Gerade jetzt im Sommer ist der leichte, fließende Chiffon besonders schön zu tragen. Egal ob Sommerkleid, Bluse oder weit schwingender Rock, der leicht transparente, zarte Stoff wirkt immer luftig und elegant. Besonders gern mag ich dabei seinen matten Schimmer und den tollen Fall, der Röcke und Ärmel so herrlich im Wind wabern lässt. Er ist definitiv ein anspruchsvolles Material, aber nicht unmöglich zu verarbeiten. In diesem Beitrag gebe ich Euch sechs praktische Tipps zum Nähen mit Chiffon.
Zuschnitt auf dem Leintuch
Meine größte Herausforderung beim Nähen mit Chiffon ist eigentlich gar nicht das Nähen, sondern der Zuschnitt. Der Stoff ist so leicht und rutschig, dass es unmöglich ist, ihn auf einer glatten Tischplatte oder dem Boden richtig zuzuschneiden, ohne dass er sich dabei verzieht. Im letzten Jahr habe ich hier bereits über ein Projekt aus Crepe-Chiffon geschrieben, meine Vintage-Wickelbluse. Bei dieser musste ich ein großes Teil ganz gerade und exakt im Fadenlauf zuschneiden. Dabei habe ich mit einem ganz einfachen Trick beholfen. Zum Zuschnitt habe ich ein großes Leinentuch gebügelt und auf den Boden gelegt. Darauf kam dann der Chiffon. Den habe ich dann an dem sichtbaren Fadenlauf des Leinentuchs ausgerichtet. Durch die Unterlage konnte der Chiffon nicht mehr wegrutschen und auch den Fadenlauf konnte ich so immer abgleichen.
Die richtige Nadel zum Chiffon nähen
Chiffon ist ein feiner und empfindlicher Stoff. Egal ob aus Seide oder Polyester, ein Stich mit einer stumpfen Nadel genügt, um Fäden zu ziehen und den Stoff zu ruinieren. Deswegen solltet Ihr Chiffon nur mit einer ganz feinen Seiden- oder Microtextnadel (60-70) nähen. Das gilt übrigens auch für die Stecknadeln! Ich versuche so wenig Stecknadeln wie möglich zu nutzen und nur in der Nahtzugabe zu stecken, da man die Löcher in dem feinen Stoff sofort sieht. Zu der feinen Nadel gehört übrigens auch ein passendes, ebenfalls feines Nähgarn.
Chiffon nähen mit der Nähmaschine – Das müsst Ihr beachten
Um zu vermeiden dass der Stoff sich beim Nähen verzieht und richtig transportiert wird, verringere ich vor dem Nähen den Nähfußdruck an meiner Maschine. So gleitet der feine Chiffon sauber unter dem Nähfüßchen hindurch. Wenn ihr einen Übertransportfuß habt, baut ihn für dieses Material besser ab. Da sich dessen Druck nicht regulieren lässt, ergibt sich dadurch hinter dem Nähfüßchen zu viel Zug auf den Stoff, so dass er sich leicht verziehen kann.
Damit der Stoff nicht in die Maschine gezogen wird, ist es auch wichtig, nicht ganz vorne am Nahtanfang zu beginnen, sondern ein paar Zentimeter dahinter. Das setzt natürlich genügend Nahtzugabe voraus. Ich verwende bei Chiffon immer 1,7 cm Nahtzugabe, unter anderem auch weil ich ggf. für die Nahtzugaben etwas mehr davon brauche.
Nahtzugaben: Französische Nähte, Schrägband oder doppeltes Einschlagen
Bei einem durchsichtigen Stoff sind die Nahtzugaben eine ganz besondere Herausforderung, da sie von außen auch sichtbar sind. Wie kann man sie also ansehnlich machen? Dafür nutze ich am liebsten diese Methoden:
Französische Nähte
Bei dieser Technik wird die Nahtzugabe in einer Naht “eingeschlossen”. Wie genau das funktioniert, könnt ihr hier in dieser Anleitung nachlesen.
Schrägband
Ein Schrägband aus Chiffon herzustellen ist wirklich keine leichte Aufgabe. Nicht nur, dass der Stoff sich nur schwer im schrägen Fadenlauf zuschneiden lässt, ohne wegzurutschen oder zu verziehen, auch beim Bügeln und Nähen tut er sich schwer. Aber die Mühe lohnt sich! Gerade für Rockteile, die durch etwas zusätzliches Gewicht schön fallen und schwingen, ist das Versäubern mit Schrägband gut geeignet. Ich habe das bei der Rüsche von meinem Chiffon-Kleid gemacht.
