |
long: lang |
knee: Knie |
knit fabric: Maschenware (Jersey, Sweat usw.) |
knot: Knoten |
knot (to): etwas verknoten |
main fabric: Hauptstoff |
mark: Markierung |
metric: metrische Einheit |
muslin: Probestück aus dünnem Gewebe, um die Passform eines Schnittes zu testen |
neaten edges (to): die Ränder versäubern |
neck: Hals |
neckband: Halsbündchen, Ausschnittblende |
neckline: Ausschnitt |
needle: Nadel |
notch: Markierung auf Schnittteilen |
outside: aussen |
pants: Hose |
patch: Flicken |
pattern: Schnittmuster |
pattern piece: Schnittmusterteil |
piping: Paspelband |
placket: verblendete Öffnung, z. B. Knopfleiste |
pleat: eine Falte, die beim Nähen fixiert wird |
pocket: Tasche |
press (to): etwas bügeln |
pre-wash (to): etwas vorwaschen |
pull (to): an etwas ziehen, etwas herausziehen |
raw edges: unversäuberte Stoffränder |
reversible: wendbar |
right sides together (rst): rechts auf rechts |
right sides out (rso): rechte Seiten aussen, entspricht links auf links |
romper: Einteiler |
ruffles: Rüschen |
safety pin: Sicherheitsnadel |
scissors: Schere |
seam: Naht |
seam allowance: Nahtzugabe |
serger: Overlock |
sew (to): nähen |
shape: Form |
shirt: Oberteil, Hemd |
shirr (to): etwas kräuseln, auch unter Verwendung von dünnem Gummiband |
short: kurz |
shorts: Kurze Hose |
shrinkage: Einsprung beim ersten Waschen des Stoffs |
side: Seite |
sideseam: Seitennaht |
sizing chart: Grössentabelle |
skirt: Rock |
sleeve: Ärmel |
sleeveless: ärmellos |
snaps: Druckknöpfe, auch synonym für KamSnaps |
staystitch (to): eine Hilfsnaht (z. B. am Ausschnitt) anlegen, um eine Stoffkante zu stabilisieren |
step-by-step: Schritt für Schritt |
stitch (to): nähen |
stitch length: Stichlänge |
straps: Halter, zum Beispiel an Tops oder BH’s |
stretch: Dehnungsrichtung des Stoffes, verläuft parallel zum Maschenlauf |
strip: Streifen |
supplies: Zubehör, Material |
thigh: Oberschenkel |
thread: Faden |
tie: Band |
tools: Nähwerkzeug |
top: oben |
topstitch (to): etwas knappkantig absteppen |
trace (to): etwas zeichnen, einen Schnitt abpausen |
triangle: Dreieck |
trim (to): etwas zurechtschneiden oder auch etwas mit einem Besatz verschönern (z. B. mit einer Borte) |
tunic: Tunika |
undertstitch (to): etwas von der Innenseite bzw. vom Futter aus absteppen |
upper bust: Oberbrustmass, gemessen am Brustansatz |
view A, B, C: Varianten A, B und C, in denen ein Schnitt genäht werden kann |
yard: angloamerikanische Längeneinheit, 1 yd = 0,91 m |
yardage: Stoffverbrauchangabe in Yards |
yoke: Passe |
waist: Taille, auch Bundweite |
waistline: Taillenlinie |
width: Weite |
woven fabric: Webware |
wrist: Handgelenk |
wrong sides out (wso): rechts auf rechts |
wrong sides together (wst): links auf links |
vest: Gilet |
zigzagstitch: Zickzackstich |
zipper: Reissverschluss |
Hallo,Eins habe ich immer noch nicht verstanden: wenn ich einen Hosen oder anderen Schnitt in inch habe, muss ich den dann komplett in cm umrechnen, also jede Länge, Kurve usw? Die Tabellen sind ja bekannt, aber irgendwie habe ich da einen Knoten im Gehirn. Lieben Dank,Konstanze
Vielen Dank für die tolle Vokabelliste! Mit ihr habe ich bisher wirklich jedes Schnittmuster meistern können!
nun habe ich diene Fachbegriffe in eine Tabelle übertragen und ausgedruckt.Vielleicht wage ich mich nun an englischsprachige Schnitte.
schönes Weinhachtsfest 2018 wünscht Margitta
Sehr gerne geschehen. Und wenn doch was unklar sein sollte, einfach melden. Herzliche Grüsse und auch dir ein frohes Fest!
Bettina
Guten Tag,
beim Stoffverbrauch (denke doch mal, dass der mit “yardage” gemeint ist?) finde ich diese für mich unerklärliche Tabelle. Eine Lesehilfe zum Entschlüsseln würde mich echt glücklich machen 😉
oben in der Tabelle stehen die Maße mit den zugeordneten amerikanischen Größen, jeweils in inch/cm.
Aber dann (und für 1,50 breiten Stoff sind ebenfalls solche Zahlen, die ich nicht verstehe):
yardage required for drawstring dress with short sleeves *:
45″/115cm 3 1/2 3 1/2 3 1/2 3 5/8 3 5/8 3 5/8 3 5/8 3 5/8 3 5/8 3 7/8 3 7/8
Tausend Dank für jegliche Hilfe im Voraus!
Stoffverbrauch für ein Kleid mit Bindeband, kurze Ärmel. Bei einem Stoff, der 115cm breit ist (also Patchworkstoffbreite), je so und so viel Yard. 3,5 yards… dann 3 fünf Achtel usw. Die Inch-Yard-Einheiten sind nicht metrisch, sondern werden eben so geteilt. Einfach mal googeln. Ein Yard ist etwas unter einem Meter, 3 7/8 Yards sind etwas über vier Meter.
Viele Grüsse und gut näh!
Aaaaaach soooo! Da oben in der Tabelle der Schrägstrich für die Abtrennung von inch/cm stand, hab ich nicht gerafft, dass es sich unten um einen Bruch handelte. Und yards, ja klar … beim Stricken kommen die nicht so oft vor 😉
Vielen lieben Dank, jetzt blicke ich durch!
Barbara
Kurze blöde Frage XD
Der test square: wenn dort 1″square steht, ist das dann 1inch? Ich steh glaube aufm schlauch .:’D
Das kommt ganz auf den Schnitt an. Mittlerweile bieten viele englischsprachige Designer ein Doppelkästchen sowohl für 1” als auch für einen Zentimeter an.
Danke für diesen wirklich megasinnvollen Beitrag. Auch die amerikanische Bernina-Seite hat oft schöne Vorschläge.
Sew it if you can.
Elke
Hallo zusammen,
Englische Schnittmuster sind bei mir schon öfter zum Zuge gekommen. Die Muster namhafter amerikanischer Hersteller sitzen für mich einfach besser und haben mMn die ausführlicheren Kennzeichnungen (bust point etc.). Bei der Mehrzahl der deutschen Schnittmuster muss ich häufig ziemlich viel anpassen. Da ist Schnittmuster selber entwerfen fast schneller.
Was ich sehr schätze ist die amerikanische Internet Plattform Craftsy, wo man gute Kurse bekommt on demand, grade, wenn man etwas weiter ist mit der Nähpraxis.
Die Anschaffung eines Zentimetermaßes inch ist sinnvoll und vereinfacht einiges. Für Patchwork bietet es sich mMn auch an, das ein oder andere Lineal in dieser Einheit anzuschaffen. Auch das erhöht den Radius für Muster.
Liebe nähfreudige Grüße
Rubina
Danke! Ich drück mich auch immer um die englischen Schnittmuster. Mit Deiner Übersetzungshilfe wird es leichter.
Gruß Mariel