Schmal einschlagen
Bei Nähten die nach außen eher wenig sichtbar sind und einer etwas festeren Stoffqualität ist es auch machbar, die Nahtzugabe einfach ganz schmal doppelt einzuschlagen und fest zu steppen. Das funktioniert aber nur gut bei Chiffons, die sich gut bügeln lassen. Bei allen anderen empfehle ich eher einen Rollsaum. Den kann man auch für die Nahtzugabe verwenden. Wie der funktioniert, zeige ich weiter unten.
Bügeln, Bügeln, Bügeln
Das ist so etwas wie mein Näh-Mantra. Gerade bei feinen Stoffen geht ohne ein gutes Bügeleisen gar nichts. Egal ob Rollsaum oder französische Naht, diese Techniken funktionieren einfach nicht ohne das Bügeln. Wichtig ist hier die richtige Temperatur am Bügeleisen. Stellt die Temperatur dem Material entsprechend ein, z.B. für Seide, Baumwolle oder Kunstfaser, je nachdem aus welchem Material Euer Chiffon ist.
Ich benutze zum sauberen Umbügeln der Kanten bei solch rutschigen Stoffen eine kleine Karton-Schablone.
Der Rollsaum
Für sichtbare Saumkanten am Rock oder an Ärmeln empfehle ich den Rollsaum. Bei dieser Technik wird der Saum eingeschlagen und dann mit einer Art Blindstich festgenäht. Dann zieht man an den Fäden, so dass der Saum sich einrollt. Einen Rollsaum kann man mit dem passenden Rollsaumfuß mit der Nähmaschine nähen, das ist der Schmalsäumer für Geradstich 2 mm #62.
Besonders schön wird er aber auch, wenn man ihn von Hand näht. Mit ein bisschen Übung dauert das gar nicht so lange. Mit der Hand funktioniert das so.
Als erstes näht ihr den kompletten Saum an der Kante entlang mit 1 cm Abstand und einem mittelgroßen Stich ab.
Dann wird die Kante nach innen umgebügelt.
Danach nehmt ihr eine Handnähnadel und etwa 40cm Nähgarn und näht einen regelmäßigen Blindstich. Dabei macht ihr einen winzigen Stich im Oberstoff unterhalb der eingeschlagenen Kante und geht dann mit der Nadel unter eine Schlinge der gerade umgebügelten Naht, schräg über dem Stich. Von dort aus geht es wieder schräg nach unten und der nächste winzige Stich folgt.
Ist noch etwa 5cm Nähgarn übrig, zieht es aus der Nadel. Dann nehmt ihr die beiden Fadenenden und zieht daran. Der Saum rollt sich dann wie von Zauberhand nach innen und bildet eine schöne, saubere Kante.
Dann schneidet Ihr Euch die nächsten 40cm Faden ab und macht dort weiter, wo ihr aufgehört habt. Habt ihr auch in diesem Abschnitt den Saum gerollt, könnt ihr die überstehenden Fäden miteinander verknoten und dann im Rollsaum vernähen.
Zum Schluss wird die Kante des Rollsaums nochmal ordentlich gebügelt. Und fertig ist ein perfekter Saum für einen transparenten, leichten Stoff.
Hilfe! Die Maschine hat meinen Stoff gefressen!
Das war definitiv mein häufigster Fehler beim Nähen von Chiffon und Seide. Da habe ich mal kurz nicht aufgepasst und schon war es passiert – die Nähmaschine hatte das Ende von meinem zarten Chiffonstoff eingezogen und ließ ihn nicht mehr gehen.
Reißen und Zerren richtig da mehr Schaden als Nutzen an. Ist der Stoff in der Maschine, hilft es auch nicht weiter zu nähen, er wird nicht mehr herauskommen und bekommt durch die Nadelstiche höchstens Löcher.Trotzdem ist es kein Drama, wenn das passiert.
Als erstes fahrt Ihr die Nadel ganz nach oben, hebt den Nähfuß und löst ihn. Dann entfernt Ihr die Stichplatte. Nun ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt. Mit einer Pinzette könnt Ihr nun vorsichtig den eingeklemmten Stoff befreien. Wenn er ganz tief eingezogen wurde, hilft es manchmal auch, die Spulenkapsel zu entfernen. Wichtig ist hier, keine Gewalt anzuwenden! Das zerstört den Stoff und im schlimmsten Fall auch die Mechanik Eurer Nähmaschinen! Es braucht manchmal etwas Geduld, aber glaubt mir, ich habe schon jeden eingezogenen Stoff wieder aus der Maschine bekommen!
Fazit – Nähen mit Chiffon
Gerade für Nähanfänger ist der durchsichtige, feine Stoff eine echte Herausforderung. Aber es lohnt sich, sie anzugehen! Gerade bei heißen Temperaturen geht nichts über ein schönes Kleid aus luftigem Seidenchiffon. Was ich ganz besonders an diesem Material liebe ist übrigens auch, dass er weitestgehend knitterfrei ist. Aus einem hochwertigen Material wie Seide kann man den Chiffon locker den ganzen Tag tragen, ohne zu schwitzen. Und auch im Herbst kann man mit einer Seidenbluse unter einer Strickjacke tolle, feminine Looks kreiieren. Da man den Stoff wunderbar rüschen, raffen und drapieren kann, gibt es so viele Optionen das eigene Kleidungsstück mit kleinen Details zu etwas ganz Besonderem zu machen.
Diesen Sommer habe ich mit ein verspieltes Kleid im Stil der Vierziger Jahre aus Chiffon genäht. Aber auch im Herbst werden mich die feinen, edlen Seidenstoffe weiter begleiten.
Der glänzende Bruder des Seidenchiffon ist übrigens der Seidensatin. Auch dieses Material ist anspruchsvoll, aber mit ein paar guten Tricks einfach zu meistern. Wie das geht, hat Bianca Euch hier in ihrem Bernina Beitrag vom Juli beschrieben.
Auch noch ein interessanter Tipp, den ich hier auf dem Bernina Blog entdeckt habe, ist das Säumen von Chiffon mit der Overlock. Ja, das geht, aber nur bei etwas dickeren Stoffqualitäten oder wenn der Stoff – wie hier im Beitrag – doppelt gelegt wird. Bei einlagigem, sehr feinem Stoff drücken sich die Overlocknähte nämlich ziemlich hässlich nach außen durch.
Vielen Dank, dass Ihr meinen Beitrag gelesen habt. Ich hoffe, ich konnte Euch mit meinen Tipps helfen, das Nähen mit Chiffon zu meistern. Wenn Ihr noch eine Frage oder ein Problem habt, schreibt gerne einen Kommentar hier auf dem BERNINA Blog oder kontaktiert mich über meinen Instagram oder Facebook Kanal.
Das sind wirklich gute Tipps, die ich gerne ausprobieren will, da ich in Bälde “Spanner” aus Chiffon nähen möchte und Seide verarbeiten will (Top und Hose).
Hallo Johanna,
lieben Dank für Deinen Kommentar. Seidenchiffon ist ein traumhaftes Material! Aber was ist denn ein “Spanner”? Ein Set aus Top und Hose?
Liebe Grüße
Theresia
Super Tipps, die feinen Stoffe haben es ja meist ganz schön in sich. Bei mir ist da Herzklopfen vorprogrammiert. Danke für die Ausführlichen Ratschläge.Gruß Annette
Hallo, ich möchte mich nicht als Schlaumeier outen, aber bei diesen delikaten Stoffen, wähle ich immer die Stichplatte, die auch zum Sticken verwendet wird. Da hat das Stoff Fressgespenst ausgegeistert .LG Susanne
Hallo Susanne,
das ist ein wirklich toller Tipp, vielen Dank dafür! Tatsächlich habe ich das noch nie ausprobiert mit einer anderen Stichplatte! Ich werde das mal ausprobieren und im nächsten Beitrag rund um Seide und andere feine Stoffe über meine Erfahrung schreiben!
LG
Theresia
Der Beitrag ist sehr gut, den muss ich nochmal in a ller Ruhe noch einmal durchwandern.Ich nähe schon über 50 Jahre ,aber mit diesen zarten Stoffen hab Schwierigkeiten.Die Tipps sind toll !!!!
Hallo Christa,
Es freut mich, dass ich dir mit meinen Tipps helfen konnte. Ich habe mich selbst auch sehr lange nicht an feine Stoffe gewagt, weil ich Angst hatte, sie kaputt zu machen. Aber mit etwas Übung und den Tipps von oben ist es tatsächlich gar nicht so schwer!
Liebe Grüße und viel Nähfreude
Theresia